Kurz vor der Grenze wurde Familie Schick von Beamten aufgehalten. Wie sie die nervenaufreibende Reise nach Deutschland erlebten und vor welchen Problemen sie plötzlich standen. Der Tag ihrer Ausreise ist ein Meilenstein in der Familiengeschichte.

Das Datum 22. Juni 1992 näherte sich unerbittlich schnell, die Kalenderblätter flogen weg. Sie hinterließen eine harte Spur der Sehnsucht nach all dem, was jetzt zurückbleiben und nie mehr wiederkommen sollte. Wir standen direkt vor der Aussiedelung aus Kasachstan, einer der fünfzehn sowjetischen Republiken.

Familiengeschichte

Unsere große Verwandtschaft trat eine Reise nach Deutschland an, eine schwere Reise ins Unbekannte. Es waren Kinder dabei, eine sehr alte Oma und Erwachsene.

War es ein einfaches Zusammentreffen der Umstände? Wir sollten nach Deutschland und sind fast an demselben Jahrestag geflogen, an dem damals Hitler den Krieg gegen die Sowjetunion begonnen hatte. Wir haben früher so viel über dieses Datum gesprochen, gelesen, und nie hätten wird jemals geahnt, dass es für uns noch eine persönliche Bedeutung haben würde.

Diesen Flug wird niemand von meinen Verwandten vergessen. Wir waren müde, erschöpft von dem schlechten Essen in unserer zeitweiligen Unterkunft vor der Ausreise in Moskau, die „Olympia-Reisen“ hieß, und von dem Schleppen unseres Gepäcks. Endlich standen wir vor einer Zollkontrolle. Die zurückgebliebenen Freunde winkten zum Abschied so lange, bis sie uns ganz aus der Sicht verloren.

Die Kontrolle verlief reibungslos bis zur vorletzten Etappe, wo man dann schon den Weg zum Flugzeug antreten sollte.

Ein junger Angestellter drehte lange von allen Seiten einen Pass nach dem anderen herum. Ihm fielen beinahe die Augen aus dem Kopf: das Datum unserer Ausreise stimmte nicht.
Der ließ uns warten, nahm unsere Pässe und rief zur Beratung einen anderen Beamten herbei. Dieser schaute sich das alles an, dann meinte er, wir können erst mit diesem Flugzeug fliegen, wenn eine beträchtliche Summe Geld bezahlt werde.

Unsere Taschen waren leer. Den Rest unseres Geldes hatten wir gerade noch den auf jener Seite gebliebenen Verwandten und Bekannten ausgeteilt, und die waren schon fort. Es versuchte noch jemand zurückzulaufen und sich zu vergewissern.

Das Flugzeug hatte schon die letzten Fluggäste an Bord genommen und war startbereit.

Unsere Nerven hielten es fast nicht mehr aus. Die Großmutter begann zu weinen.

Um die eingetretene Situation zu klären, nahm man meinen älteren Bruder mit ins Konsulat. Mit Freude hatte sich jemand von uns zufällig an sorgfältig eingehüllte zehn deutsche Mark erinnert. Die gab man dem Bruder, und er ging damit zur Verwaltung.

Familiengeschichte

Die Zeit zog sich hin. Aufgeregt schauten wir auf die Uhr: wir müssten ja schon im Flugzeug sein. Die Frauen wollten, wenn alle Stricke reißen, ihren vorhandenen Schmuck opfern. Es gab auch eine große Hoffnung: wir sollten doch mit einem deutschen Flugzeug fliegen. Also dachten wir, dass man sicherlich nicht starten würde, ohne alles aufzuklären.

Auf einmal tauchte zwischen den vielen Menschen mein Bruder auf. Sein Gesicht strahlte, neben ihm stand der Beamte. Ohne Worte. Wir hatten alles verstanden. Schnell passierten wir die letzte Etappe, und liefen, schwer atmend, zum Flugzeug. In aller Eile hatten wir ganz vergessen, dass wir von nun an schon ganz zur deutschen Seite gehörten. Und plötzlich wurden wir in mehreren Sprachen ermahnt: „Nicht so laufen, es hat noch Zeit, beeilen Sie sich bitte nicht!“ Uns empfingen höfliche, gutherzige Menschen mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen. Das hilfsbereite Flugpersonal strebte mit allen Kräften, uns zu beruhigen.

Bald saßen wir in den bequemen Sesseln des Flugzeugs. Der Bruder erzählte, was er eigentlich eben durchgemacht hatte.

Die Russen, um überzeugt zu sein, richtig gehandelt zu haben, riefen auch noch die deutsche Seite an: was tun in solchem Fall. Sie wussten nicht, wie hoch die Geldstrafe sein sollte.
Inzwischen brachte man uns das Essen. Es war reichlich und schmeckte sehr gut. Die Süßigkeiten übergaben alle wie auf Kommando den Kindern. Die bewunderten lange die wunderschöne Form und Farbe der eingehüllten Bonbons. Ihre Freude hatte keine Grenzen. Die Erwachsenen hörten immer wieder: „Sieh mal! Und hier! Ist das lecker!“

Das Flugzeug landete auf deutschem Boden. Obwohl die Russlanddeutschen noch sehr verschwommene Vorstellungen von ihrer weiteren Zukunft hatten, konnten sie leicht aufatmen: Sie haben es geschafft. Das Land nahm sie auf. Dieses Datum, dieser abendliche Flug geht in die Familiengeschichte ein. Die weiteren Generationen der Familie Schick werden darüber von uns Älteren, erfahren. Für uns war es ein unvergessliches Erlebnis.

Von Elvira Schick

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