Wir sind wieder mitten drin. Im November. In der tristen, grauen Zeit. Der schöne Herbst ist vorbei, ein paar kümmerliche Blätter hängen noch in den Baumkronen, und das wirkt frustrierender als ganz kahle Äste. 

Fast herzzerreißend ist das Bild und erinnert an Abschied und Verfall. Pünktlich zum November ist es noch dunkel, wenn man morgens das Haus verlässt und schon dunkel, wenn man abends von der Arbeit kommt. Alles friert und fröstelt. Jetzt hilft alles nichts mehr, der Wintermantel muss raus aus dem Schrank. Manche lassen noch stur die Mütze in der Kommode, weil es zwar kalt und regnerisch, aber noch gar nicht winterlich ist. Damit ist auch Schluss mit dem Frisbee spielen im Park, die Grillsaison ist beendet. Das schreit nach Verstimmung und Trübsal. Und tatsächlich sind die Zeitschriften voll von Tipps gegen die berüchtigten Novemberdepressionen. Es ist aber auch kaum ein Lichtblick erkennbar.

Ausgenommen das Sankt Martinsfest, zu dem die Kinder singend mit bunten Laternen durch die Straßen ziehen. Und, Gott sei Dank, finden zur Zeit wieder irgendwelche Fußballspiele statt. Worum es geht? Egal. Hauptsache, irgendwo freut sich jemand. Die Kölner können noch von Glück sagen, dass am 11.11. um 11.11 Uhr die Karnevalssaison eröffnet wurde. Ein Tag mit großem Hurra und Alaaf in bunten Clowns-Kostümen. Immerhin. Aber kaum sind diese Feste vorbei, ist der nächste Anlass für schlechte Stimmung in vollem Anmarsch – das Weihnachtsfest. Die weihnachtliche Vorfreude kommt erst Anfang Dezember auf. Wenn überhaupt. Jetzt – mitten im November – will man in Ruhe gelassen werden und sich ganz seinem Phlegma hingeben. Aber auch wer noch die Energie hätte, sich zu engagieren, wäre nun hoffnungslos lahm gelegt. Weil nämlich schon alle Haushaltsmittel des Jahres ausgegeben wurden. Und als wenn das noch nicht genug wäre, wird man aus Zeitschriften und Werbung mit Gesundheitstipps bombardiert, um den winterlichen Erkältungen und der allgemeinen Immunschwäche Widerstand zu leisten. Und schon beim Lesen fühlt man, wie einem die Nase anfängt zu laufen und die Heiserkeit in den Hals steigt. Den November ohne Grippe überstehen? Glücklich, wer das schafft. Dann kann man sich ja gleich in das warme Bett legen, Tee trinken und Comics lesen. Aber was soll man auch sonst machen, in dieser bedrückenden Zeit? Am besten man gibt sich voll und ganz der Depression hin und schiebt ein bisschen Selbstmitleid – wenn es schon als Volkserscheinung allgemein legitimiert ist. Ich für meinen Teil jedenfalls stecke den Kopf unter die Decke und warte, bis endlich Dezember ist.

25/11/05

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