Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist seit zwölf Jahren in Kasachstan und investierte insgesamt 1,2 Milliarden. Ihre Ziele: Förderung des privaten Sektors und des Investitionsklimas, Marktöffnung und kritische Politikberatung. Kasachstan benötige eine generelle Öffnung, meint André Küüsvek, Direktor der EBRD in Almaty.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ist seit zwölf Jahren in Kasachstan und investierte insgesamt 1,2 Milliarden. Ihre Ziele: Förderung des privaten Sektors und des Investitionsklimas, Marktöffnung und kritische Politikberatung. Kasachstan benötige eine generelle Öffnung, meint André Küüsvek, Direktor der EBRD in Almaty.

Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), mit Hauptsitz in der  Finanzmetropole London, engagiert sich seit 1993 in Kasachstan. Sie ist im Finanzentrum Almaty und mit einem weiteren Büro in Astana vertreten. Das bisherige Invesitionsvolumen der Bank vor Ort beläuft sich auf rund 1,2 Milliarden Euro. Die gesamten EBRD-Aktivitäten vor Ort verantwortet André Küüsvek in Almaty. Zuvor war er Koordinator für Fragen des kasachstanischen Finanzsektors in der Londonder Zentrale. Der Este Küüsvek spricht nicht nur sehr gut Deutsch, sondern verbrachte Teile seiner Studienzeit in Deutschland, arbeitete dort für zwei Banken und war Vorsitzender der Deutsch-Estischen Gesellschaft.

Wie in anderen Transformationsstaaten hat sich die EBRD in Kasachstan zum Ziel gesetzt, den privaten Sektor zu stärken, den marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu fördern und so langfristig wirtschaftlichen Wohlstand zu generieren. Kasachstanische Privatkunden und kleinere und mittlere Unternehmen (KMUs) kommen selten direkt in Kontakt mit der EBRD. Die multinationale Förderbank kümmert sich vorrangig um die Finanzierung bedeutender Infrastrukturprojekte und internationaler Investitonsvorhaben. Durch ihre Ausleihungen an inländische Geschäftsbanken förderte sie bisher eher indirekt KMUs. Im Rahmen ihres Business-Advisory-Services Programms (BAS) vermittelt die EBRD allerdings in der Region erfahrene Unternehmensberater, mit denen sie selber gute Erfahrungen gemacht hat, an kasachstanische Firmen – und übernimmt einen Finanzierungsanteil von 50 Prozent.

Klarer Fokus: Privatwirtschaft

Bis dato widmete sich die EBRD besonders der Bankenbranche, der kasachstanischen Finanzarchitektur sowie dem Infrastruktur-, Transport- und Energiesektor. Das zukünftige Vorgehen in diesen Sektoren wird selektiver werden. Die Bank beabsichtigt vor allem, privatwirtschaftliche KMUs zu fördern. Zumal sich die Prioritäten zu Gunsten des verarbeitenden Gewerbes und des Agrarsektors verschieben werden. Im Rahmen ihres Kazakhstan-Small-Business Programm (KSBP) will die Entwicklungsbank dem privaten Sektor und hier vor allem den KMUs direkt Unterstützung zukommen lassen – in Zukunft besonders in ländlichen Gebieten. Dies wird die Bearbeitung kleinvolumiger Kreditanträge und die Förderung zahlreicher Projekte zugleich notwendig machen, so das EBRD-Büro in Almaty.

Um den Kontakt zum privaten Sektor zu intensivieren, wird die EBRD in Zukunft die Kapitalnachfrage von KMUs unmittelbar bedienen und Finanzierungen im Bereich zwischen 2,5 bis 25 Millionen Euro anbieten. „Deswegen haben wir unsere Mindestgrenze so niedrig gesetzt. Normalerweise liegt sie in unserem Hause bei fünf Millionen“, so Küüsvek. „Aber die EBRD ist froh, dies zu tun und nimmt gerne eine Pionierrolle ein – auch wenn die eigenen Ressourcen dadurch eine Zusatzbelastung zu schultern haben.“ Derzeit habe er einige solcher für EBRD-Maßstäbe kleinvolumiger Finanzierungsgesuche auf seinem Schreibtisch zur Bearbeitung.

