Abendverkehr in Tirana, der Hauptstadt Albaniens: Auf vier Spuren sammeln sich die Autos vor einer roten Ampel. Das ist das Zeichen. Unter den wachsamen Augen ihrer Mutter Muzejen schwirrt eine schmuddelig aussehende Kinderschar aus. Mit Putzmittel und Wischer bewaffnet bahnen sie sich ihren Weg durch die chaotischen Autoschlangen.

Ein junges Roma-Mädchen klopft an eine Scheibe und streckt bettelnd ihre Hände aus. Die Fahrerin gibt mitleidig lächelnd nach. Eifrig macht sich das Mädchen an die Arbeit und streckt sich, um die Frontscheibe besser schrubben zu können. Beim nächsten Fahrer hat sie nicht ganz so viel Glück. Wutentbrannt springt dieser aus dem Wagen und stemmt drohend die Hände in die Hüfte. Das Mädchen zuckt kurz zusammen und rennt zum nächsten Auto.

Der Fahrer schaut ihr kopfschüttelnd hinterher. Kaum springt die Ampel wieder auf grün, kommen die Kinder von allen Seiten zu Muzejen zurückgerannt und drücken ihr jubelnd das verdiente Geld in die Hand. Ihr Heim sei eine Baracke, erzählt die sechsfache Mutter in sehr schlechtem Englisch und lacht stolz über den Erfolg ihrer Kinder. Fragt man einen Albaner, wie sie die Lage der Roma einschätzen, bekommt man Sätze zu hören wie von Bargast Edwin Vllaho: „Das Problem ist, dass sie kein Teil der Gesellschaft sein wollen” oder „Sie wollen sich nicht integrieren.“ Dennoch differenziert er: Es gebe auf der anderen Seite durchaus auch viele Roma, die sehr gut integriert seien. Schnell trinkt der 36-Jährige seinen Raki aus, ehe er zur Nachtschicht aufbricht. Bei den bettelnden Kindern befinde er sich stets im inneren Zwiespalt: „Man gibt etwas Geld, denn das ist ja nur ein Kind – obwohl das nicht im geringsten hilft!“ Wenn man Geld gebe, sei das nur ein weiterer Grund für die Eltern, die Kinder zurück auf die Straße zu schicken. Statt auf die Straße könnten die Kinder jedoch auch in die Schule gehen – ohne Bildung nunmal kein richtiger Job.

Angesichts der flehenden Blicke der Kinder fällt es dennoch schwer, „Nein“ zu sagen. Diese sind hellauf begeistert über eine Runde Pizzaschnitten und drängen sich um den Verkaufsstand. Selbst die Pizzabäckerin muss über die Freude der Kinder lächeln. Eine Pizzaschnitte kostet in Albanien gerade einmal etwa 50 Cent.

Von Christine Faget

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