„Ohne Wasser merkt Euch das, wär’ unsre Welt ein leeres Fass“. Diese Zeile aus einem alten deutschen Lied kommt mir in letzter Zeit immer öfter in den Sinn. Anlass dazu sind die Zunahme von Informationen in der Presse über bereits existierende und weiter zunehmende Probleme in der Wasserversorgung, aber auch meine Beobachtungen über den doch ziemlich sorglosen Umgang mit diesem kostbaren Gut.

Nun gut, für einen gelernten Stadtbewohner mag es vielleicht angenehm sein, wenn es wochenlang nicht regnet, für die Natur aber ist das schon ein Problem. Auf die Frage, wie viel denn das Wasser in Almaty kostet, bekomme ich fast immer nur ein Schulterzucken als Antwort. Natürlich weiß auch in Deutschland nicht jeder die Antwort auf diese Frage, aber das Gefühl, dass Wasser ein kostbares und teures Gut ist, ist dort typisch. Doch das Wasserproblem existiert im Moment eigentlich eher hierzulande als im fernen Deutschland. Die meisten hier Befragten antworten, dass es in Almaty kein Wasserproblem gebe. Diese falsche Antwort resultiert sicher auch aus der großen Entfernung zu Naturprozessen, mit der wir Stadtbewohner heutzutage leben. Aber auch die fehlende Sensibilisierung, sprich völlig unzureichende Aufklärung über bestehende und sich entwickelnde Probleme der Umwelt im weiteren Sinne des Wortes, spielt eine wichtige Rolle.

Tatsache ist, dass sich Wasser im Rahmen des Prozesses der globalen Erwärmung in der Region Zentralasien (aber nicht nur hier) ziemlich schnell in einen wichtigeren Rohstoff verwandeln kann, als Öl es heute ist. Wasser ist nun mal absolut lebensnotwendig, während die Ölnutzung ab einem bestimmten Grad durchaus verzichtbar organisiert werden kann, wenn man es denn muss oder will.

Aktuell ist das Wasser und seine Nutzung in Zentralasien schon ein sehr heikles und äußerst konfliktreiches Thema, obwohl es auf den ersten Blick genügend verfügbar scheint. Ohne in Details zu gehen, sei nur an den Grundkonflikt erinnert: Einige Länder – die mit geringen Möglichkeiten landwirtschaftlicher Produktion – nutzen Wasser vor allem als erneuerbaren Energieträger, das heißt sie erzeugen Strom aus Wasserkraft. Das ist bekanntlich besonders im Winter nötig, wo der Zustrom aus den Bergen naturgemäß gering ist. Folglich erschöpfen sich die Vorräte in den Talsperren relativ schnell, so dass im Frühjahr, wenn in den landwirtschaftsorientierten Staaten die Bewässerung beginnt, nicht genug des kostbaren Stoffes zur Verfügung steht. Ein Optimum zwischen diesen beiden Verwendungsarten zu finden, war schon zu Sowjetzeiten schwierig, noch mehr ist es das heute. Die nationale Selbstständigkeit der zentralasiatischen Republiken, aber vor allem die stark auseinanderdriftende wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Staaten erschweren Kompromisse offensichtlich eher, als sie diese Entwicklung befördern. Im Mittelpunkt der Arbeit der entsprechenden Kommissionen steht im Moment „lediglich“ die Frage der gerechten Verteilung der begrenzten Ressourcen. Zu den Aspekten einer modernen Wasserwirtschaft mit der rationellen Wassernutzung als Schwerpunkt ist man noch nicht in nennenswertem Maße durchgedrungen. Die aber ist letztlich der Kern der politischen Lösung des Wasserproblems. Hierbei gibt es natürlich eine Vielzahl technologischer, finanzieller und organisatorischer Fragen zu erörtern – und zu lösen. Das ist auf politischer Ebene sicher auch bekannt, dennoch läuft die Zeit davon. Nach den neuesten Veröffentlichungen langfristiger Wetterdaten steigt die durchschnittliche Lufttemperatur in der Region Zentralasien fast doppelt so schnell wie im Weltdurchschnitt. Die Periode des Auftretens von Dürren hat sich in den letzten 50 Jahren von 4,5 Jahren auf drei Jahre verkürzt. Dürren werden also eher zur Normalität, während gleichzeitig die großen Wasserspeicher, also die Gletscher, schneller schmelzen. Im Jahre 2100 – das ist für manchen von uns sicher nicht mehr relevant – steht damit ihr völliges Verschwinden an.

Das alles ist „nur“ der klimagegebene Hintergrund des Wasserproblems. Hinzu kommen die großen finanziellen und technischen Aufwendungen, die mit der Bereitstellung dieses Grundnahrungsmittels verbunden sind. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Tagesverbrauch eines Almatyer Durchschnittsbürgers von etwa 350 Litern schon enorm. In Deutschland liegt der Durchschnittsverbrauch bei etwa 100 Litern, ohne dass damit ein Komfortverlust im täglichen Leben zu verzeichnen wäre. Auch in Almaty sucht man mittlerweile nach Wegen zur Lösung des Wasserproblems. Von den meisten Bürgern ist es als solches noch gar nicht erkannt oder anerkannt. Genau hier müsste angesetzt werden. Erst dann kann die notwendige Erhöhung der Wassertarife und die per Dekret angeordnete Ausrüstung aller Haushalte mit Wasserzählern außer dem technischen Wasserspareffekt auch eine psychologische Verinnerlichung und damit eine Verstetigung wassersparenden Verhaltens im täglichen Leben bewirken.

Bodo Lochmann

03/10/08

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