Die Rennsaison neigt sich dem Ende zu. Doch bevor Pferde und Reiter in Kasachstan die Winterruhe antreten können, steht im Hippodrom nahe Almaty jeweils zum Schluss das wichtigste Rennen des Jahres auf dem Programm: Der Preis des Präsidenten, dotiert mit 100.000 Dollar.

Die Rennsaison neigt sich dem Ende zu. Doch bevor Pferde und Reiter in Kasachstan die Winterruhe antreten können, steht im Hippodrom nahe Almaty jeweils zum Schluss das wichtigste Rennen des Jahres auf dem Programm: Der Preis des Präsidenten, dotiert mit 100.000 Dollar.

Eine unbehagliche Wolkendecke zog sich am Sonntag vom Altau-Hochgebirge her über Almaty. Das Wetter versprach Ungemach. Und der „Preis des Präsidenten“, zu dem der „Jockeyclub der Republik Kasachstan“ ins zehn Kilometer außerhalb der Stadt gelegene „Hippodrom“ eingeladen hatte, drohte zur Schlammschlacht auszuarten. Denn die Rennbahn war nicht wie erwartet ein gepflegter Rasen, sondern frischgefurchter Acker. Aber noch war der erste Regentropfen ja nicht gefallen. Und so saßen die Pferdefans auf dem Gelände der Rennbahn und schauten bei Schaschlik und Bier den blaukostümierten und -behüteten Tänzerinnen zu, die sich in der Furche zu traditioneller Musik staubige Füße holten. Akhat Razak, Vizepräsident und Presseverantwortlicher des Jockeyclubs erzählte: „Pferderennen sind eine große Sache in Almaty. Und der Boom bricht nicht ab. Wir haben Zuschauer aus allen Bevölkerungsklassen, viele Reiche hat´s natürlich darunter.“ In der Tat: Wer seinen Fuß auf den ordentlich gepflasterten Vorplatz der Rennbahnanlage setzt, tritt ein in eine etwas andere Welt. Im Vergleich zu den Plattenbauten und Blechhütten Almatys hat das Hippodrom beinahe kleinbürgerliches Ambiente: Da ein Häuschen mit Garten, hier ein schmucker Pavillon, dort ein kleiner Führring für die Pferde. In der Zeit der Perestroika war die Rennbahn nämlich zur Ruine verfallen, bevor zehn reiche Männer den Jockeyclub gründeten und das Terrain samt verfallener Stallungen dem Staat abkauften. Heute werden hier jährlich elf Turniere durchgeführt und rund um Almaty schießen Zucht- und Turnierställe wie Pilze aus dem Boden. Auf europäischem Stand ist das Hippodrom nota bene noch nicht. Aber Akhat Razak ist zuversichtlich: „Vor einigen Jahren sind wir bereits der internationalen Rennassoziation beigetreten und hier in Almaty haben wir Unterstützung aus höchsten Kreisen.“

Präsidentenprestige

Auf der VIP-Tribüne sitzt der europäische Businessmann neben dem kasachischen Altherren mit Gebetshut. Noch laufen die Rennen über 1600 Meter für zweijährige Pferde. Hier winken den Konkurrenten gerade mal 10.000 Dollar. Eine Rauchfahne steigt aus der Wiese innerhalb der Rennbahn auf und ein streunender Hund trabt planlos auf dem weitläufigen Feld hin und her. Mittlerweile haben sich über tausend Zuschauer eingefunden – mehr als bei einem Fussballspiel des örtlichen Stammclubs – die das Hauptevent des Tages nicht verpassen wollen: Den Preis des Präsidenten. Neun Pferde rennen über 2000 Meter um 13 Millionen kasachische Tenge oder 100.000 Dollar. Das Durchschnittsgehalt eines Kasachen liegt unter 300 Dollar im Monat. Unterdessen sind die Pferde bereits im Führring zum Aufwärmen. Ein Schimmel ist darunter, er sticht hervor. Denn er trägt die Startnummer eins und seine beiden Pfleger sprechen französisch. Gutgekleidete Herren lassen sich noch mit einem Jockey ablichten und dann steigen die Reiter auch schon auf ihre Cracks. Als ob die Pferde von der prestigeträchtigen Prüfung wüssten – das Preisgeld gesponsert hat schließlich Kasachstans Präsident persönlich – sträuben sich einige davor, in die Startlöcher zu stehen. Hektik kommt auf. Pfleger fluchen auf kasachisch und bevor das Rennen überhaupt losgeht, kommt die Peitsche zum Einsatz. Aber dann geht´s weiter Schlag auf Schlag.

Sieg für den Präsidenten

Unter Anfeuerungsrufen aus dem Publikum und kasachischen Kommentaren des Sprechers, kommt das Feld ins Ziel, angeführt vom Schimmelhengst mit der Nummer Eins. „Fracassante“ heisst das edle Tier aus Frankreich und Frédéric Spanu sein ebenfalls französischer Jockey. Im Programm ist der vierjährige Schimmelhengst als im Besitz des kasachischen Präsidentenstalls aufgeführt. Aber Akhat Razak verrät: „Das Pferd wurde vor einer Woche extra für dieses Rennen aus Frankreich eingeflogen. Mit ihm auch der Jockey, der Trainer und die Pfleger.“ Der Präsident hat also seinem Rennglück ein wenig nachgeholfen. Aber wie kam denn dieser etwas ausgefallene Deal zu Stande? Im Interview nach dem Rennen erklärt der in Frankreich berühmte Jockey Frédéric Spanu aus der Rennhochburg Chantilly: „Als unabhängiger Jockey reite ich Rennen überall auf der Welt. Letztes Jahr war ich in Moskau, und daher hat ein Mittelsmann des kasachischen Präsidenten den Trainer Richard Gibson kontaktiert.“ Natürlich sei der Rennsport hier ein anderer als in Europa und die Einrichtungen reichlich veraltet, aber trotzdem hätte er dieses Rennen nicht auf die leichte Schulter genommen. „Wenn der Hengst nicht nach Kasachstan gekommen wäre, wäre er an diesem Wochenende ein wichtiges Rennen in Frankreich gelaufen“, sagt Spanu und verrät sogleich, dass hier nichts dem Zufall überlassen wurde. Und als wäre auch das geplant gewesen, fallen just nach der Preisverteilung die ersten Regentropfen. Über den klaren Sieg seines Pferdes musste Präsident Nasarbajew dann allerdings per Telefon informiert werden. Eigentlich sei seine persönlich Anwesenheit an „seinem“ Renntag geplant und somit das Tüpfelchen auf dem „i“ gewesen, aber wichtige Termine hätten ihn davon abgehalten. Schon bald stehen nämlich Präsidentschaftswahlen an, und der Gründungspräsident will schließlich auch für die nächste Amtsperiode sein Land wieder regieren. Jenes Land, in dem nicht nur das Pferd des Präsidenten immer gewinnt.

23/09/05

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