Eva Schmitt ist seit einigen Wochen die neue Leiterin des Goethe-Instituts in Kasachstan. Für sie ist das Leben in Zentralasien eine neue Erfahrung, auf die sie gespannt blickt. Die DAZ hat mit ihr über ihre ersten Eindrücke, neue Projekte und die Arbeit mit der Deutschen Minderheit gesprochen.

DAZ: Wie haben Sie sich eingelebt? Was sind Ihre ersten Eindrücke?

Eva Schmitt: Ich bin Mitte August in Almaty angekommen. Ich war im vergangenen Jahr schon einmal für knapp zwei Wochen in Kasachstan, um mir die Gegebenheiten vor Ort anzuschauen und mich mit meiner Vorgängerin zu treffen. Ich hatte vorher gar keine Berührungs– oder Anknüpfungspunkte mit Zentralasien, eben auch nicht zu Kasachstan. Es sind die ersten Wochen, in denen ich hier bin, hier wohne, hier arbeite und mich in alles einfinden kann, und soweit läuft es ganz hervorragend; ich kann mich nicht beschweren.

Welche Erfahrungen bringen Sie mit?

Ich war fünf Jahre lang die Leiterin der Kulturarbeit für Großbritannien und die Region Nordwesteuropa am Goethe-Institut in London. Davor war ich fünf Jahre in der Zentrale des Goethe-Institutes in München.

Der Vorteil an der Arbeit beim Goethe-Institut ist generell, dass die Arbeit so vielfältig ist. Das heißt, man muss immer mit einem offenen Denken und offenem Herzen an die Arbeit herangehen, weil sich – egal, wo man ist und was man macht – in der Projektarbeit des Goethe-Institutes, die interdisziplinär, interkulturell ist und eine bestimmte Größenordnung hat, viele Sachen verändern, auch von der Planung her. Das wappnet einen ganz gut für jegliche Form der Projekt-, Sprach– und Kulturarbeit.

Welche Projekte werden Sie umsetzen?

Ein sehr erfolgreiches Projekt des Goethe-Instituts mit seinen hiesigen Partnern ist „Urbane Ecken“. Es ist eine App, im Grunde genommen ein Strategiespiel, das in Astana gespielt werden kann. Zielgruppe sind junge Menschen, die sich vor Ort mit Fragen der Energiegewinnung, aber auch des Energieverbrauchs und des Umweltschutzes beschäftigen wollen.

Man kann zudem Preise gewinnen; Anfang Oktober hatten wir gerade die zweite Preisverleihung für die Spieler mit den meisten Punkten. Das Projekt soll noch bis zum nächsten Jahr weiterlaufen. Danach, so hoffen wir, wird es von der Stadt Astana und anderen Städten übernommen werden.

Ende November haben wir unsere alljährliche Filmreihe „Kino Germania“ mit einem Partnerkino hier in Almaty. In diesem Jahr wird es eine Dokumentarfilmreihe sein, genannt dokBox. Außerdem beteiligen wir uns jedes Jahr an dem Jazz-Festival, das im Frühjahr stattfindet.

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Das sind bereits laufende Projekte, richtig? Welche neuen Projekte wird es geben?

Ab dem nächsten Jahr wird es ein großes Projekt in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Taschkent und eventuellen weiteren Partnern geben. Das ist die „Kulturakademie Zentralasien“. Da geht es darum, Kulturmanager/innen und angehenden Kulturmanager/innen durch Fort– und Weiterbildungen ein Angebot zur Professionalisierung anzubieten. Wir haben Partnerinstitutionen in Deutschland, bei denen sie hospitieren können.

Wir werden aber auch Expert/innen im Bereich Kulturmanagement nach Zentralasien bringen, um hier für Input und Austausch zu sorgen. Wenn alles klappt, soll dieses Projekt über einen Zeitraum von drei Jahren laufen. Es soll eine Art Ausbildung sein und den Teilnehmenden auch die Gelegenheit geben, sich mit anderen zu vernetzen.

Ein weiteres Projekt, das kommen soll, betrifft den postsowjetischen Raum. Es geht um die Auseinandersetzung mit sowjetischer Architektur sowohl in Deutschland als auch in den Ländern der ehemaligen Sowjetunion. Dieses Projekt ist aber noch in der Anfangsphase.
Insgesamt hat das Goethe-Institut geografisch gesehen einen sehr großen Arbeitsbereich. Wir sitzen zwar in Almaty, sind aber von hier aus für ganz Kasachstan, Kirgistan und Turkmenistan zuständig.

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Wie sieht die Kooperation zurzeit in Turkmenistan aus?

