Vier Gastfamilien in einem Jahr Au-pair in Deutschland zeigten Assel Issayeva, 22 Jahre, die deutsche Mentalität und Kultur, wie man sie nicht im Buch lernt. Die erste Familie mit drei lieben Mädchen wohnte auf dem Land und googelte erst mal im Internet, wo Kasachstan liegt. Die zweite Familie wohnte direkt in Köln und bestand aus einer alleinerziehenden Mutter, die Assel ihr achtmonatiges Baby zur Rundum-Pflege anvertraute. Die dritte Familie hatte gar keine Au-pair-Erfahrungen und brachte Assel das Wort Stress bei. Bei der vierten Familie hatte Assel eine tolle Zeit mit der Nachmittagsgestaltung mit Söhnchen Veit und als Aushilfe in der Fischbude auf der Kirmes. In der DAZ berichtet Assel Issayeva, Germanistikstudentin an der Weltsprachenuniversität in Almaty, über ihre Erfahrungen mit deutschen Erziehungsmethoden, ihre Forschungsreisen durch ein fremdes Land und über die Freundlichkeit und Planungslust der Deutschen.

/Bild: Assel Issayeva. ‚“Mein Au-pair-Jahr in Deutschland ist die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe.”’/

Mein Au-pair Jahr in Deutschland begann direkt mit einem Abenteuer, als ich meinen Gastvater auf dem Flughafen verlor. Das war ein Schock für mich, als ich plötzlich ganz allein auf dem Frankfurter Flughafen stand. Ich wollte kurz eine Besorgung machen und hatte mich im Gedränge verlaufen. Zum Glück habe ich meinen Gastvater nach einer Stunde wiedergefunden. Er hatte sich auch schon sehr viele Sorgen um mich gemacht und wusste nicht, wie er mich suchen sollte, da mein ganzes Gepäck schon bei ihm im Auto verstaut war, und ich damals noch kein Handy hatte, um mich bei ihm zu melden.

Reise meines Lebens

Als ich am 7. August 2008 als Au-pair nach Deutschland flog, wurde mir schon im Flugzeug nach Frankfurt richtig bewusst, dass jetzt die Reise meines Lebens beginnt. Aber wie man so sagt: „Wer kein Risiko eingeht, der wird auch keinen Champagner trinken.” Mit meiner ersten Gastfamilie habe ich mich von Anfang an sehr gut verstanden. Sie waren eine tolle Familie. Mit den drei Kindern kam ich sofort gut klar, das war kein Problem für mich, weil ich sehr kinderlieb bin. Mit meinen Gasteltern hatte ich auch immer viel Spaß, besonders am Abend, wenn die Kinder im Bett waren und wir alle zusammen ein Glas Wein tranken. Die Erziehungsmethode, die Kinder schon um 20 Uhr ins Bett zu schicken, fand ich besonders super, auch wenn ich anfangs sehr überrascht war.

Meine Gasteltern waren immer interessiert, etwas über mein Heimatland Kasachstan zu erfahren, weil sie nie daran gedacht hatten, dass es eine solche Nationalität wie Kasachen gibt. Bevor sie mich kennenlernten, hatten sie erst mal im Internet und im Atlas Kasachstan gesucht und waren sehr überrascht, dass Kasachstan viel größer als Deutschland ist, und dass Kasachen asiatischer Herkunft sind.

Mir fiel auf, dass viele Menschen in Europa keine Ahnung haben, wo Kasachstan liegt. Stets wurde ich gefragt, ob es stimmt, was der berühmte Film „Borat” über Kasachstan zeige. Am Anfang ärgerte ich mich immer darüber und gab mir Mühe, zu erklären, dass der Film überhaupt nicht in Kasachstan gedreht wurde. Später habe ich verstanden, dass das reine Zeitverschwendung ist und habe immer selbst Scherze darüber gemacht.

Mir fiel besonders auf, dass die Menschen in Deutschland sehr freundlich sind. Wenn ich nach dem Weg fragte, gingen sie immer mit und zeigten mir den Ort, den ich suchte. Die Deutschen sind immer sehr höflich, egal ob in Supermarkt, Straßenbahn oder auf der Straße. Von Anfang an habe ich in Deutschland auch bemerkt, dass die Deutschen gerne nach einem genauen Plan leben und alles kontrollieren möchten. Mir wurde in Deutschland erklärt, dass geplantes Handeln zu effektiveren Arbeitsergebnissen führe. Oft habe ich in Deutschland auch erlebt, dass unangekündigter Besuch nicht erwünscht ist.

