Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk spricht im DAZ-Interview über die Perspektiven der deutschen Minderheit in Kasachstan und der Aussiedler in der Bundesrepublik.

Herr Koschyk, welches Konzept haben Sie bezüglich der Förderung der Deutschen Minderheit in Kasachstan?

Die Hilfe aus Deutschland bezweckt unter anderem die Förderung der Selbstorganisation der deutschen Minderheit in Kasachstan. Mit dieser schafft die Bundesregierung die Grundlage für eine funktionierende Vereinsarbeit. Zur Unterstützung einer solchen und zur weiteren Verbesserung der bereits heute erfolgreichen Vereinstätigkeit fördert die Bundesregierung die Professionalisierung der Mitgliederstrukturen und die Abwicklung der Projektarbeit. Ich bin fest davon überzeugt, dass die fortlaufende Förderung Früchte trägt und die deutsche Minderheit auch ohne Einflussnahme Deutschlands auf die inneren Angelegenheiten der Vereinsarbeit weiterhin gute Arbeit leisten und nennenswerte Erfolge erzielen wird.

Wie ist ihre Meinung, was halten Sie von dem Förderprogramm für die deutsche Minderheit?

Letztendlich hat für uns die Stärkung und Weiterentwicklung einer stabilen deutschen Minderheit mit eigener ethnokultureller Identität, die integraler Bestandteil Kasachstans und dessen Gesellschaft ist, Priorität.

Die Förderung der deutschen Minderheit in Kasachstan ist Ausdruck einer historischen Verantwortung. Die Bundesregierung unterstützt Menschen, die aufgrund ihrer deutschen Volkszugehörigkeit ein schweres Kriegsfolgenschicksal zu erleiden hatten. Zum Erhalt und zur Entwicklung der Eigenständigkeit der deutschen Minderheit fördert die Bundesregierung die Stärkung und Wiedergewinnung oftmals verschütteter muttersprachlicher Fähigkeiten. Speziell die Spracharbeit ist äußerst wichtig, um die eigene Identität zu erhalten und um die Brücke nach Deutschland erfolgreich festigen zu können.

Darüber hinaus stärkt die Bundesregierung – wie bereits erwähnt – die Fähigkeit der deutschen Minderheit zur effizienten Selbstorganisation.

Die Perspektive des Förderprogramms ist erfreulich: Erst im Dezember 2013 hat sich die neue Bundesregierung im Koalitionsvertrag erneut für die fortdauernde Unterstützung der deutschen Minderheit, unter anderem in Kasachstan, ausgesprochen. Hierfür werde ich mich als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten nachdrücklich einsetzen.

Denken sie, dass es möglich, vielleicht sogar unabdingbar ist, einen Dialog mit den Organisationen der Aussiedler in Deutschland und der Assoziation der Deutschen Kasachstans zu unterstützen?

Die gesellschaftlichen Initiativen der deutschen Minderheit schätze ich ungemein. Es ist sehr lobenswert, dass sich die AgVDK nicht nur auf die von der Bundesregierung geförderte Spracharbeit konzentriert, sondern auch Maßnahmen auf dem Gebiet der humanitären Zusammenarbeit ergreifen sowie ein soziales Hilfesystem aufbauen möchte. Diese Bemühungen zeigen, dass sich die Deutschen Kasachstans nicht nur für die Stärkung und Weiterentwicklung einer stabilen deutschen Minderheit mit eigener kultureller Identität engagieren, sondern sich auch für eine nachhaltige Verbesserung der Lebensbedingungen für alle kasachischen Staatsbürger einsetzen. Durch die Umsetzung von Projekten, die allen Bürgern Kasachstans dienen, erlangt die deutsche Minderheit immer mehr Anerkennung im Land. Die Unterstützung von Maßnahmen im humanitären Bereich und die Förderung des Aufbaus eines sozialen Hilfesystems sind allerdings eine innerstaatliche Angelegenheit Kasachstans.