Auftritt einer deutschen Jazz-Band 2001 in Ashgabat. | Bild: Goethe-Institut Kasachstan

Das ist eine interessante Frage, in die ich mich auch erst einarbeiten muss. Ich bin regelmäßig mit der Deutschen Botschaft in Aschgabat in Kontakt. Das Goethe-Institut arbeitet in Turkmenistan mit Bibliotheken und mit einem Sprachzentrum zusammen, in dem wir auch Deutschprüfungen vor Ort anbieten. Zudem gibt es zwei PASCH-Schulen in Turkmenistan. Daneben gibt es einzelne Kulturveranstaltungen, die gut angenommen werden.

Die Schwierigkeit ist, die Ideen vor Ort auch umsetzen zu können. Es funktioniert oft, zum Beispiel bei Konzerten, aber man kann es trotz aller Absprachen vorher nie hundertprozentig wissen. Ich war selbst noch nicht vor Ort, sondern kann es nur aus Berichten einschätzen. Das Interesse ist anscheinend groß, aber die organisatorischen und bürokratischen Hürden sind hoch. Es scheint sich jedoch zu lohnen. Insofern ist es etwas, das wir auch gern machen.

Eine Hauptaufgabe des Goethe-Instituts ist die Spracharbeit. Bleibt das Interesse an der deutschen Sprache stabil?

Da ist die Frage, wie man Interesse definiert. Die Sprachkurse am Goethe sind sehr erfolgreich, auch weil es immer weniger anderweitige Möglichkeiten gibt, Deutsch zu lernen. Deutsch als Fremdsprache geht an den Schulen leider immer weiter zurück. Das heißt, Leute, die Deutsch lernen wollen, wenden sich an uns. Dazu müssen wir ein gutes Angebot bereitstellen.

Deutsch nimmt aufgrund der Abwanderung der Deutschen auch in der Gesellschaft einen immer weniger wichtigen Stellenwert ein. Englisch ist Weltsprache und das Interesse am Chinesischen nimmt zu. Zudem ist Kasachstan mit Kasachisch und Russisch sowieso schon zweisprachig und wird es sicher auch bleiben.

Es stellt sich die Frage, wo und wie bringt man weitere Sprachen im Bildungs– und Ausbildungssystem unter. Es geht nicht darum, Deutsch stärker zu platzieren als andere Fremdsprachen, aber Mittel und Argumente bereitzustellen, warum Deutsch von Vorteil sein kann. Da sind wir ganz gut aufgestellt. Das ist die Aufgabe des Goethe-Institutes, der wir uns annehmen und wo wir erfolgreich sind.

Wie sieht hier die Zusammenarbeit mit der Deutschen Minderheit aus?

Eine Projektberaterin und vier Sprachassistentinnen arbeiten in Kasachstan (Karaganda, Pawlodar, Kostanai) sowie Kirgisistan (Bischkek) für das Goethe-Institut mit der deutschen Minderheit zusammen. Sie geben jeweils vor Ort und, wo möglich, auch in anderen Städten Deutschunterricht und setzen gemeinsam Kulturprojekte um, wie zum Beispiel Filmabende, Theater-Workshops, Konversationsabende, Informationsveranstaltungen zu Deutsch und Deutschland. Nicht nur Deutschsprechende und Deutschlernende, sondern auch Deutschlehrer/innen und andere Multiplikatoren werden hier angesprochen.

Es gibt zudem auch Teilstipendien für Sprachkurse oder Fortbildungen in Deutschland, die sich spezifisch an die deutsche Minderheit richten, sowie die Möglichkeit für Jugendliche zur Teilnahme an einem deutschsprachigen, internationalen Sommercamp. 2018 wird dieses in Tschechien stattfinden.

Wie schauen Sie auf die kommende Zeit? Was erwarten Sie?

Ich bin darauf eingestellt, mehrere Jahre zu bleiben. Das ist auch sinnvoll, um entsprechendes Vertrauen bei den Partnern aufzubauen und die Kooperation voranzutreiben.
Ich bin grundsätzlich sehr neugierig.

Das ist sicher ein Plus-Punkt, obwohl ich noch kein Russisch spreche und keine Erfahrung im postsowjetischen Raum habe. So wie ich das einschätze, werden es in Kasachstan gesellschaftspolitisch wohl sehr interessante Jahre, wahrscheinlich allein dadurch, dass sich die Situation im Land, in der Politik, in der Gesellschaft, aber auch in der Wirtschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren verändern wird.

Es reizt mich zu sehen, wie Kasachstan sich entwickelt. Das betrifft nicht nur Kasachstan, sondern auch China und Russland und die Beziehungen untereinander. Es wird einiges kommen, worauf ich gespannt bin. Ich bringe es mit Dynamik und Bewegung in Verbindung und hoffe, dass dabei etwas Gutes herauskommt.

Herzlichen Dank für das Interview!

Das Interview führte Othmara Glas.

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