Prof. Dr. Alexander Trunk, Direktor des Instituts für Osteuropäisches Recht der Universität Kiel, hat vergangene Woche in Almaty Gastvorlesungen an der Nationalen Universität Al-Farabi zum deutschen, kasachischen und russischen Internationalen Privatrecht (IPR) gehalten. Im Gespräch mit der DAZ erzählt er von seinen ersten Eindrücken in Almaty, den Studenten in Kasachstan und den Chancen für deutsche Studenten auf dem zentralasiatischen Arbeitsmarkt.

Herr Professor Trunk, mit welchen Erwartungen sind Sie nach Kasachstan gekommen?

Da ich zum ersten Mal in Kasachstan bin, stellten sich mir vor Antritt meiner Reise relativ viele offene Fragen. Ich wollte mir vor allem ein Bild von der politischen, der wirtschaftlichen und der sozialen Situation in Almaty machen. Mich interessierte, inwieweit sich der Lebensstandard der Bevölkerung und auch die wirtschaftliche Gesamtentwicklung des Staates von den Verhältnissen in anderen Transformationsstaaten unterscheiden. Auf die universitäre Ebene bezogen, wollte ich herausfinden, wie groß, solide verankert und vor allem, wie offen die Almatyer Universität gegenüber dem Westen ist.

Sie halten hier eine Gastvorlesung „zum deutschen, kasachischen und russischen IPR”, vielleicht können Sie unseren Lesern kurz erklären, was Sie hier unterrichten?

Ich beschäftige mich in erster Linie mit Themen im Bereich des Privat- und des Verfahrensrechts, besonders mit internationalen Privatrechtsbeziehungen. Das IPR ist ein Grundlagenfach für den Bereich der internationalen Rechtsbeziehungen. Ein Beispiel: Nehmen Sie einmal an, wir hätten eine national gemischte Ehe zwischen einem kasachischen Mann und einer deutschen Frau, oder auch den Abschluss eines Kaufvertrags zwischen zwei Vertragspartnern aus verschiedenen Staaten. In solchen Fällen muss man klären, welches nationale Recht Anwendung finden soll, z.B. das Recht Kasachstans oder das deutsche Recht.

Was ist Ihr erster Eindruck von der Universität Al-Farabi?

Meiner Meinung nach gibt es sowohl bei den Dozenten als auch bei den Studenten eine große Bereitschaft zu internationalen Gesprächen und Kooperation. Die generelle Öffnung der Universität Richtung Europa ist ein ernsthaftes Ziel für die Zukunft. Dennoch sind weitere Schritte nötig, um dieses Gesamtziel in die funktionierende Praxis umzusetzen. So gibt es in der Bibliothek der Juristischen Fakultät bislang nur relativ wenige Bücher zum ausländischen Recht. Auch ist die Ausbildungsmethodik im IPR, also im Internationalen Privatrecht, in Kasachstan vollkommen anders strukturiert. In Deutschland wird die Rechtsprechung viel stärker berücksichtigt. Der wichtigste Schritt ist die entsprechende Förderung der Studenten. Um als Rechtsanwalt oder Unternehmensjurist erfolgreich tätig zu sein, brauchen junge Juristen internationale Erfahrung und umfassende Kenntnisse, auch im ausländischen Recht. Ich betreue eine kasachische Doktorandin, die über internationales Umweltrecht promovieren will. Die Regierung von Kasachstan und die Universität Almaty haben gerade ein neues Programm für gemeinsam betreute, kasachisch-ausländische Promotionen entwickelt.

Bemerken Sie einen Unterschied zwischen den Studenten in Almaty und Ihren Studenten in Kiel?

Ich habe festgestellt, dass die Studenten in Almaty insgesamt gesehen sehr aufgeschlossen und sehr interessiert sind. Die Kenntnisse im Internationalen Privatrecht sind nach meinem Eindruck allerdings bisher auf Grundzüge beschränkt, was unter anderem daran liegt, dass Internationales Privatrecht in Kasachstan erst seit kurzem gelehrt wird. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Al-Farabi-Universität die Kooperation mit ausländischen Universitäten jetzt so stark betont. Die Studenten hier in Almaty legen eine sehr große Lernbereitschaft und Wissbegierde an den Tag. Ich wäre glücklich, wenn unsere deutschen Studierenden ein entsprechendes Engagement und Interesse aufbrächten. Leider ist es so, dass die deutschen Studierenden etwa die Stipendienmöglichkeiten nach Osteuropa nur sehr zögerlich annehmen. Das ist schade, weil die Länder dieser Region in vieler Hinsicht interessant und beruflich perspektivreich sind.

Was gefällt Ihnen besonders an der Stadt Almaty?

Die Stadt Almaty hat eine wunderbare Lage am Fuße des Tienschan-Gebirges. Leider hatte ich wenig Gelegenheit, die nähere Umgebung zu erkunden. Trotzdem begeistert mich diese Stadt. Ich sehe einige Parallelen zur Stadt München – die Berge im Hintergrund, Seen im Umland und eine unglaubliche kulturelle Vielfalt. Besonders interessant war für mich, dass ich direkt vor den Präsidentschaftswahlen angekommen bin und auch die Gelegenheit hatte, ein Wahllokal von innen zu besichtigen. Beeindruckt war ich besonders von der elektronischen Stimmabgabe – so fortschrittlich sind wir bei uns ins Deutschland noch nicht. Positiv finde ich zudem, dass die russische Sprache im täglichen Umgang weiterhin ein allgemein verwendbares Kommunikationsmedium ist. Dies ist in einigen anderen postsowjetischen Staaten anders, wo das Russische, auch als Wissenschaftssprache, zunehmend vergessen wird. Diese Tendenzen schätze ich relativ kritisch ein, da sich diese Länder von der internationalen Diskussion isolieren. Kasachstan scheint diesen Fehler hingegen nicht zu begehen.

Ist Ihnen auch irgendetwas negativ bei ihrem Aufenthalt in Almaty aufgefallen?
Im Prinzip gefällt mir die Stadt Almaty sehr. Allerdings denke ich, dass im Bereich des Umweltschutzes ein großer Nachholbedarf besteht. Die Luft in Almaty ist leider nicht sehr gut, was wohl nicht nur an den Industrieabgasmengen liegt, sondern zum Beispiel auch an der Tatsache, dass in Kasachstan im Autoverkehr keine Katalysatorpflicht besteht.

Sehen Sie persönlich auch Perspektiven für deutsche Studenten auf dem zentralasiatischen Arbeitsmarkt?

Auf jeden Fall! Die deutschen Universitäten richten sich meist ziemlich einseitig auf den englischsprachigen Raum aus. Die Bereitschaft, sich auf Osteuropa oder gar Zentralasien einzulassen, ist nach meinem Eindruck kaum vorhanden. Es gibt immer noch das weit verbreitete Vorurteil, dass der Osten „grau“ oder „primitiv“ sei. Hinzu kommt wohl auch die Angst vor der fremden Sprache. Diese Tatsache finde ich persönlich bedauerlich, denn viele osteuropäische oder zentralasiatische Metropolen wie Moskau, Sankt Petersburg, Kiew oder eben auch Almaty sind ausgesprochen lebendige, pulsierende Städte.

Und auf dem Arbeitsmarkt bieten sich gerade in einem wirtschaftlich boomenden Staat wie Kasachstan große Chancen, auch für deutsche Hochschulabsolventen. Um sich jedoch auf den Osten einzulassen, braucht es natürlich immer noch ein gewisses Quäntchen Wagemut!

Vielen Dank für das Gespräch!

16/12/05

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