In meiner Gastfamilie fühlte ich mich wie ein richtiges Familienmitglied. Wir feierten gemeinsam viele Feiertage, meinen Geburtstag und verbrachten die Wochenenden zusammen. Sie organisierten immer etwas, damit ich mich nicht langweilte, und mehr über Deutschland und die deutsche Kultur erfuhr. Ich war das dritte Au-pair bei dieser Familie, und sie hatten schon viele Erfahrungen, deswegen fühlte ich mich nie ausgeschlossen oder einsam. Meine Gastfamilie versuchte immer, mich zu unterstützen, wenn ich Rat oder Hilfe brauchte.

Ich hatte, wie im Vertrag festgelegt, ein eigenes Zimmer und bekam monatlich Taschengeld. Meine Gastfamilie besorgte jeden Monat die Tickets zu meiner Sprachschule und zahlte für den Unterricht. Alles war gut geregelt. Ich habe schnell viele Freunde gefunden, viele Reisen durch ganz Deutschland und Europa gemacht. Ich war immer unterwegs – eine kleine neugierige Forschungsreisende.

Austausch mit Au-pairs aus aller Welt

Meine Au-pair-Agentur veranstaltete immer Treffen, bei denen ich andere Au-pairs kennenlernte, und die unterstützten mich schließlich auch in meinem Wunsch, meine erste Gastfamilie zu wechseln. Diese Entscheidung trafen wir zusammen mit meiner Gastfamilie aus Möhnesee bei Soest, weil es für mich sehr stressig und anstrengend war, meine Sprachschule zu besuchen. Ich brauchte immer etwa zwei Stunden, um meine Schule zuerst mit dem Bus und dann mit dem Zug und zu Fuß zu erreichen. Am Abend fuhren keine Busse mehr, weil das Dorf sehr klein war und nur 700 Einwohner hatte. Überhaupt verkehrten die Busse nicht so oft.
Das letzte, was ich mit meiner ersten Gastfamilie erlebte, war mein erstes Weihnachten in Deutschland. Daran werde ich mich immer erinnern. Es war eine tolle Zeit, die ich niemals vergessen werde. Ich war sehr traurig, dass ich diese Familie verlassen würde, aber es war meine Entscheidung. Ich wollte in eine große Stadt ziehen, und hoffte, dass mit der neuen Gastfamilie alles klappen würde. Nach Weihnachten bin ich mit Trauer im Herzen nach Köln umgezogen.

Familie Nr. 2: die beruftstätige Mama und ihr Baby

Dort erwartete mich eine alleinerziehende, berufstätige Mutter mit einem acht Monate alten Baby. Erst war alles super, aber nach zwei Wochen habe ich verstanden, dass die Verantwortung für mich zu groß war, und ich es nicht schaffen würde, auf das Baby aufzupassen. Es war einfach noch zu klein für mich.

Meine Au-pair-Vermittlung stand mir mit Rat und Tat zur Seite. Sie unterstützte mich, und ich konnte jederzeit meine Betreuerin erreichen. Persönlich hatte ich keine Probleme mit meiner Gastmutter, zusammen entschieden wir, dass ich in einer anderen Familie mit älteren Kindern arbeiten sollte. So wechselte ich zum zweiten Mal meine Gastfamilie in Deutschland.

Meine dritte Familie wohnte auch in Köln. Sie hatten vier Kinder. Mit der Entscheidung habe ich mich wirklich beeilt. Ich wollte keine Zeit verschwenden, und schnell umziehen. Aber ein russisches Sprichwort besagt: „Wenn man sich beeilt, bringt man andere zum Lachen.“ Die neue Gastfamilie hatte überhaupt keine Erfahrungen mit Au-pairs. Meine Gastmutter hatte leider ganz falsche Vorstellungen, was zur Aufgabe eines Au-pairs gehört.

Beziehung zwichen Au-pair und Gastfamilie

Dies führte oft zu Streitigkeiten. Außerdem akzeptierten mich die Kinder nicht, und ich hatte keine Unterstützung von den Gasteltern. Niemand außer meinen Freunden stärkte mir in dieser Situation den Rücken. Ich fühlte mich sehr einsam und wollte nach Hause, weil ich mir alles ganz anders vorgestellt hatte.

