Dem Erdölland Kasachstan droht eine handfeste Energiekrise – so die Botschaft der Weltbank, die in ihrem jüngsten Bericht unter dem Titel „Ohne Licht? Die Zukunft der Energiewirtschaft der Länder Osteuropas und Zentralasiens“ enthalten ist. Die Antwort ist: Investieren und nochmals investieren. Wenn in kürzestmöglicher Frist nicht sehr große Summen in die Erzeugung, Verteilung und Speicherung von Energie investiert werden, verwandelt sich Kasachstan schon in absehbarer Zeit aus einem Nettoexporteur von Energie in einen Nettoimporteur.

Das wäre nicht nur für Kasachstan schlecht, weil dann wichtige Einnahmequellen fehlen, sondern auch für die vielen Käufer kasachstanischer Energieträger in Ost und West. Bei diesem düsteren Szenario handelt es sich nicht um Probleme der Förderung von Primärenergieträgern, also Erdöl, Kohle oder Gas, sondern um den Bereich der Elektro- und Wärmeenergie.

Die Ursache der Energieprobleme ist längst bekannt. Es ist der sehr schlechte technische Zustand der Energieumwandlungs- und Übertragungsanlagen wie Kraftwerke, Transformatoren oder Stromleitungen die zum allergrößten Teil noch aus Sowjetzeiten stammen. Der durchschnittliche Verschleißgrad der Technik liegt bei 70 Prozent, d. h. eigentlich müssten umgehend mehr als zwei Drittel aller technischen Anlagen ersetzt werden.
Die Bereitstellung der benötigten Anlagen ist weder finanziell noch materiell machbar. Also muss praktisch ununterbrochen repariert werden, um die Anlagen einigermaßen am Laufen zu halten. Das ist langfristig nicht nur wesentlich teurer als der Ersatz der verschlissenen Anlagen, sondern löst zugleich auch eine Reihe anderer Fragen nicht, wie die der Zuverlässigkeit der Erzeugung und Übertragung, der Verringerung der Verluste und der Minimierung des Schadstoffausstoßes.

Wichtig in dem Bericht der Weltbank scheinen zwei Aussagen. Die erste: „Die Tendenzen in der Energiewirtschaft sind Ausdruck des Zustandes der Gesamtwirtschaft.“ Dem muss man wohl zustimmen, auch wenn das hierzulande nicht besonders gern gehört wird. Die Investitionstätigkeit ist immer noch zu einseitig auf den schnellen Gewinn ausgerichtet.

Die zweite Aussage: „Sowohl die Erzeuger, als auch die Verbraucher müssen dazu beitragen, den drohenden Energiekollaps zu verhindern.“ Diese für Kasachstan besonders wichtige Aussage bedeutet im Klartext, dass es nicht nur darum gehen kann, die Energieerzeugung zu steigern, sondern auch sich mit gleicher Hingabe der Senkung des drastisch hohen Energieverbrauchs in den meisten Branchen zuzuwenden. Natürlich nicht nur mit Worten, sondern eben auch mit konkreten Einspar-Taten.

Nun kann man einwenden, dass es mittlerweile in dieser Hinsicht schon entsprechende Konzeptionen und Programme gibt. Das ist zweifelsohne so, aber Papier bleibt eben doch erst mal Papier. Zumindest ist von einer breit angelegten Informationskampagne hinsichtlich rationeller Energieanwendung nichts zu spüren, sondern man setzt mehr auf administrative Mittel, vorwiegend auf Strafen. Nun mag es ja sein, dass dieses Mittel in Kasachstan wirklich hilft, überzeugt bin ich davon aber eher nicht.

Wie dem auch sei, es stehen im Moment zwei Tatsachen im Raum. Die erste ist, das bei einem Energiedefizit von 10 Prozent des festgestellten Bedarfs das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um ein Prozent zurückgeht. Wachstum ist die zentrale Frage des heute dominierenden ökonomischen Denkens, ob das berechtigt ist oder nicht.

Die zweite Tatsache ist, dass es Kasachstan nicht möglich sein wird, die benötigten gewaltigen Investitionsmittel aus inneren Quellen bereitzustellen. Man ist also auf eine bedeutende ausländische Kofinanzierung angewiesen, die sich aber infolge des desolaten Zustandes des Bankensektors in absehbarer Zeit als außerordentlich schwierig erweisen sollte. Da es im Moment keine Ansätze einer nachhaltigen Gesundung des Bankensektors gibt, scheint es auch so, dass der durch die aktuelle Krise bedingte Rückgang der Energienachfrage eingetretene Zeitvorteil verlorengeht, ohne dass er für den Beginn der Lösung der genannten Probleme genutzt werden könnte.

Da beruhigt es auch nur wenig, dass sich Kasachstan in der Energiefrage in der Gesellschaft einer großen Anzahl von Ländern befindet. Aber davon, dass andere auch frieren, wird uns auch nicht unbedingt wärmer.

Bodo Lochmann

02/04/10

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