Der geneigte Leser möge mir verzeihen, dass ich nun schon zum wiederholten Male ein und dasselbe Thema aufgreife. Aber die Entwicklungen in diesem Bereich überschlagen sich, sie sind an Dramatik kaum zu überbieten, und die Folgen für die Weltwirtschaft sind bei weitem noch nicht vorhersehbar. Sie haben es erraten – es geht um die internationale Finanzkrise, die dabei zu sein scheint, eine kräftige Rezession der Weltwirtschaft auszulösen.

Bisher hat der Bankensektor weltweit etwa 250 Milliarden Dollar an verlorenen Krediten abgeschrieben – um nicht zu sagen: verloren. Das ist etwa das Zweieinhalbfache der Jahresproduktion Kasachstans, aber wie viele (Kredit-)Leichen noch in den Kellern liegen, weiß trotzdem niemand. Es wird also zumindest in diesem Jahr weitere große, aber eben nur negative Überraschungen geben. Im Moment gehen die Insider davon aus, dass die Kreditverluste weltweit auf 600 Milliarden Dollar steigen könnten. Wenn es mehr würde, wäre auch kaum jemand verwundert. Bereits mehrere Dutzend große, ehrenwerte und mit modernem Management-Know-how eigentlich nur so voll gestopfte Banken haben enorme Existenzprobleme. Ihr Konkurs ist nicht ausgeschlossen. Die gesunden Banken, die es natürlich auch gibt, schauen sich um, ob es sich lohnt, zuzugreifen und angeschlagene Konkurrenten ganz oder teilweise zu schlucken.

Natürlich spielen die Börsen verrückt, Mitte März gab es wieder mal ein Minus von 3 bis 4 Prozent – enorm für nur einen Tag. Die Notenbanker, allen voran die amerikanische Nationalbank (FED) können nur noch auf eingetretene Negativereignisse reagieren, ein vorausschauendes Agieren bleibt ein Wunschtraum. Die FED als mächtigste Notenbank der Welt schießt aus allen Rohren, doch der Feind auf den zu zielen ist, kann nur schwer ausgemacht werden. Sie versucht auf jeden Fall zu verhindern, dass das Finanzsystem der USA zusammenbricht, was unweigerlich alle Länder mit in den Strudel reißen würde. Schon vor der Krise Mitte März wurde ein neues, sehr umfangreiches Hilfspaket für den Bankensektor, den Verursacher der Krise, in Gang gesetzt. Dieses ergänzt ein erst vor kurzem verabschiedetes Hilfsprogramm von 130 Milliarden US-Dollar, das aber ebenso keine Beruhigung bringen konnte wie die drastische Senkung der Leitzinsen um 125 Basispunkte (1,25 Prozent) vom Januar. Die lebenswichtigen Kreditströme zwischen den Banken sind praktisch ausgetrocknet. Das Misstrauen, ob nicht doch trotz aller Beteuerungen die heute ausgereichten Interbankenkredite morgen doch nicht zurückgezahlt werden können, ist enorm und wohl auch nicht gänzlich unbegründet.

Das Aufatmen nach den genannten Maßnahmen war nur kurz. Wiederholt musste die FED den Banken große Mengen Geld zur Verfügung stellen, um sie vor der Zahlungsunfähigkeit und damit dem Zusammenbruch zu retten. Mittlerweile verletzt die FED sogar schon das Grundarbeitsprinzip jeder Notenbank, das da heißt: Zusammenarbeit mit den Geschäftsbanken, nur in Ausnahmefällen – auch mit Nichtbanken, zum Beispiel im Rahmen der Offenmarktpolitik. Doch jetzt, nachdem mit Bear Stearns keine Geschäftsbank, sondern ein bekanntes und großes Investmenthaus am Zusammenbrechen war, wurde auch dieses mit frischem Geld versorgt. Das Beispiel wird Schule machen, und es besteht die Gefahr, dass die FED schnell zu einem Großgläubiger der Wall Street wird, was nun wahrlich nicht ihre Aufgabe ist. Gefährlich dabei ist unter anderem, dass die FED als Sicherheit für die ausgegebenen neuen Kredite eben jene hypothekenbesicherten Wertpapiere als Sicherheit nehmen muss, die jetzt alle wie der Teufel das Weihwasser meiden. Deren Wert aber, besonders der der niedrigsten dritten Kategorie, kann niemand mehr bestimmen, weil der Markt dafür zusammengebrochen ist.

Erstaunlich ist dann noch, dass der Chef der FED Ben Bernanke im Senat immer noch davon redet, dass die Krise beherrschbar sei und die US-Wirtschaft zwar langsamer, aber dennoch wachsen werde. Sicher kann man auch Krisen herbeireden, doch im Moment spielt Bernanke nur noch den Feuerwehrmann und häuft enorme Risiken für die Nationalbank der USA an. Selbst seine spektakulärsten Aktionen sind bisher meist binnen Stunden verpufft. Auch wenn das Wunder geschehen sollte und mittelfristig die US-Wirtschaft und damit die Weltwirtschaft insgesamt nicht allzu tief in die Krise rutschen sollte, ist ein anderes Problem bereits vorprogrammiert: Das Gespenst der Inflation wird wieder erwachen. Die Geldmengen, die jetzt in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden, sind so enorm, dass sie kurzfristig keinesfalls und auch mittelfristig nur schwer absorbierbar sein werden. Und dann ist da noch der anhaltende Wertverfall des Dollar. Er dürfte bald das Papier nicht mehr wert sein, auf dem er gedruckt ist.

Das Weiße Haus, also der Präsident und seine Berater, scheinen das aber noch nicht bemerkt zu haben. „Wir halten an unserer Politik des starken Dollar fest“, verkündet Bush ungerührt in diesen Tagen. Entweder versteht der Mann nicht viel von Wirtschaft oder er interpretiert „stark“ von einem niedrigen Niveau aus. Das einfache Volk aber merkt die Folgen sehr direkt: die Spritpreise steigen, die Häuserpreise sinken, die Aktienkurse fallen. Dabei hat jeder zweite Amerikaner über Aktien für das Alter vorgesorgt. Des Weiteren sind Kredite fast nicht mehr zu bekommen. Eine wachsende Zahl von Kreditschuldnern kann die steigende Zinsbelastung nicht mehr aushalten, so dass die Kredit- und Finanzkrise eher in die nächste Runde geht als abzuebnen. Um mit modernen Begriffen zu sprechen: Finanzkrise 2.0 und Dollarkrise 2.0 scheinen uns eher noch bevorzustehen.

Bodo Lochmann

21/03/08

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