Michael Jaumann ist Leiter des Information Center (IC) des DAAD in Almaty. DAZ sprach mit ihm über die Beratungsarbeit, Herausforderungen und Erfolge des DAAD in Kasachstan.

DAZ: Herr Jaumann, wenn Sie eine Bilanz Ihrer Arbeit im Informationszentrum des DAAD ziehen: Welche Herausforderungen gab es seit Ihrer Ankunft 2011, wo konnten Sie Erfolge verzeichnen?

Herr Jaumann: Eine Herausforderung war für mich, dass ich diese Aufgabe als Neuling in Kasachstan, und in Zentralasien generell, übernommen habe. Diese Eingewöhnung war für mich zunächst die größte Herausforderung. Es ist mir aber gut gelungen, und in der Zwischenzeit fühle ich mich sehr wohl in Almaty. Die Zusammenarbeit zwischen dem DAAD und unseren Partnern finde ich sehr spannend und interessant. Wir vom IC-Büro des DAAD arbeiten eng mit der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) zusammen und unterstützen die DKU. Die Hauptaufgabe des IC ist aber vor allem, umfassend über die deutsche Hochschullandschaft zu informieren. Schließlich repräsentiert der DAAD die Gesamtheit aller deutschen Hochschulen. Fast jede deutsche Hochschule ist Mitglied im DAAD.

Was Kasachstan anbelangt, so gibt es hier einen sehr interessanten Bildungsmarkt und damit viele Ansatzpunkte für die Bildungskooperation zwischen Deutschland und Kasachstan. Obwohl die Arbeit sehr abwechslungsreich ist, liegt die Herausforderung meiner Meinung nach in der Größe des Landes und in der Vielfalt an Universitätsstandorten. Das hebt Kasachstan auch von den zentralasiatischen Nachbarländern ab. Hier konzentriert sich eben nicht nur alles auf die beiden großen Metropolen Astana und Almaty, sondern es gibt von Uralsk im Westen bis nach Ust-Kamenogorsk im Osten eine Vielzahl von interessanten Universitätsstandorten. Dies hatte schon in den ersten Monaten zur Folge, dass ich eine Reihe von Dienstreisen nach Astana, Kostanai, Karaganda, Ust-Kamenogorsk und Taraz unternommen habe.

Hinsichtlich der Zahlen hatten wir in der letzten Bewerbungsrunde für die DAAD-Stipendien insgesamt 483 Bewerber zu verzeichnen, was eine enorme Anzahl ist. Für uns im IC-Büro bedeutet das nicht zuletzt eine Menge Verwaltungsarbeit. Außerdem gehen jeder Bewerbung noch unzählige Anfragen voraus, auch bezüglich Deutschlands als Uni-Standort in allgemeiner Hinsicht. Im IC-Büro schauen pro Jahr ca. 1500 Interessierte persönlich bei uns vorbei, aber auch per Mail und vor allem per Telefon erfolgen die Anfragen. Kasachstan ist meines Erachtens hinsichtlich der Beratungsarbeit ein typisches „Telefonland“ – im Gegensatz zu typischen „Mail-Ländern“ wie Deutschland. In Kasachstan spielt das persönliche Gespräch eine wichtige Rolle. Es ist ein Gesprächs- und damit aufgrund der Größe ein Telefonland.

Wie viele DAAD-Stipendien wurden im letzten Jahr bewilligt?

Im letzten Förderzeitraum wurden für Kasachstan insgesamt 120 Stipendien vergeben. Ich persönlich bin der Meinung, dass man diese Zahl noch steigern könnte und auch sollte. Das hängt aber natürlich von der Mittelvergabe des DAAD ab.

Ein besonders positiver Effekt ist die Offenheit der Menschen sowie die große Neugier, der Wunsch nach internationaler Bildungskooperation auf allen Ebenen. Dieser Wunsch ist sowohl auf Seiten der Universitätsleitungen als auch seitens der Studierenden und anderer Interessenten sehr stark ausgeprägt. Die Menschen sind sehr neugierig auf ausländische Bildungsangebote im Hochschulbereich, in diesem Rahmen auch auf deutsche Angebote.
Das Bildungsministerium Kasachstans hat im letzten Jahr den staatlichen Bildungseinrichtungen auch erhebliche Geldmittel und zusätzliche Finanzmittel zur Förderung von Auslandskontakten zur Verfügung gestellt. Das ist sehr positiv zu bewerten, dass auch die kasachstanische Seite ihrerseits sehr viele Anstrengungen unternimmt.

