Den Reichen nehmen, den Armen geben – das klingt so einfach wie nobel. Ein Bekannter von Kolumnistin Julia Siebert musste jedoch schmerzhaft erfahren, dass das Prinzip Robin Hood in unserer Zeit nur noch bedingt anwendbar ist.

Manche Menschen denken, der Staat ist böse, unser Feind und nimmt uns unsere Freiheit, unser Recht und ganz besonders unser Geld.

Diese Menschen denken, weil der Staat so raffgierig ist und mit unserem Geld sowieso nur böse Dinge anstellt, mindestens aber unter Verschwendungssucht leidet, solle man dem Staat nicht so viele Steuern geben, denn ein richtiger Betrug sei das nämlich gar nicht, wenn man Steuern am Staat vorbeischleust, weil ja das System an sich und in sich ungerecht sei. Drum solle man sowieso dem Staat misstrauen. Nämlich.

Manche Menschen denken, der Mensch an sich ist nie böse, sondern von Grund auf und Anfang an nur gut, und dann wird der liebgeborene Mensch von der bösen Gesellschaft zu einem nicht mehr ganz so guten Menschen umerzogen. Drum solle man sowieso dem Menschen vertrauen. Nämlich.

Einige Menschen vereinen beide Haltungen in sich, was sich in Taten wie folgt ausdrücken kann: Wenn sie einem an sich guten Menschen durch Steuerhinterziehung zu mehr Geld verhelfen, dann ist das eine gute Tat. Robin Hood und so. Das Robin-Hood-Prinzip finde ich persönlich super. Aber beruflich befasse ich mich mit dem Transfer von Good Practice, und von daher weiß ich ganz genau: Man kann nicht alle Erfolgsmodelle so 1:1 von A nach B übertragen, weil die Bedingungen in B meist anders sind als in A. Wir wissen: Das Robin-Hood-Prinzip funktioniert besonders gut im Fernsehen, im Wald, in England und im 12. Jahrhundert (plus/ minus ein paar Jahre, Jahrzehnte oder Jahrhunderte). Wenn alle diese Faktoren erfüllt sind, sind die Reichen eindeutig reich und böse, und die Armen sind zweifelsfrei arm und gut, und Robin Hood ist glasklar der Beste von allen. In der Realität ist immer alles viel komplizierter und verläuft meist nicht nach dem eigenen Drehbuch.

So erging es auch Helge. Und das war so: Helge wollte sein Haus verkaufen und hat eine bestimmte Summe festgesetzt, wovon der Staat soundsoviel Prozent Steuern haben wollte. Klare Sache. Das sah Helge aber nicht ein. Aus Prinzip. Drum rechnete er sich aus: Wenn Helge mit dem Käufer eine offiziell geringere Summe ausmachen und den Rest schwarz einstecken würde, würde er damit für den Käufer soundsoviel Gelderhalt ertricksen. Dadurch hätte Helge zwar selbst nichts gewonnen, außer (wer ist schon selbstlos? Eben!) eine Portion Karma für eine vermeintlich gute Tat und eine Handvoll Genugtuung, weil er dem bösen Staat eins ausgewischt hätte. So weit der Plan. Jetzt ist es aber in unserem Fall so, dass der Käufer nämlich gar kein guter Mensch ist, sondern sich über jede Gelegenheit freut, Geld zu ergaunern. Mit Karma und Robin Hood hat er nix am Hut. Auf den Deal hat er sich eingelassen und dann die übrige Summe einfach nicht bezahlt. Wieso sollte er Helge Hood Geld geben, das er genauso gut behalten könnte? Zumal, da im offiziellen Vertrag auch nur die offizielle Summe stand. Denn Helge als Staatsgegner lehnt selbstredend auch das Rechtssystem inklusive Verträge ab. Unter guten Menschen gilt doch das gesprochene Wort und reicht ein Handschlag.

Tja, da hat Helge die Rechnung ohne den Wirt gemacht, und sein Gut-Böse-System ist in sich zusammengebrochen. Padauz. Helge ist außer sich, was zum Teil nachvollziehbar ist, aber er will partout sein Robin-Hood-Kostüm nicht ablegen. Und zum Robin-Hood-Kostüm ist ein Spiegel keine passende Requisite. Ist schon klar. Kann man nix machen.

Julia Siebert

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