Durch Förderung und Wiederbelebung der Landwirtschaft könnten weitere Arbeitsplätze in der Wertschöpfungskette vor Ort entstehen, beispielsweise in der Abfüll- und Verpackungsbranche. Im Agrarsektor sieht Küüsvek Licht am Ende des Tunnels. Er unterstreicht den Erfolg des Grain Warehouse Programms der EBRD. Weizenanbauer und Händler können in landesweit über 100 Lagerstätten einlagern. Sie erhalten ein Zertifikat über Menge und Wert ihres Bestandes. Das Dokument können sie wiederum einer lokalen Geschäftsbank als Kreditsicherheit vorlegen – so mangelt es nicht mehr an Sicherheiten zur Kreditaufnahme. Die Glaubwürdigkeit der Zertifikate hat die EBRD durch Versicherung der Lagerbestände erhöht.

Entwicklungszusammenarbeit in Eurasien

In noch nicht privatisierten Sektoren kooperiert die EBRD eng mit der Regierung in Astana. Bei anderen Projekten übernimmt die EBRD ohne staatliche Garantien das Finanzierungsrisiko. So kommt die EBRD ebenfalls unmittelbar mit dem privaten Sektor in Kontakt – der Staat bleibt außen vor. Der Vorzeigeeffekt solcher Transaktionen solle ausländische Großbanken wie die Citigroup oder die Deutsche Bank ermutigen, Ähnliches zu tun. Auch hier nehme man gerne die Pionierfunktion ein, so Küüsvek gegenüber dieser Zeitung.

„Kasachstan ist das asiatischte Land Europas und das europäischste Asiens“, so Küüsvek. Viele Förderinstitutionen sind vor Ort. Neben Weltbank und der EBRD ebenso die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) oder die Islamische Entwicklungbank (IDB). Oftmals kann sich die kasachstanische Regierung aussuchen, welches Angebot sie annnehmen will. Bei einzelnen Projekten kooperieren die Förderbanken eng. Die Straße Almaty-Bischkek finanzierten EBRD und ADB gemeinsam – die EBRD betreute das Vorhaben auf kasachstanischem Territorium, die ADB auf kirgisischer Seite. Bei der Erneuerung der Infrastruktur des nationalen Elektrizitätsbetreibers KEGOC kooperieren EBRD und Weltbank. Dennoch vergisst Küüsvek nicht zu betonen: „Unser Fokus liegt auf der Finanzierung des privaten Sektors. ADB und Weltbank konzentrieren sich auf Projekte mit Staatseinfluss. Nur noch die Ausrichtung der Islamischen Entwicklungbank entspricht der unseren – ihr Finanzierungsvolumen in Kasachstan ist aber gering.“

Die EBRD engagiert sich nicht nur operativ. „Wir haben uns auch die Verbesserung des Investitionsklimas zum Ziel gesetzt“, so Küüsvek. Gerade ein Transformationsland wie Kasachstan brauche ausländische Investitionen, für den Wissens- und Kapitaltransfer, zur Verbreiterung der Steuerbasis und um eine nachhaltige Entwicklung anzustoßen. Bisher sind ausländische Investoren zurückhaltend und engagieren sich wenig abseits des Energiesektors. Obwohl die politische Stabilität nach EBRD-Einschätzung für die Investoren außer Frage stehe und Kasachstan im Gros eine funktionierende Marktwirtschaft sei. „Es sind Ablauf und Transparenz des Tagesgeschäfts, die Investoren schwer einschätzen können“, so der EBRD-Länderverantwortliche für Kasachstan. Die Gleichbehandlung von Investoren – ob aus In- oder Ausland – abseits ihrer Kontakte zu Behörden und Kommissionen steht ganz oben auf der EBRD-Agenda. Zumal hier meist heimische Firmen im Vorteil sind.

