Die Wechselkurse zwischen den großen Weltwährungen spielen in den letzten Wochen wieder einmal verrückt. Euro, Yen, britisches Pfund und andere Währungen werten auf, der Dollar sackt dagegen ab.

Die meisten meiner Bekannten stehen diesen Prozessen ziemlich hilf- und erklärungslos gegenüber und vermuten, dass die Amerikaner hier ihr Rad drehen. Das ist natürlich Unsinn, es handelt sich um nicht unbedingt einfache, aber auf jeden Fall normale Marktprozesse. Auf jeden Fall haben die Wechselkurse einen gewaltigen Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit der Produktion, des Exports und des Imports, auf die Lage der heimischen Produzenten u. a. m.
Der Devisenmarkt Kasachstans führt noch weitgehend ein Eigenleben, weil die Tenge noch nicht konvertibel, also noch nicht ohne Begrenzungen international umtauschbar ist. Natürlich schlagen auch die internationalen Entwicklungen auf den hiesigen Devisenmarkt durch, doch stark abgeschwächt.

Devisenkurse bilden sich heute nach den Marktgesetzen, also nach Angebot von Devisen und der Nachfrage nach ihnen. Der Staat in Form der Nationalbank greift in der Regel in die Wechselkursbildung nicht ein und wenn er das tut, ist das meist nicht unbedingt von Vorteil für die Wirtschaft.

Devisen – das ist ausländisches, konvertierbares Geld.

Auf dem Devisenmarkt verkaufen vor allem die Exporteure (der Export ist die Hauptquelle der Devisenströme in ein Land) die durch Verkauf ihrer Waren im Ausland eingenommenen Devisen. Sie benötigen die natürliche Währung zur Deckung ihrer Produktionskosten. Die Importeure von im Ausland hergestellten Waren dagegen besitzen die heimische Währung, sie benötigen aber für die Bezahlung der Importe Devisen.

In den letzten drei Jahren ist nun in Kasachstan im Wechselkursverhältnis zwischen Dollar und Tenge eine Veränderung von etwa 150 Tenge pro Dollar über 118 Tenge auf im Moment etwa 128 Tenge pro Dollar vor sich gegangen. Es ist also eine ziemliche Berg- und Talfahrt festzustellen. In der ersten Phase (Entwicklung von 150 Tenge auf 118 Tenge pro Dollar) ist eine Aufwertung der Tenge zum Dollar vor sich gegangen, in diesem Jahr (Entwicklung von 118 auf 128 Tenge pro Dollar) eine Abwertung der Tenge zum Dollar. Beide Entwicklungen haben für die am Devisenmarkt Beteiligten unterschiedliche Folgen. Bei einer Aufwertung (Entwicklung von 150 Tenge auf 118 Tenge pro Dollar) werden Exporte in nationaler Währung, also nach dem Umtausch der durch den Export erlösten Devisen, weniger attraktiv. Um denselben Erlös in nationaler Währung zu bekommen, müssen im Ausland die Preise erhöht werden, was die Nachfrage nach unseren Erzeugnissen verringern wird. Die Importeure hingegen müssen für einen Dollar weniger bezahlen, wodurch die Importwaren in Tenge billiger werden können. Das wiederum ist für die heimischen Produzenten nicht gut, weil so ein Teil der Nachfrage von den im Inland hergestellten Waren auf die nun billigeren Importwaren umschwenkt. Wer dagegen Schulden in Devisen hat, wird sich freuen, denn er braucht weniger heimische Währung, um seine Auslandsschulden in Devisen zu bedienen. Bei der Abwertung (Entwicklung von 118 Tenge auf 128 Tenge pro Dollar) ist alles genau umgekehrt: Die Exporteure bekommen mehr heimische Währung für im Ausland erarbeitete Devisen, die Importeure müssen mehr für einen Dollar bezahlen, die Nachfrage nach Importwaren wird sinken, das Bedienen von Auslandsschulden wird in heimischer Währung teurer.

Doch welche Faktoren verändern nun das Angebot und die Nachfrage nach Devisen? Für Kasachstan ist das vor allem der hohe Zustrom von Dollar aus den Ölgeschäften. Diese haben den Kurs von den früheren 150 Tenge auf jetzt 128 Tenge gedrückt. Das Angebot an Dollar war ganz einfach wesentlich höher als die Nachfrage nach Dollar. Ende der neunziger Jahre z. B. war das genau umgedreht: Die Nachfrage nach Dollar war deutlich größer als das Angebot (die Ölpreise waren sehr niedrig). Folglich musste man mehr Tenge für einen Dollar bezahlen. Ein total normaler Marktprozess also, wie er jeden Tag auf dem „Seljony basar“ z. B. zwischen Tomaten und Tenge vonstatten geht.

Auf das Angebot und die Nachfrage zwischen Dollar und Euro, also auf den Wechselkurs zwischen den großen beiden Weltwährungen, wirken vor allem die Zinsunterschiede für Geldeinlagen in den jeweiligen Währungsgebieten, die Inflationsunterschiede, das Vertrauen in die Fähigkeit zum Bedienen der Devisenschulden. Wenn z. B. die Zinsen im Dollarraum deutlich höher sind als im Euroraum, wird ein Teil der Anleger seine Euro verkaufen (das erhöht das Euroangebot und senkt seinen Preis) und wird Dollar kaufen (das erhöht die Nachfrage und damit seinen Preis). Erschwert wird dieses an und für sich einfache Schema allerdings durch eine Masse psychologischer Fakten, die sich in Erwartungen, spekulativem Verhalten und ähnlichem ausdrücken. Das macht Veränderungen von Devisenkursen nun wieder kaum vorhersagbar, die Materie dafür aber umso spannender.

Bodo Lochmann

08/12/06

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