In dieser Woche wird am 8. März weltweit der Internationale Frauentag begangen. Für mich persönlich war dieser Tag nie besonders relevant. Mag wohl daran liegen, dass ich keine Frau bin. Oder dass ich in Bayern aufgewachsen bin und damit in einem Teil Deutschlands, in dem der Frauentag keine besondere Bedeutung besaß. Ich kenne aus meiner Kindheit Muttertag und Vatertag, einen Frauentag aber gab es bei uns nicht.

Für mich war das immer irgendwas spezielles, sozialistisches, irgendwie aus der DDR, von denen da drüben. Und es stimmt: Sucht man nach dem 8. März im Internet, springen einem sozialistisch geprägte Begriffe wie „Internationaler Frauenkampftag“ entgegen. Die Geschichte dieses Tages hängt tatsächlich eng mit der sozialistischen Bewegung in Europa zu Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen. Auf Initiative der deutschen Sozialistinnen Clara Zetkin und Käte Duncker wurde am 19. März 1911 der Frauentag zum ersten Mal in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz begangen, um insbesondere das Frauenwahlrecht einzufordern.

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Am 8. März 1917, nach dem seinerzeit in Russland verwendeten julianischen Kalender der 23. Februar, gingen die Frauen aus den verarmten Stadtvierteln der Vyborger Seite in Petrograd auf die Straße und demonstrierten, während ihre Männer an der Front des Ersten Weltkriegs eine für die russische Seite bereits aussichtslose Schlacht fochten. Die Frauen lösten somit an diesem Tag die Februarrevolution aus und erschütterten die Zarenherrschaft von Nikolaus II. zum ersten Mal massiv. Möglicherweise aufgrund dieser Geschehnisse entschied Wladimir Lenin im Jahr 1921, den Frauentag am 8. März zu veranstalten und ihn zu einem sozialistischen Propagandafest zu machen.

Der Muttertag wiederum ist eine Erfindung der Nationalsozialisten, die alle sozialistischen Bewegungen und damit auch den Frauentag bekämpften. Während die Führung der DDR den 8. März wieder als jährlichen Propagandatag etablierte, hatte dieser trotz verschiedener feministischer Bewegungen im Westen nie den gleichen Stellenwert. Erst in letzter Zeit erhält der Tag wieder große Bedeutung und ist seit diesem Jahr sogar in Berlin als erstes und bislang einziges Bundesland gesetzlicher Feiertag. Weltweit trifft dies übrigens auf fast ausschließlich sozialistisch geprägte Länder oder die Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu, wie zum Beispiel Kasachstan.

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Hier allerdings, und das musste ich nun erst einmal lernen, hat auch der 8. März seine besonderen, schrulligen Eigenheiten. Das Ideal des Kampftages für Frauenrechte scheint an der kasachischen Realität abzuprallen. Und die lautet: Man hat einen ganz gewaltigen Hang zum Kitsch und zu übertriebener, zur Schau gestellter Romantik. Es ist in erster Linie ein Tag, an dem die Männer wieder wie getriebene Hunde durch die Stadt hetzen auf der Suche nach der glitzernsten Halskette und dem größten Blumenstrauß. Die Frauen werden an diesem Tag mit Blumen und Torten beschenkt, mit Grußkarten in Herzform und mit Teddybären darauf. Ob dies im Sinne feministischer Ideale ist, sei dahingestellt. Ich als Mann überlasse solche Deutungshoheiten lieber den Frauenrechtlerinnen und Wissenschaftlerinnen.

Fakt ist, ich habe mich den örtlichen Gegebenheiten zu unterwerfen und werde meiner kasachischen Ehefrau gezwungenermaßen ebenfalls einen Blumenstrauß und eine Pralinenschachtel in Herzform besorgen müssen. Sei´s drum. Von diesem kitschigen, alljährlichen Trara mal abgesehen steckt aber doch eine ganze Menge Interessantes und auch Bedeutendes für unsere Gesellschaft hinter diesem Tag. Und auch in der Geschichte der sozialistischen Bewegung und der Sowjetunion hat dieses Datum seinen festen Platz. Es ist gut, zu wissen, was dahintersteckt!

Philipp Dippl

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