Von der Blüte Chorismiens bis hin zu weltweit einzigartiger islamischer Architektur lernten wir Usbekistan kennen. Unser Eindruck: Junge Menschen wählen das Land zu Unrecht so selten als Reiseziel aus.

Das alte Persische Reich einmal genauer erforschen – das wollten wir uns nicht nehmen lassen, wenn Usbekistan für uns schon einmal so nah ist. Fliegen kam dabei nicht in Frage: Wenn es eine gute Sache gibt, die die Sowjetzeit für Zentralasien mit sich gebracht hat, dann ist es das gut ausgebaute Schienennetz. Rechnet man mit der Zeitverschiebung von einer Stunde, benötigt man mit dem Nachtzug 18 Stunden nach Taschkent und 16 Stunden zurück. Für die Buchung geht man am besten in ein Reisebüro, wo man lediglich einen kleinen Aufschlag bezahlen muss. Online geht es dagegen nur, wenn man Kunde bei einer kasachischen Bank ist.

In der Hauptstadt Taschkent leben etwas mehr als zwei Millionen Einwohner. Unser erster Eindruck war dennoch der von einer angenehm ruhigen Stadt. Das mag auch daran gelegen haben, dass wir an einem Sonntag ankamen, und anders als in Kasachstan wird hier die Konsumwelt einmal pro Woche unterbrochen, so dass jeder einmal tief durchatmen kann.

Als wir nach dem Aussteigen ein Heer von aufdringlichen Taxi-Fahrern hinter uns gelassen hatten, überquerten wir abenteuerlich eine gigantische Straße ohne Ampel. Die Infrastruktur ist nicht wirklich für Fußgänger ausgelegt. Dafür gibt es die älteste Metro Zentralasiens. Die Stationen sind bewundernswert, und mit drei Linien und 40 Kilometern Gesamtstrecke schafft man es schnell und einfach durch weite Teile der Stadt. Hinzu kommt, dass jede Fahrt umgerechnet nur 14 Cent kostet. Dafür ist es nicht möglich, mehrere Fahrten auf einmal zu kaufen, denn jeder hat hier seinen Job, und auch die Damen im Tickethäuschen und an den Drehkreuzen brauchen Beschäftigung.

Plow in tausenden Spielarten

Die Währung bereitete uns einige Schwierigkeiten. Ein Euro kostet laut offiziellem Kurs ungefähr 9500 Som. Auf dem Schwarzmarkt ist das Verhältnis dagegen noch einmal einiges schlechter. Deshalb verstauben die Wechselstuben und sogar Polizisten tauschen auf dem Bazar ihren Lohn in Dollar um. Genügend Euro oder Dollar einzupacken ist dringend empfehlenswert, denn um einen funktionierenden Visa-Automaten zu finden, braucht man viel Geduld. Der größte Schein ist umgerechnet fünf Euro wert.

Schnell kamen wir in den Genuss, die usbekische Küche auszuprobieren. Für unseren Geschmack gehört sie zu den besten der Welt. Gutes Essen gibt es nicht immer dort, wo die Speisekarten dick sind. Manchmal steht auch gleich die ganze Speisekarte auf dem Tisch: Man hat einfach immer Plow zu probieren, wenn man einmal in Usbekistan ist. Zu viel kann man davon nicht essen, denn jede Region, jede Stadt und jedes Restaurant haben da ihre eigenen Geheimrezepte. Es wird vermutet, dass es in dem Land über 2000 verschiedene Arten des fettigen Fleisch-Reis-Gerichtes gibt.

Am nächsten Tag ging es um 9 Uhr weiter nach Samarkand. Die Zugfahrt dauerte dreieinhalb Stunden. Laut Hören-Sagen gibt es einen Express-Zug, der die Strecke in zwei Stunden schafft, wovon wir allerdings nichts erfuhren, als wir die Tickets (für ca. 80.000 Som = ca. 8 Euro) am Schalter kauften. Die Aussicht während der Fahrt war schön. Die Gegend um Taschkent im Osten Usbekistans ist fruchtbar und grün. Es war Winter und dennoch wuchsen noch einige Zitrusfrüchte in den Gärten.

Am Bahnhof angekommen, mussten wir wieder einmal die Schlacht gegen die aufdringlichen Taxifahrer gewinnen. Es waren drei gegen ungefähr dreißig. Ein Grüppchen netter Schulmädchen konnte uns schließlich den richtigen Bus in die Stadt weisen. Wir stiegen aus, als wir die erste türkisblaue Kuppel erblickten. Ab diesem Moment waren wir im Bann.

Architektur aus Tausend und einer Nacht

Die Bauten, die man surrealistisch inmitten einer modernen zentralasiatischen Stadt aufragen sieht, ziehen einen magisch an. In kindlicher Aufregung und mit großen staunenden Augen betrachteten wir die Architektur, die direkt aus „Tausend und einer Nacht“ entsprungen scheint. Die Moscheen, Medresen und Mausoleen erstrahlen in Kobalt und Türkis. Die ornamentale Majolika-, Terrakotta- und Mosaikkunst versprüht einen märchenhaften Zauber von Fern. Dieses Gefühl lässt auch bei näherem Herantreten nicht nach. Man kann nur entzückt sein, wie liebevoll und mit welcher Perfektion die filigranen und geometrisch exakten Ornamente ausgearbeitet wurden.

