Es ist Ende Juni in der Pädagogischen Hochschule in Duschanbe, und seit drei Wochen bereiten sich die Studenten auf ihre Prüfungen vor. Ein reges Treiben herrscht in den Fluren der Hochschule. Die Studenten, die das ganze Semester hindurch lieber Fotos gemacht haben oder über Haarfrisuren und Motorradfahren im Unterricht sprachen, sind erstmals nervös und fangen langsam an, sich vorzubereiten. Allgemein ist an den Universitäten in Tadschikistan bekannt, dass man die Prüfungsnoten bei den Professoren kaufen kann. Dazu sprach DAZ-Autorin Nicole Marquardt mit dem Französisch-Lehrer Guillaume Prunier.

Herr Prunier, wie gut sind ihre Studenten hier in Duschanbe ausgebildet?

Das Bildungsniveau in Tadschikistan ist sehr schlecht. Im Vergleich zu Frankreich oder Deutschland ist es weitaus geringer. Die Vorbildung an den Schulen vermittelt bereits unzureichende Kenntnisse. Das wirkt sich später an den Universitäten aus. Einige Studenten in meiner Klasse sind im 3. Studienjahr mitunter nicht in der Lage, einen einfachen, kurzen Satz auf Französisch zu sagen. Es mangelt Ihnen aber auch an Schreib- und Lesefähigkeiten, selbst in der russischen Sprache. Die Studenten lernen, mit korruptem Verhalten an den Universitäten umzugehen und nicht mit Regeln.

Welche Erfahrungen haben sie während der Prüfungszeit gemacht?

Erfahrungen mit schlechten Noten, auch bei einem niedrigen Leistungsniveau, sind nicht vorhanden. Die Studenten selbst werden unzufrieden und schlecht gelaunt, wenn man ihnen eine Note entsprechend ihres wirklichen Niveaus gibt. Die Ausreden der Studenten sind immer die gleichen, sie sagen: „Ich hatte keinen Strom zu Hause, ich konnte nicht lernen.“ Oder: „Bitte, bitte geben sie mir eine Fünf!“ Der Professor schlägt vor den Prüfungen vor, welche Noten die Lehrer den Studenten geben sollen. Ich habe das persönlich erlebt. An der Sprachenuniversität durfte ich nicht die Note „zwei“ geben. Der Professor sagte zu mir: „Gib Ihnen lieber eine „drei“. Zwei oder drei Studenten haben dann eine „drei“ bekommen. Nachdem ich die Prüfungsnoten abgegeben hatte, steckte mir der Professor beim Abschied 70 Somoni (15 Euro) in die Hemdentasche. Ich gehe davon aus, dass er selbst auch an den Prüfungsnoten verdient hat. Ich weiß allerdings nicht, wie viel er bekommen hat. In der Pädagogischen Hochschule war die Prüfung ein bisschen anders. Vor der Prüfung sind die schlechtesten Studenten zu mir gekommen, und zuerst dachte ich, sie wollten mir Geld geben. Doch sie haben mich gefragt, ob ich ihnen eine bessere Note geben kann, damit sie die Prüfung nicht noch einmal machen müssen. Die Professoren zögern die Prüfungen hinaus, um mehr Geld zu verdienen, weil sich dadurch der Druck auf die Studenten erhöht, das Studienjahr vielleicht nicht abschließen zu können. Da ich in einem Monat Tadschikistan verlasse, habe ich meinen schlechten Studenten als Abschiedsgeschenk eine „drei“ gegeben und keine „zwei“, die sie eigentlich verdient hätten.“

Warum kaufen die Studenten ihre Noten?

Ihr Ziel ist, das Diplom zu bekommen. Dafür möchten sie aber nicht lernen und sich nicht anstrengen. Das trifft nicht auf alle Studenten zu, es gibt auch sehr kluge und fleißige Studenten. Das Problem ist, dass die Lehrer zu wenig Geld verdienen. Das Durchschnittsgehalt eines Lehrers z.B. an der Pädagogischen Hochschule ist weniger als 100 Somoni (21 Euro), 85 (18 Euro) oder 90 (19 Euro). Das Geld reicht nicht zum Leben in Tadschikistan. Durch die Korruption mit den Noten sind die Professoren in der Lage, mehr Geld in kurzer Zeit zu verdienen.

Kann man etwas gegen die Korruption an den tadschikischen Hochschulen tun?

„Ich allein kann das System nicht ändern. Wenn die Studenten eine schlechte Note bekommen, dann müssen sie die Prüfung wiederholen und erneut Geld dafür ausgeben. Jedes Mal, wenn ich eine schlechte Note geben wollte, war das nicht möglich.“ Prüfungen in Tadschikistan sind aus meiner Sicht sinnlos, denn es sind keine wirklichen Leistungsüberprüfungen für die Studenten.

Wie war es für Sie als Ausländer, an den Hochschulen zu arbeiten?

Die Studenten in Tadschikistan freuen sich sehr, dass ich hier unterrichte. Sie sind glücklich über jeden Ausländer, von dem sie etwas Neues erfahren können. Die tadschikischen Studenten werden vielleicht nie die Möglichkeit haben, nach Frankreich zu fahren, und bei mir können sie ihr Französisch verbessern. Die Studenten studieren normalerweise nur mit alten Lehrbüchern und älteren Lehrern, die die französische Sprache nicht perfekt beherrschen.

Welches Verhältnis haben sie zu ihren Studenten?

Ich habe immer gute Beziehungen zu den Studenten gehabt. Sie sind vielleicht nicht sehr lernbereit oder besonders wissensdurstig. Aber ich habe während meiner Zeit an der Universität beobachtet, dass die Studenten immer lustig und glücklich sind. Die Lehrenden hier in Tadschikistan mögen es, mit ihren Professoren gemeinsam zu kochen oder Ausflüge in den Park zu machen. Es ist ein entspanntes Verhältnis. Zum Beispiel haben sie am Ende des Semesters für mich in meinem Haus gekocht, und wir haben zusammen gegessen, getrunken und getanzt.

Wie sehen Sie die Zukunft an den Universitäten Tadschikistans?

In den nächsten Jahren müsste man das Universitätssystem reformieren. Die Studenten müssten mehr als selbstständige Individuen akzeptiert werden. Sie befinden sich mitunter in einer Schülerrolle. An der Pädagogischen Hochschule gibt es eine Taschen- und Anzugsordnung, die jeden Morgen am Eingang des Universitätsgeländes vom Rektor und den Professoren kontrolliert wird. Es ist verboten, Jeanskleidung zu tragen und die Türsteher überprüfen die Taschen der Studenten sogar auf Schulbücher und Handys. Die Korruption sollte bekämpft und dafür Regeln und Normen fürs Studium und die Prüfungen eingeführt werden, die es einzuhalten gilt.

Herr Prunier, ich bedanke mich für das Gespräch.

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Der 27 Jahre alte Franzose Guillaume Prunier ist Französischlehrer und stammt aus Paris.
Seit Oktober 2006 unterrichtet der studierte Iranist und Sprachwissenschaftler in Tadschikistan das dritte und vierte Studienjahr Französisch an der Pädagogischen Hochschule und an der Sprachenuniversität in Duschanbe.

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13/07/07

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