„Mit Tricks und Petrodollars an der Macht”, „Opposition in Kasachstan ohne Chancen”, „Gläserne Urnen, aber keine Transparenz” – die deutschen Medien haben die Präsidentschaftswahlen in Kasachstan auch diesmal kritisch begleitet. In der gesamten Berichterstattung spielt das zentralasiatische Land dennoch keine besondere Rolle.

Blitzlichtgewitter, Präsident Nasarbajew vor einer Wahlurne, Schnitt, er wirft einen Wahlzettel ein. Dazu ein kurzer Text: Wahlen in Kasachstan, Präsident Nursultan Nasarbajew führt, Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa kritisieren Unregelmäßigkeiten. Eine halbe Minute, mehr Zeit widmet Deutschlands meistgesehene Nachrichtensendung „Die Tagesschau” der Präsidentschaftswahl in Kasachstan nicht. Andere Themen sind wichtiger: der Aufbau Ost, die Entführung der Deutschen Susanne Osthoff im Irak, die Folterflüge der CIA.

Die Deutschen interessieren sich nicht für Kasachstan? Stimmt – könnte man meinen, wenn man sich mit ihnen unterhält. „Irgendwo in Asien” liegt das Land. Mit etwas Glück weiß der Gefragte, dass es in Kasachstan „viele Pferde” gibt. Und wer viel weiß, kennt auch die Hauptstadt. Oder glaubt es nur, wie die noch immer oft geäußerte Antwort „Alma-Ata” belegt.

Die Deutschen interessieren sich nicht für Kasachstan? Die Wahrheit ist etwas komplexer. Zwar gehen die Zeitungen häufig von den geringen Kenntnissen ihrer Wähler aus – eine Karte Zentralasiens begleitet jeden größeren Artikel. Und auch die Bilder zeigen in der Mehrzahl Pferde, Reiter oder Männer in Landestracht mit reich bestickten Filzhüten und langen Mänteln. Und natürlich das Gesicht des amtierenden Präsidenten und Wahlgewinners Nasarbajew.
Dessen Rolle im Wahlkampf beleuchten die deutschen Medien kritisch: Umfangreich kommt beispielsweise der Herausforderer Nasarbajews, Scharmachan Tujakbai, in der Wirtschaftszeitung Financial Times Deutschland (FTD) und in der alternativen Tageszeitung TAZ zu Wort. „Die Fernsehsender zeigen nur den Präsidenten. Oppositionszeitungen werden gegängelt, Kandidaten bedroht”, schreibt die FTD. Und in der TAZ wirft Tujakbai der Regierung vor, das Land könne schon weiter sein, „wenn der Reichtum nicht von einer Hand voll Leute geraubt würde.” Der Spiegel nennt Nasarbajew in seiner Online-Ausgabe gar einen „autoritär regierenden Staatschef”.

Einhellig werden auch Beobachter der OSZE zitiert. Diese kritisierten neben der übermächtigen Medienpräsenz des Amtsinhabers auch den Einsatz eines elektronischen Wahlsystems, das die Vorgaben der OSZE nicht erfüllt habe. „Bislang hat noch nie eine Wahl die demokratischen Standards der OSZE erfüllt”, schrieb denn auch am Montag die überregional erscheinende Zeitung „Die Welt” aus dem Springer-Verlag. Wahlbetrug ist für die deutschen Medien im Präsidentschaftswahlkampf in Kasachstan das Leitmotiv – auch wenn Präsident Nasarbajew durchaus Erfolg bei der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes bescheinigt wird. Und alle davon ausgehen, dass Nasarbajew auch bei ordentlich verlaufenen Wahlen gewonnen hätte.
Die Gefahr einer Rosen-, Tulpen- und orangenen Revolution wie in anderen GUS-Ländern sahen die meisten deutschen Journalisten dann auch nicht wirklich – auch wenn hier und dort das Wort Umsturzgefahr auftauchte. Vielmehr erkennen die Berichterstatter an, dass der Ölboom in Kasachstan zumindest zurzeit die Gefahr für einen gewaltsamen Regimewechsel bremst. Ausgiebig zitieren manche Autoren dann auch die positiven Wirtschaftsdaten. Die TAZ beschreibt Almaty gar als „pulsierende Metropole“ mit ausgebuchten Luxushotels.

Schon seit einiger Zeit sind Präsidentschaftswahlen daher auch nicht mehr der einzige Anlass, zu dem Kasachstan in den deutschen Medien erscheint. Die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung Kasachstans als ein wichtiger Erdöl produzierender Staat hat vor allem das Interesse der Wirtschaftspresse geweckt. Sie berichtet regelmäßig über Themen wie den Pipelinebau nach China oder das chinesische Engagement bei PetroKazakhstan. Und auch außenpolitische Aspekte spielen eine Rolle. So zitiert die FTD einen hochrangigen Regierungsbeamten in Washington damit, die USA wollten nach dem Verlust Usbekistans als Verbündeten nun mit Kasachstan zusammenarbeiten, um nicht völlig aus der Region zu verschwinden.

Langsam aber stetig wenden die deutschen Medien sich damit Zentralasiens wichtigstem Land zu. Der Prozess ist keine Einbahnstraße. Auch die Öffentlichkeitsarbeiter und PR-Experten Kasachstans haben die Auslandsmedien entdeckt. Einige Monate vor der Wahl veröffentlichte die nationale Wahlkommission auch in Deutschland eine Pressemitteilung, in der auch die Wahlstandards angesprochen wurden: „Während dieser Präsidentschaftswahlen beabsichtigt der amtierende Präsident, die Fehler der Wahlmechanismen, die von europäischen Beobachtern kritisiert wurden, zu korrigieren. Nasarbajew hat eine Verordnung erlassen, die lokale Behörden dazu auffordert, für Transparenz und gleiche Rechte für alle Kandidaten zu sorgen. Außerdem hat er viele internationale Beobachter eingeladen und davon abgesehen, seine eigene PR-Kampagne mit Hilfe der Massenmedien durchzuführen. Daher wird eine transparente und demokratische Präsidentschaftswahl erwartet.”

Es wird mehr als glänzende Wirtschaftsdaten und eine gut geölte PR-Maschinerie brauchen, wenn Nasarbajew westliche Medien von der Ernsthaftigkeit seiner Absichten überzeugen will.

09/12/05

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