In Moskau fand Ende Oktober das sechste Forum der Russlanddeutschen Begegnungszentren statt. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Begegnungszentren – Brücken der Freundschaft und Zusammenarbeit“. Die DAZ-Reporter Aljona Judina und Ruben Bachmann trafen auf dem Forum den Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Christoph Bergner, und befragten ihn zu seinen Ansichten über die deutsche Minderheit in Kasachstan.

Herr Dr. Bergner, wie schätzen Sie die Situation der deutschen Minderheit in Kasachstan ein?

In Kasachstan ist die Ausgangslage schwierig, da das Land so groß ist und die einzelnen „Wiedergeburten“ räumlich sehr weit voneinander entfernt sind. Ich freue mich, dass es trotz dieser schwierigen Ausgangslage eine einheitliche Dachorganisation gibt und dass diese Dachorganisation die Interessen der Deutschen in Kasachstan gemeinschaftlich verfolgt. Das ist ein deutlicher Vorteil gegenüber der Russischen Föderation, wo wir zwei gegensätzliche Dachorganisationen haben. Daher kann ich die Russlanddeutschen mit ihren Selbstorganisationen in Kasachstan nur ermuntern, diese Arbeit fortzusetzen. Die Deutsch-Kasachstanische Assoziation der Unternehmer ist ein Beispiel dafür, wie erfolgreich die Selbstorganisation der Minderheit unter einem gemeinschaftlichen Dachverband funktionieren kann.

Sind Hilfsmaßnahmen für Deutsche in Kasachstan noch zeitgemäß? Schließlich weist die kasachische Wirtschaft seit sechs Jahren ein Wachstum von jährlich über zehn Prozent auf.

In Deutschland berichte ich natürlich davon, dass Kasachstan wirtschaftlich sehr erfolgreich ist: so wie die Energiepreise steigen, steigen auch die Einnahmen des kasachischen Staates. Auf der anderen Seite gibt es gerade auch unter den Russlanddeutschen noch immer Menschen, denen wir ganz elementar helfen müssen. Das machen wir unter anderem mit Sozialstationen. Ich bin froh darüber, dass es bei den Russlanddeutschen, die in einer wirtschaftlich starken Position sind, Beispiele für Solidarität mit den Schwachen in der Volksgruppe gibt.

Die Gesetze zur Aufnahme als Spätaussiedler in die Bundesrepublik haben sich in den letzten Jahren verschärft. Dem Sprachtest kommt eine sehr hohe Bedeutung zu. Befürworten Sie diese Entwicklung?

Im Gegenteil ich bedauere das, denn der Verlust der Sprache ist eigentlich Teil des Kriegsfolgenschicksals. Aber für eine Änderung dieser Regelung gibt es keine Mehrheit. Für mich selbst ist daraus die Verpflichtung entstanden, der Deutschen Minderheit in den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu helfen, damit sie vor Ort ihre Identität behaupten können und Perspektiven in dem Land finden, wo sie leben.

Die Preise in Kasachstan steigen rasant. Wird dementsprechend von deutscher Seite das Budget für die Minderheitenförderung erhöht?

Wir haben ein konstantes Budget, das heißt, wir können die Leistung nicht erhöhen. Ich weiß aber, dass sich neue Finanzierungsmöglichkeiten auftun. Der kasachische Staat legt beispielsweise Programme auf, für die sich auch deutsche Sozialstationen erfolgreich beworben haben. Die Sozialstationen erbringen jetzt Leistungen für alle Einwohner der Regionen und bekommen deshalb auch Gelder aus dem kasachischen Staatshaushalt. Es ist wichtig, weitere Finanzierungsquellen zu finden, beispielsweise auch Spenden.

Ist es angesichts der Streitigkeiten unter russlanddeutschen Organisationen sinnvoll, wenn zu einer Veranstaltung wie dieser Russlanddeutsche aus anderen Staaten der ehemaligen Sowjetunion eingeladen werden?

Die Zusammengehörigkeit der Russlanddeutschen besteht über Ländergrenzen hinweg. Die regionale Zerstreuung hat ihre Ursachen in der Willkür der Deportation. Insofern ist es richtig und zu begrüßen, wenn der Internationale Verband der deutschen Kultur (IVDK) Foren veranstaltet, die dazu dienen die Erfahrungen aus verschiedenen Ländern auszutauschen.

aufgezeichnet von Natalia Soldatowa

09/11/07

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