Mit welchen Partnern im Rahmen der Stipendienvergabe arbeiten Sie zusammen? Welche Projekte stehen für 2012 an?

Im Rahmen der Stipendienprogramme kooperieren wir hauptsächlich mit drei Partnern: Das Bildungsministerium der Republik Kasachstans vergibt das Regierungsstipendium „Bolaschak“ (Zukunft). Das sind ausschließlich Mittel der kasachstanischen Regierung für Kandidaten, die nach Deutschland gehen. Diese Zusammenarbeit zwischen dem Bildungsministerium und dem DAAD ist sehr eng. Wir organisieren die Stipendiatenauswahl für das Bildungsministerium. Im letzten Jahr haben wir für das „Bolaschak“-Stipendium 42 Bewerbungen erhalten.

Ende Januar, vom 26.-28. Januar, liefen die Auswahlgespräche für die DAAD-OSI- Stipendien.
Das ist ein Doppelprogramm der von George Soros begründeten Open-Society-Foundation sowie dem DAAD und wird alle zwei Jahre angeboten.

Zu jeweils 50 % werden die DAAD-OSI-Stipendien von beiden Partnern finanziert. Das Stipendium wird in den zentralasiatischen Ländern, im Kaukasus, in der Ukraine, in Belarus und Moldau, aber auch in Südosteuropa angeboten. Mit diesem Programm soll vor allem der Aufbau demokratisch-pluraler Gesellschaften gefördert werden, indem man in diesem Bereich Studierende der Rechts-, Sozial-, Wirtschafts- und Geisteswissenschaften gezielt anspricht.
OSI-Interessenten für den deutschen Teil des Programms können sich für insgesamt 22 Studiengänge an deutschen Universitäten bewerben, z. B. Politikwissenschaften, Internationale Beziehungen, Neuere Geschichte, Soziologie, aber auch Management und Internationales Recht. Das Programm wird das nächste Mal erst wieder 2013 angeboten.
Letzten Freitag führten wir die Auswahlgespräche für das Programm „Absolventen deutscher Auslandsschulen“ durch, das wir auch gern „PASCH-Stipendium“ nennen (PASCH ist die Initiative „Schulen – Partner der Zukunft“ des Auswärtigen Amtes). Unser Partner ist hier die Zentralstelle für Auslandsschulwesen (ZfA).

Dieses Programm wendet sich an Absolventen deutscher Schulen und Bildungseinrichtungen mit speziellem Deutschunterricht. Vor allem richtet es sich an Besitzer des DSD-Diploms (Deutsches Sprachdiplom). Dieses Förderprogramm ist äußerst attraktiv, denn das ist eines der wenigen Stipendien, welches den Bewerbern ein gesamtes Bachelorstudium und damit ein grundständiges Studium in Deutschland finanziert.

Eine Frage, welche auch in der Beratungsarbeit ständig aufgeworfen wird, ist: Darf man einfach so ein Studium in Deutschland beginnen? Das muss ich leider negieren, da der kasachstanische Schulabschluss nicht als gleichwertig anerkannt wird. Das bedeutet, dass Schulabsolventen aus Kasachstan nicht direkt in Deutschland studieren können, sondern in der Regel noch ein Jahr ein Studienkolleg besuchen müssen. Studienkollegs sind Bildungsinstitute, die ausländische Studienbewerber auf Abiturniveau bringen und auf ein Studium an einer deutschen Universität vorbereiten sollen. Ein Jahr mag vielen lang erscheinen, hat aber für viele Studienbewerber einen entscheidenden Vorteil: Die Ausbildung ist eine optimale Vorbereitung auf ein Studium, vor allem in sprachlicher Hinsicht durch vertiefte Deutschkurse. Das Studienkolleg verleiht den Absolventen zudem die nötige allgemeine Studierfähigkeit und weitere Fertigkeiten, wie selbstständiges und wissenschaftliches Arbeiten.