Bei Buchhaltungsstandards und kasachstanischen Geschäftsabschlüssen sieht Küüsvek schon eine beachtliche Qualität erreicht. Den Problembereichen Transparenz der Eigentümerstruktur und undurchsichtiger Geschäftspraktiken will die EBRD mit Konditionalitäten bei der Kreditvergabe begegnen. Wenn die Vorstellungen von EBRD und dem kasachstanischen Unternehmen zu weit auseinanderliegen, dann verzichte man gerne aufs Geschäft, so Küüsvek. Seine Bank sei nicht die Polizei, aber sie habe schon viele Kredite vergeben, bei denen für die kommenden Jahre genaue Meilensteine zur Verbesserung der Geschäftspraktiken gesetzt worden seien. Viele Firmen, mit denen einst zähe Verhandlungen geführt wurden, seien heute erfolgreiche Markteilnehmer – und bestätigten der EBRD: gute Unternehmensführung sichert unternehmerischen Erfolg.

EBRD: Kritischer Dialog mit dem offiziellen Kasachstan

Um das Invesitionsklima zu verbessern, wurde auf EBRD-Initative Ende der 1990er der Foreign Investor Council (FIC) ins Leben gerufen. Durch den institutionalisierten Dialog zwischen ausländischen Großinvestoren – vor allem international tätige Banken und multinationale Konzerne- und dem offiziellen Kasachstan sollen Strategien zur Besserung des Investitionsklimas erarbeitet werden. Sowohl auf kasachstanischer als auch auf Investorenseite gibt es jeweils fünf Arbeitsgruppen, die sich mit Fragen zum Geschäftsbetrieb, zu Steuer- und Rechtsangelegenheiten, zum Image Kasachstans sowie zum Öl- und Gassektor befassen. Jede Arbeitsgruppe trifft sich monatlich. Alle zwei Monate findet ein Dialog zwischen den ausländischen und kasachstanisch besetzten Arbeitsgruppen statt; jeweils im Juni und Dezember trifft man sich als großes Forum.

Den alleinigen Vorsitz des FIC hat Präsident Nursultan Nasarbajew inne, aber der EBRD-Vorsitzende Jean Lemierre ist Sprecher der internationalen Seite und quasi sein Vize. Küüsvek beschreibt das Arbeitsklima als sehr gut, der Dialog sei eng und die EBRD verfüge über exzellente Kontakte zu höchsten Positionen. Die EBRD melde sich im FIC aktiv zu Wort. Die Regierung schätze die Beratung. „Gerne gibt die EBRD wohlüberlegte Ratschläge. Wir wollen enger Partner sein –  vertreten aber unsere Ansichten und haben eine gute Position, durchaus kritisch zu sein.“ In Zukunft wünsche er sich noch mehr kollegiale Entscheidungen, so Küüsvek gegenüber dieser Zeitung. Auf jeden Fall brauche Kasachstan keine Wirtschafts- und Sektorplanung von oben, sondern transparente Steuergesetze und die Möglichkeiten einfacher Firmengründung jeglicher Art. „Es macht keinen Sinn, dass Bürokraten nach dem Daumen-Hoch oder -Runter-Prinzip entscheiden, welche Branche und Firma gut sei und welche nicht.“

Im Rahmen des Trade Faciliation Programm bietet die EBRD spezielle Finanzierungen zur Förderung des Handels weltweit sowie zur Absicherung politischer und kommerzieller Risiken an. Den Handelströmen in Zentralasien stehen indes noch viele bürokratische und geographische Hindernisse im Weg. Zur Förderung von Industrie und Handel böten damit gerade in Zentralasien regionale Kooperation und Integration aus Sicht der EBRD erhebliches Potenzial – sei es nur eine verlässliche Eisenbahnverbindung Kasachstan-China. Bisher dominiere allerdings noch die Verfolgung nationaler Interessen und politisches Geplänkel. „Gerade deswegen wäre der WTO-Beitritt Kasachstans ein deutliches Signal, sich internationalen Standards zu verpflichten“, so Küüsvek.

