Auf deutsche Kultur stößt man in Zentralasien nicht oft. Besonderes im heutigen Kirgisistan ist es schwer, auf ausländische Unternehmer zu treffen. Sie sind verunsichert durch die politischen Unruhen und sorgen sich um die Zukunft ihrer Firmen. Doch wenn man sich auf die Suche nach deutschen Besonderheiten in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek begibt, kann man sie mit etwas Glück auch finden – zum Beispiel die „Schwarzwald Bäckerei“, die Backwaren nach original deutschen Rezepten herstellt.

/ Bild: privat. ‚Klaus Lehrke mit seiner Frau Aidai Sarbagischewa.’/

An einer Kreuzung der kirgisischen Hauptstadt, da, wo die Frunse- und die Schewtschenko-Straße aufeinandertreffen, sieht man ein unauffälliges Häuschen. Die eine Hälfte davon ist ein libanesisches Restaurant, das „Beirut“ heißt, die andere gehört einem deutschen Unternehmer, Klaus Lehrke, seiner Frau Aidai Sarbagischewa und ihrer „Schwarzwald Bäckerei“. Das Gebäude ist von außen klein und unscheinbar, doch beim Betreten spürt man sofort einen Hauch deutscher Kultur: Auf den Tischen bunte Tischdeckchen und Teelichter, an den Wänden Bilder mit Motiven aus dem Schwarzwald, auf den Fensterbänken stehen Blumentöpfe. Man würde sofort vergessen, dass man in Zentralasien ist, wären da nicht die Wasserpfeife, die über der Bar steht und die Mitarbeiter mit asiatischen Gesichtszügen.

„Deutsches Brot vermisst“

Klaus Lehrke ist eigentlich Bankier aus dem badischen Oberkirch und lebt seit 2002 in Kirgisistan. Hauptberuflich ist er mit dem Aufbau des Mikrofinanzwesens in Zentralasien beschäftigt. Vor zwei Jahren kamen er und seine Frau Aidai Sarbagischewa auf die Idee, in Bischkek eine Bäckerei zu eröffnen: „Jedes Mal wenn wir aus Deutschland nach Kirgisistan zurückkamen, sagte Aidai, sie vermisse deutsches Brot. Da schlug ich irgendwann vor, es selbst hier zu backen.“ Nach diesem Entschluss absolvierte Aidai Sarbagischewa erst einmal ein Praktikum in einer deutschen Bäckerei und lernte sechs Monate lang die Bäckerei- und Konditoreikunst. Zurück in Bischkek, war das Ehepaar bereit, die kirgisische Hauptstadt mit deutschem Brot zu versorgen. Ein Bekannter schlug Klaus Lehrke vor, die Bäckerei im Gebäude seines libanesischen Restaurants zu eröffnen. Nachdem das Geschäft angelaufen ist, soll nun eine Website aufgebaut und ein zweiter Bäckerei-Laden in zentraler Lage im Stadtzentrum eröffnet werden. Obwohl die Bäckerei erst im Juni dieses Jahres aufgemacht wurde, ist sie bereits erfolgreich und vor allem unter den Ausländern in Bischkek bekannt. So bekommt die Schwarzwald-Bäckerei Bestellungen von fast allen Botschaften und internationalen Firmen in der kirgisischen Hauptstadt.