Einer der wichtigsten Partner ist natürlich das Deutsche Generalkonsulat. Mit dem Generalkonsul Dr. Gerold Amelung arbeiten wir sehr eng zusammen, er nimmt auch an den PASCH-Auswahlgesprächen teil.

Zu diesen Stipendien mit Partnern vergeben wir außerdem die eigentlichen DAAD-Stipendien, die z. B. ein gesamtes Masterstudium in Deutschland finanzieren. Für die Auswahlgespräche, die alle hier in Almaty stattfinden, werden hierzulande tätige Dozenten herangezogen, es reisen aber auch Auswahlkommissionen aus Deutschland an. Die Organisation und Koordination der Auswahlgespräche für die DAAD-Stipendien ist eine der wichtigsten Aufgaben unseres Informationszentrums.

Die Anzahl ausländischer Studierender in Deutschland steigt – wie viele DKU-Studenten studieren mit einem DAAD-Stipendium an deutschen Unis und wie hilft den DKU-Absolventen diese Ausbildung für den weiteren beruflichen Weg?

Das ist richtig – die Anzahl ausländischer Studierender steigt: Im Jahr 2010 waren 11,5% der Gesamtstudierendenschaft in Deutschland Ausländer, das sind über 240 000 Studenten. Deutschland steht unter den Gastländern mittlerweile an vierter Stelle hinter den USA, Großbritannien und Australien. Das ist ein sehr positiver Trend und ein Erfolg der deutschen Hochschulen, die in den letzten Jahren große Anstrengungen unternommen haben, die Betreuung der ausländischen Studenten zu verbessern.

Alle deutschen Hochschulen haben den sogenannten Nationalen Kodex für das Auslandsstudium unterschrieben – den National Code of Conduct. Das ist eine Art Zielvereinbarung für die gesamte deutsche Hochschullandschaft und enthält die Grundsatzerklärung, dass die Betreuung internationaler Studierender verbessert werden soll.
Die besten Studierenden der DKU haben die Möglichkeit, das letzte Studienjahr in Deutschland zu absolvieren und einen Doppelabschluss zu erwerben. Das bedeutet, sie besitzen zum einen den Abschluss der DKU und den Abschluss an einer der neun Partnerhochschulen in Deutschland.

Welche deutschen Universitäten stehen für Studenten aus Almaty und generell Kasachstan besonders hoch im Kurs?

Das ist eine Frage, mit der wir in unserer Beratungsarbeit ständig konfrontiert werden. Zum einen: Was kann man denn studieren? Darauf folgt meist die Pauschalfrage: Was sind denn die besten Universitäten in Deutschland? Das ist aber gar nicht so einfach zu beantworten. Wir vom IC versuchen bei den Bewerbern ein Bewusstsein zu schaffen, wie vielfältig und reichhaltig die deutsche Universitätslandschaft ist. Gleichzeitig klären wir auch darüber auf, wie fragwürdig manche Hochschul-Rankings, wie das Shanghai-Ranking sind.

Unsere Aufgabe ist es, zu sensibilisieren und zu differenzieren zwischen den vielen Studienmöglichkeiten und Studiengängen in Deutschland. Ich rate den Bewerbern oft, dass sie noch einmal genau recherchieren und sich fragen, was sie wirklich wollen. Eine klare Vorstellung der Bewerber erleichtert auch uns die Arbeit.

Die Universitäten, die immer wieder genannt werden, sind die RWTH Aachen, die TU München, für Medizin die Charité in Berlin, für Geisteswissenschaften die Humboldt-Universität und die Freie Universität in Berlin sowie die Ludwig-Maximilians-Universität München.