Im Inneren der Bauten dominiert der Anblick von Gold. Die Bauten und Komplexe folgen einer Ästhetik, die einen tief im Inneren berührt. Das soll wohl kein Zufall sein. Die Bibi-Khanum-Moschee beispielsweise, geplant als größte Freitagsmoschee der islamischen Welt, sollte den Gläubigen einen Vorgeschmack auf das Paradies geben.

Bibi Khanum, der die Moschee gewidmet ist, war die Lieblingsfrau von Timur – einer hier allgegenwärtigen und zugleich ambivalenten Persönlichkeit. Einerseits brutaler Kriegsherr und Despot, andererseits Liebhaber und Förderer der Wissenschaften und Künste, machte er Samarkand zur strahlenden Hauptstadt eines Weltreichs und sorgte für eine islamische Renaissance nach dem Vorbild Persiens.

Dennoch herrscht in Samarkand eine einzigartige Stimmung, die sich wohl von heutigen Stätten des alten Persiens unterscheidet – eine speziell zentralasiatische. Speziell zentralasiatisch – damit meinen wir die unterbewusste Präsenz gleich mehrerer Weltkulturen. Samarkand ist mehr als 2.500 Jahre alt. Die Stadt stammt damit aus der gleichen Zeit wie etwa Rom. Seitdem hat die Stadt zahlreiche Aufstände und Unterwerfungen erlebt: Alexander der Große, die arabische Eroberung, Dschingis Khan, schließlich Timur, später die Bolschewiken und schließlich die UdSSR.

Keramik, Teppiche, Stickereien und Seidentücher

So ließen wir uns von einem Prachtwerk zum nächsten ziehen, unser Fluss wurde nur gestört von Bargeldmangel und einer teils nervenaufreibenden Suche nach einem funktionierenden Bargeldautomaten, um die kleinen Eintrittspreise (ca. 1 Euro) zu bezahlen.

Mit Einbruch der Dunkelheit gegen sechs Uhr wurde es dann bitterkalt. Zeit für uns, eine Unterkunft zu suchen. Außerhalb der Saison war dies kein Problem, und wir kamen in einem netten kleinen Hostel in einem der engen Gässchen mitten in der Altstadt unter. Den ganzen Tag hatten wir mit dem Anblick feinster Handwerkskunst verbracht: Keramik, Teppiche, Stickereien und Seidentücher. So konnten wir nicht anders, als uns selbst noch ein Stückchen Seidenstraße zu erstehen. Angesichts des gerade heraufziehenden zentralasiatischen Winters fiel die Wahl auf einen in schönen Mustern gewebten Kaschmirschal. Als ein lokales Produkt kostete dieser uns gerade einmal 12 Euro.

Die Rückfahrt war weniger angenehm als die Hinfahrt. Wir stiegen in einen Schlafzug, der aus Wolgograd kam. Es war ein kleiner Schock: Der Zug war alt und in einem schlechten, schmutzigen Zustand. Allein der Gedanke, dass Menschen drei Tage lang darin befördert werden, löste ein beklemmendes Gefühl aus.

Die schlechten Bedingungen verwunderten uns kaum, da Usbeken, die im russischen Niedriglohn-Sektor arbeiten, einer unglaublichen Diskriminierung ausgesetzt sind. Der ehemalige usbekische Präsident beschimpfte sie als „faules Pack“, das sich zu „fein“ sei, für die heimische Wirtschaft zu arbeiten, und lieber die Straßen Moskaus kehre. Die Einstellung vieler Russen gegenüber den usbekischen Gastarbeiterinnen ist ebenfalls oft sehr herablassend. Es sind viele Frauen, die als Haushaltshilfen ein paar Rubel dazuverdienen, um ihre Familien zu Hause in der schwierigen Wirtschaftslage zu unterstützen.

Zugreisen lohnt sich

Im deutlich komfortableren Anschlusszug Richtung Almaty erwartete uns schließlich noch das Verhör beim Grenzübertritt, das wir mittlerweile schon gewohnt waren. Einzeln wurden wir in die Nachbarkabine gerufen, unser Pass gescannt, ein Foto gemacht und einige Fragen zu unserem Aufenthalt in der Region gestellt.

Da es sich um die gleichen Wachposten handelte, waren es aber diesmal nur Fragen des persönlichen Interesses. Natürlich wurde etwa der deutsche Junge gefragt, ob er denn Fußball spiele. Der junge Grenzpolizist nutzte derweil die Gelegenheit, mit uns sein Englisch zu üben. Nachdem auch die Hunde nichts Auffälliges gewittert hatten, ging es weiter.

In Almaty kamen wir ausgeschlafen an, der Komfort im Zug hat uns gut getan. Es ist wirklich kein Kraftakt, mit dem Zug zu fahren: genügend Beinfreiheit ist vorhanden, und nette Reisebekanntschaften sind garantiert. Unserer Erfahrung nach ist das Reisen mit dem Nachtzug eine nachhaltigere und angenehmere Variante als mit dem Flugzeug.

Katharina Frick und Lukas Kunzmann

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