Aus meinen Erfahrungen weiß ich nun, dass an der Beziehung zwischen Gastfamilie und Au-pair beide Seiten arbeiten müssen. Aber daran fehlte es bei dieser Gastfamilie. Ich hatte den Eindruck, dass sie immer Stress und Probleme selbst aus Kleinigkeiten machten. Das Wort „Stress“ hörte ich in Deutschland immer wieder und bemerkte, dass es ein beliebtes Wort ist, das man oft gebrauchen kann.

Nach ein paar Wochen musste ich entscheiden, wie es weiter gehen sollte. Ich habe natürlich nicht nur schlechte Erinnerungen an diese Familie. Sie taten ja auch viel für mich, und manchmal war alles super mit den Kindern und mit der Gastmutter, aber es war einfach nicht das, was ich erwartet hatte. Nach zwei Monaten bei dieser Familie, habe ich meine Koffer gepackt und bin gegangen.

Mein Glück zerplatzt wie eine Seifenblase

Ich wusste nun nicht, was ich machen sollte. Schon fast acht Monate hatte ich bis dahin in Deutschland gelebt, und in einem Moment war mein ganzes Glück wie eine Seifenblase zerplatzt. Ich begann im Internet nach einer neuen Gastfamilie zu suchen. In der Zeit wohnte ich bei meiner Freundin, und dank ihr und ihrer Gastfamilie fand ich eine neue Familie in Düren, wohin ich zog bin und wo ich mich wirklich schon nach zwei Monaten wie zu Hause fühlte. Endlich Ruhe und kein Stress mehr!

Bis zum Ende meines Au-pair-Jahres habe ich bei dieser Familie gelebt. Endlich hat alles gut geklappt: Ich verstand mich sofort gut mit meinen Gasteltern und ihrem fünfjährigen Sohn Veit. Es war eine tolle Zeit.

Mir fehlte es nie an Ideen, wie ich Veit einen interessanten Nachmittag bieten konnte, wenn ich ihn aus dem Kindergarten abholte. Ich hatte uneingeschränkte Freiheit in meiner Tagesplanung mit Veit. Besonders das Fußballspielen auf dem Spielplatz mit anderen Kindern machte uns beiden viel Spaß.

Es gab natürlich auch Tage, die für mich oder Veit nicht die besten waren. Ich war mir aber immer sicher, dass meine Gasteltern in jeder Situation hinter mir stehen und mich unterstützen. Meine Gastmutter Jeanette war für mich wie eine Mutter, die mir gefehlt hat. Und ihre Eltern waren für mich in dieser Zeit wie meine Großeltern, die ich nie hatte, da sie schon vor langer Zeit gestorben sind. Am Ende meines Aufenthaltes in Deutschland habe ich dank meinem Gastvater in Düren auf der Kirmes einen Aushilfsjob gefunden. Das war sehr lustig, in einem Fischladen auf der Kirmes zu arbeiten und viel Neues zu erleben.

Ein Jahr voller neuer Erfahrungen und Herausforderungen

Abschließend möchte ich sagen, dass mein Au-pair-Jahr in Deutschland die beste Entscheidung war, die ich je getroffen habe. In dem Jahr habe ich viel über mich selbst erfahren, bin reifer geworden, habe meine Deutschkenntnisse verbessert, meinen Horizont erweitert, viele neue Freunde gefunden, neue Menschen kennengelernt und bin viel gereist. Jetzt habe ich bestimmte Wertvorstellungen, die ich definieren kann. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt, weil ich die Erfahrungen und Herausforderungen angenommen und gemeistert habe. Keine Schule oder Universität kann sie so gut vermitteln wie das Leben. Und bestimmt möchte ich nach dem Abschluss meines Universitätstudiums wieder nach Deutschland, um dort ein Aufbaustudium zu absolvieren. Dieses Jahr hat mir geholfen, einzusehen, was ich im Leben erreichen will, und in welche Richtung ich gehen muss.

Jeder, der sich auch für ein Au-pair-Jahr entscheiden möchte, sollte zuerst darüber
nachdenken, ob er auch wirklich mit Kindern arbeiten möchte und bereit sei, ein neues Leben auf Zeit zu beginnen und sich in eine fremde Kultur, Mentalität und Familie zu integrieren. Wer Lust darauf hat, dem empfehle ich, sich unter

www.au-pairs.de zu informieren.

Von Assel Issayeva

23/10/09

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