In meiner Beratungsarbeit zeige ich auch den Unterschied zwischen Universität und Fachhochschule auf. Mittlerweile dürfen sich ja auch Fachhochschulen (FH) „Hochschule“ nennen. Für manche Kandidaten ist eine Fachhochschule aus fachlicher Sicht und in Sachen Betreuung viel besser geeignet: Gerade für die technischen Fächer gilt dies, die momentan sehr stark nachgefragt werden: Ingenieurwissenschaften, IT-Studiengänge, Umweltwissenschaften und Agrarwissenschaften.

Zum Stichwort „Wissenschaftleraustausch und Gastdozenten aus Deutschland“: Wie sieht die Entwicklung an der DKU aus, in welchen Bereichen erfolgt ein nachhaltiger wissenschaftlicher Dialog?

Der wissenschaftliche Dialog an der DKU ist stark ausgeprägt und stetig. Es hat sich eine Kultur der akademischen Kooperation und Lehre entwickelt, die intensiv von deutschen Partnerhochschulen unterstützt wird. Es gibt eine Reihe an extracurricularen Aktivitäten, wie Kongresse, studentische Projekte, Runde Tische, Workshops, die allesamt unter studentischer Beteiligung laufen.

Insgesamt lehren an der DKU 34 Dozenten aus Kasachstan, zusätzlich haben drei Kollegen aus Deutschland feste Stellen inne. Circa 25 Gastvorlesungen und Blockseminare werden jährlich von Vertretern deutscher Firmen in Kasachstan, aber auch von Lehrkräften aus deutschen Partnerhochschulen abgehalten. Diese Aktivitäten werden vom DAAD durch das Programm „Kurzzeitdozentur“ unterstützt. Das ist ein Programm für deutsche Hochschullehrer, die für einen Zeitraum von mindestens einen Monat ins Ausland gehen wollen.

Alles in allem herrscht an der DKU eine sehr positive Kultur der Lehre.

Welchen Beitrag kann der DAAD/ das IC zur Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes und einer modernen lebendigen deutschen Sprache leisten?

Eine der fünf Kernaufgaben des DAAD ist die Förderung der deutschen Sprache. Das ist ein grundsätzliches Ziel der Organisation DAAD und wird von jedem Mitarbeiter verinnerlicht. Auf Bildungsmessen spreche ich zum Beispiel die Interessenten zunächst auf Deutsch an und schaue, was an Kenntnissen beim Gegenüber vorhanden ist.

An der vom DAAD stark geförderten DKU beispielsweise wird die Sprachausbildung sehr ernst genommen. Die DKU hat im Bereich des Sprachunterrichts einen sehr interessanten und innovativen Ansatz.

Insgesamt 13 Lehrkräfte sind derzeit am Sprachenzentrum der DKU tätig. Die Studenten müssen zwar zu Beginn ihres Studiums keine Deutschkenntnisse mitbringen, es reichen Russisch und Englischkenntnisse. Im Verlauf des gesamten Studiums jedoch setzt die DKU gezielt auf „moderne Mehrsprachigkeit“.

Der Anteil des Deutsch-Unterrichts wird graduell gesteigert. Von Anfang an gibt es studienbegleitende Deutschkurse, die auf unterschiedlichen Niveaus stattfinden. Im letzten Studienjahr werden dann auch fachliche Unterrichtsveranstaltungen in deutscher Sprache durchgeführt.

Eine wichtige Initiative zur Förderung der deutschen Sprache war der Nationale Deutschlehrertag im November 2011, der vom Goethe-Institut organisiert wurde. Der DAAD hat den Deutschlehrertag vor allem finanziell in großzügiger Weise unterstützt. Dieses Projekt ist wichtig und wird auch in Zukunft gefördert werden.

Allerdings wird ein Großteil der Anfragen und Beratungsgespräche auf Bildungsmessen nicht auf Deutsch, sondern meist auf Englisch geführt.

Die Realität zeigt, dass Deutschkenntnisse momentan nicht mehr so weit verbreitet sind, wie zu Zeiten der Sowjetunion. Wir Deutschmittler versuchen gerade in Kasachstan mithilfe von konzertierten Aktionen, die deutsche Sprache weiter zu fördern.

Weitere Informationen: www.daad.de, www.study-in.de, www.daad.de/research-explorer.

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