Know-How importiert

Die Backstube der Schwarzwald Bäckerei liegt weit außerhalb des Stadtzentrums. Sie befindet sich in einem Gebäude, in dem zu Sowjetzeiten Eisenbahnenwaggons hergestellt wurden und heutzutage Privatunternehmen sitzen. Schon beim Betreten des Gebäudes riecht es nach frischem Brot und Brötchen. In der Backstube stehen vier Bäcker beziehungsweise Bäckerinnen, unter ihnen auch Aidai Sarbagischewa. Die Frauen stellen süße Obstkuchen und Puddingbrezeln her, Danijar, einer der Bäcker, knetet Teig und erklärt gleichzeitig, dass jede Brotsorte eine andere Backzeit habe und anders zubereitet werde. Das hat ihnen ein deutscher Bäckermeister und Backtechnologe beigebracht, der vor dem Produktionsstart in Bischkek war und einen Monat lang die Mitarbeiterschulung und Produktentwicklung durchgeführt hat. Die Lehrlinge besuchten seinen Theorie- und Praxisunterricht und waren vom ersten Tag bei der Produktion der deutschen Backwaren dabei. „Jetzt haben wir keine Angst mehr, mit den deutschen Backöfen und Knetmaschinen zu arbeiten“, sagt einer der Bäcker stolz.

Kirgisische Sahne ist nicht fett genug

Doch nicht alles verlief reibungslos. „Da die Produktion schon um Mitternacht anfängt und bis sieben Uhr morgens andauert, ist es sehr wichtig, Strom zu haben. In Bischkek gab es nachts allerdings häufig Stromausfälle, deshalb mussten wir ein Nachbargeschäft um Hilfe bitten“, berichtet Klaus Lehrke. Ein anderes Problem stellt die Versorgung mit den geeigneten Zutaten dar: Fast alle müssen aus Deutschland importiert werden – so gibt es zum Beispiel kein Roggenmehl und keine geeignete Sahne in Kirgisistan. „Obstkuchen und Cremetorten backen wir schon immer, und ab morgen fangen wir mit den Sahnetorten an. Die Sahne mit einem Fettanteil von 33 Prozent, die wir vor drei Wochen aus Russland bestellt haben, haben wir heute bekommen“, sagt Klaus Lehrke zufrieden. In Kirgisistan gäbe es Sahne mit nur 20 Prozent Fett, die sei zum Schlagen nicht geeignet. „Auch das richtige Personal zu finden ist schwierig. Die meisten Bewerber sind Studenten. Viele andere möchten nicht nachts arbeiten. Wir brauchen aber Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die für uns möglichst lange im Betrieb mitarbeiten, damit sich der große Aufwand der Ausbildung lohnt und wir auch Verantwortung übertragen können. Bei Kurzzeitmitarbeitern ist das leider nicht möglich.“, erzählt Klaus Lehrke.

Weihnachtsplätzchen und Osterhasen

Da viele Zutaten aus Deutschland kommen, ist das „badische“ Brot zwangsläufig auch etwas teurer als das kirgisische Durchschnittsbrot. Die Preise reichen von 25 Som (40 Cent) für das Weißbrot bis 150 Som (2,50 Euro) für ein Roggen-Vollkornbrot. Doch dafür bekommt man auch echtes deutsches Brot. Außerdem gibt es verschiedene Roggenbrötchen und Laugenbrezeln. Natürlich findet man auch die Schwarzwälder Spezialität: „Schwarzwälder Kirschtorte“. Jetzt im Sommer seien die vielen unterschiedlichen frischen Obstkuchen und leichten Obstschnitten mit Himbeeren, Erdbeeren, Kirschen, Zwetschgen, Äpfeln und exotischen Früchten der Renner, erzählt Klaus Lehrke stolz. Selbst der hier noch nicht so bekannte Käsekuchen erfreue sich zunehmender Beliebtheit.

Die Geschäftsidee von Klaus Lehrke und Aidai Sarbagischewa ist Wirklichkeit geworden und entwickelt sich weiter. Im Winter erwarten die Kunden deutsche Weihnachtsplätzchen, im Frühling Osterhasen. Sogar die Backformen dafür haben die Unternehmer schon besorgt. Trotz der Unruhen und politischen Unklarheiten in Kirgisistan läuft die Bäckerei erfolgreich – es ist also durchaus möglich, im Land Geschäfte zu machen. Wer weiß, vielleicht steht bald häufiger ein deutsches Vollkornbrot neben der Lepjoschka, dem Fladenbrot der Asiaten, auf dem kirgisischen Tisch.

Von Malika Baschirowa

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