Gute Perspektiven – noch Anstrengung bei Diversifiaktion und Modernisierung notwendig 

Neben besseren Investitionsbedingungen fordert die EBRD ein entschlossenes Vorgehen bei der Diversifikation der kasachstanischen Wirtschafts- und Exportstruktur abseits der Energiebranche. Kein einfaches Unterfangen bei einem großen Flächenland mit geringer Bevölkerung, kleinem heimischen Marktvolumen, im Schnitt niedriger Kaufkraft und in der Nähe zum international konkurrenzfähigen Massenproduzent China. „In einzelnen Branchen hat Kasachstan gute Chancen auf Erfolg in humankapitalintensiven Branchen. Dies durch das sowjetische Erbe – beispielweise in der Raumfahrt. Insgesamt ist aber der dringende Ausbau des Telekommunikationssektors, sprich ordentlicher Telefon- und Internetverbindung in Behörden, Büros und Schulen, vonnöten“, betont Küüsvek gegenüber dieser Zeitung – sein Heimatland ist Beispiel des Erfolgs solch einer Strategie. In London habe er beispielsweise im Monat 18 britische Pfund für eine Hochgeschwindigkeitsverbindung bezaht. Hier bezahle er ein Vielfaches dessen; für viele seien solche Kosten prohibitiv, so Küüsvek.

Schwieriger als bisher wird sich aus Sicht der EBRD vor allem der geldpoltische Balanceakt der Zentralbank zwischen Wechselkursstabilität – vor allem gegenüber dem US-Dollar – und Preisniveaustabilität gestalten. Im Finanzsektor sieht Küüsvek die Entwicklung eines funktionierenden Eigenkapitalmarktes als entscheidend für weiteren wirtschaftlichen Erfolg an. Der Fremdkapital- und Anleihenmarkt zur Unternehmensfinanzierung sei im Gegensatz zum Aktienmarkt mittlerweile relativ gut entwickelt und erfülle Anforderungen von Großinvestoren. Im Bereich Staatsanleihen führe der geringe Finanzierungsbedarf des kasachstanischen Staates jedoch dazu, dass es keinen hinreichenden Kapitalmarktauftritt des Landes über die ganze Zinsstrukturkurve gebe – wichtiger Vergleichsmaßstab für Investitionsvorhaben.

Damit der Bankensektor seine intermediäre Aufgabe zwischen Kapitalangebot und –nachfrage besser erfüllen könne, müsse sich der inländische Bankensektor mehr dem Privatkundengeschäft widmen und den elektronischen Zahlungsverkehr vorantreiben, meint Küüsvek. „Hier kostet jede Abhebung an einem Bankautomaten immense Gebühren. Dabei schone ich so Bankressourcen, brauche keine freundlich lächelnde Bankangestellte und viele Formulare – Basisleistungen im Privatkundengeschäft müssen umsonst sein.“

Öffnung des Landes als kleiner großer Schritt

Einen ganz konkreten Ansatzpunkt zur Besserung des Invesitionsklimas sieht Küüsvek in der generellen Öffnung Kasachstans – nicht nur seiner Märkte – sondern auch in einer generelleren Leichtigkeit des Landes im Umgang mit Ausländern, ob Tourist oder Geschäftsmann. „Nach Kasachstan zu kommen erfordert viel Zeit und Geld. Wenn dann noch ein zeitraubendes Einreise- und Bürokratieprozedere folgt, dann fragt sich ein Investor doch: Was mache ich hier?“

Trotz aller noch erforderlichen Anstrengungen von kasachstanischer Seite schätzt die EBRD bisherige Transformationserfolge im Vergleich zu anderen Staaten der Region. Für die kommenden Jahre erwartet die Entwicklungsbank ein Anknüpfen an die ökonomischen Erfolge und positiven makroökonischen Kennzahlen der letzten Jahre.

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EBRD-Investitionen nach Sektor1:
Agrarsektor/Agribusiness:       2 %
Bank-Eigenkapital:                 4 %
Bank-Ausleihungen:              31 %
Elektrizität/Energie:                8 %
Small Business Programme:   12 %
Produktion:                            5 %
Transport:                            25 %
Telekommunikation:                7 %
Weitere:                                 6 %

Bedeutende Einzeprojekte1:
Straßenbau:                        95 Mill. Euro
Grain Warehouse
Programme:                        92 Mill. Euro
KMUs:                                 70 Mill. Euro
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1 Quelle: EBRD, Working
with you in  Kazakhstan

19/08/05

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