Die Assoziation der Deutschen Kasachstans unterstützt eine Reihe sozialer Initiativen, darunter die Integrierung eines Sozialhilfesystems nach europäischem Standard und die Popularisierung der deutschen Sprache in Kasachstan. Die Traditionspflege durch den Erhalt der Sprache ist der Assoziation der Deutschen Kasachstans wichtig. Was halten Sie von diesen sozialen Initiativen?

Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen der AgVDK und den Organisationen der Aussiedler in Deutschland, z.B. der Landsmannschaft der Russlanddeutschen, ist wünschenswert. Die Kasachstandeutschen sind als Mittler zwischen beiden Ländern besonders gut geeignet, da sie mit der deutschen und der kasachischen Kultur vertraut sind. Sie tragen sozusagen „zwei Herzen in ihrer Brust“. Durch die Partnerschaftsmaßnahmen wird die ethnokulturelle Identität der Teilnehmer gestärkt. Des Weiteren können zivilgesellschaftliche Kontakte zwischen beiden Ländern weiter erfolgreich ausgebaut werden. Dabei setze ich auf die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland und auf den Jugend– und Studentenring der Deutschen aus Russland, die auch bisher beide erfolgreich mit der AgVDK zusammengearbeitet haben.

Welche Rolle spielen die Deutschen Kasachstans innerhalb der deutsch-kasachischen Beziehungen?

Die Deutschen Kasachstans spielen seit der Gründung der Republik Kasachstan eine wichtige Rolle für die deutsch-kasachischen Beziehungen. Schon seit 1992 tagt jährlich die deutsch-kasachische Regierungskommission für die Angelegenheiten der Bürger der Republik Kasachstan deutscher Volkszugehörigkeit zu Fragen der Deutschen in Kasachstan. Aktuell festigen die Staatsbürger Kasachstans deutscher Abstammung die Brücke zwischen Kasachstan und Deutschland in besonderem Maße: Insbesondere durch ihre Öffentlichkeitsarbeit entsteht eine stärkere Bindung zwischen den Ländern. So tragen vornehmlich gemeinschaftsfördernde landesweite Projekte der deutschen Minderheit, wie z.B. die internationalen Kulturtage in Kostanai im September 2013 mit Einzelveranstaltungen wie dem internationalen Kulturfestival, wie der Wettbewerb „neue Namen“ für junge Sänger, wie eine Gemäldeausstellung deutschstämmiger Künstler und wie das Gastspiel des deutschen Sängers Jakob Fischer, zur kulturellen und gesellschaftlichen Verständigung bei.

Für das Jahr 2014 ist eine große Wanderausstellung zur Geschichte, Entwicklung und Lage der deutschen Minderheit in Kasachstan geplant. Ich bin zuversichtlich, dass auch diese positiven Einfluss auf die deutsch-kasachischen Beziehungen nehmen wird. Vor allem solche Projekte tragen zu einer intensiven Völkerverständigung bei und werden von der deutschen Seite, die weiterhin die guten deutsch-kasachischen Beziehungen ausbauen möchte, unterstützt.

Es gibt eine neue Vereinbarung über humanitäre Hilfe für die deutsche Minderheit– was halten Sie von dieser Initiative?

Ziel unserer Förderung ist insbesondere auch die Konsolidierung der deutschen Minderheit und der Aufbau einer effizienten Selbstorganisation. Eine engere Zusammenarbeit zwischen einzelnen deutschen Strukturen halte ich für wünschenswert. Durch eine engere Kooperation zwischen den einzelnen Organisationen der AgVDK kann die deutsche Minderheit deutlich effektiver arbeiten, was unter anderem zur besseren und effizienteren Nutzung der Fördermittel des Bundesministeriums des Innern führen wird. Nur so ist es für die deutsche Minderheit möglich, als gleichberechtigter und angesehener Partner bei der Gestaltung der kasachischen Gesellschaft wahrgenommen zu werden.

Herr Koschyk, vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Dominik Vorhölter

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