Vom 7. bis zum 17. Februar fand in Berlin das internationale Filmfestival „Berlinale“ statt, das zu einer unverwechselbaren Visitenkarte der deutschen Hauptstadt wurde. Wie auch in den Vorjahren wurden auf der 63. Berlinale künstlerische, dokumentarische und animierte Filme aus der ganzen Welt gezeigt.

Seinerzeit war die Berlinale gedacht als Alternative zu den renommierten Filmfestivals in Cannes und Venedig, die unbekannten jungen Regisseuren und Schauspielern die Möglichkeit geben sollte, sich und ihre Kunst öffentlich zu präsentieren. Seither hat sich die Berlinale zu einem prestigeträchtigen Festival von Weltformat entwickelt: einen Auftritt auf der Berlinale sehen die Stars des internationalen Kinos als Ehre an. Gleichzeitig bemüht sich die Festivalleitung, das Image eines demokratischen Kinos und einer Alternative zum Kommerz von Hollywood aufrechtzuerhalten.

Beim Stichwort „demokratisch“ muss erwähnt werden, dass Filme in praktisch allen großen Kinos in Berlin und im benachbarten Potsdam gezeigt wurden. So hatten alle Interessenten die Möglichkeit, Filme zu sehen. Aus vielen Ländern der Welt reisten Filmfreunde zum Festival nach Berlin. Die Filme wurden an mehreren Tagen an unterschiedlichen Spielorten wiederholt, und wenn es jemandem nicht gelang, den gewünschten Film „hier und heute“ zu sehen, hatte er noch eine zweite Chance. Die Vorführung der Filme dauerte eine ganze Woche, an deren Ende eine internationale Jury die Gewinner in verschiedenen Kategorien wählte. Vor der Vorführung der Filme wurden spezielle Karten an die Zuschauer ausgeteilt, die diese ausfüllen konnten, wodurch die Sympathie des Publikums ermittelt werden sollte. In einigen Kinos hatten die Zuschauer und die Filmcrew nach der Vorführung die Gelegenheit zum Gespräch.

Goldener Bär für rumänischen Film

Für den Wettbewerb waren insgesamt 19 Filme nominiert. Den „Goldenen Bären“ für den besten Beitrag erhielt der rumänische Film „Die Stellung des Kindes“. Er erzählt von Korruption in der modernen rumänischen Gesellschaft anhand des dramatischen Schicksals einer alleinerziehenden Mutter und ihres minderjährigen Sohnes, der einen Menschen tötet. Die Mutter, eine Frau aus der Oberschicht, versucht ihren Sohn vor der Strafe zu schützen, indem sie Beamten aller Ränge Bestechungsgelder anbietet.

Besonders möchte ich hervorheben, dass die internationale Jury für den Wettbewerb in diesem Jahr den Film „Harmony Lessons“ des jungen Regisseurs Emir Baigasin auswählte. Es war der einzige Film, der Zentralasien auf der 63. Berlinale vertrat. Seine Weltpremiere fand am 14. Februar im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz statt. Kurz gefasst erzählt die kasachisch-deutsch-französische Produktion aus dem Studio von „Kazakhfilm“ eine Geschichte von Freundschaft und Verrat zwischen den zwei kasachischen Jungen Aslan und Miraim, die gemeinsam Widerstand gegen ihren Klassenkameraden Bolot leisten, der der Anführer einer Bande von Schutzgelderpressern an der Schule ist. Aslan, ein Junge aus einem armen kasachischen Dorf, der von seiner alten Großmutter erzogen wird, wird an seiner Schule auf Befehl von Bolot gemobbt. Niemand darf mit ihm sprechen, nicht einmal Geld von ihm erpressen. Bolot befreundet sich mit dem neuen Mitschüler Miraim, der aus der Stadt kommt. Auch dieser gerät in Konflikt mit Bolot, als er den Befehl, nicht mit Aslan zu sprechen, nicht befolgt und, schlimmer noch, kein Schutzgeld zahlt. Der Widerstand der Freunde gegen den Banditen mündet in offener Gewalt von beiden Seiten: für seine Weigerung, Geld zu zahlen, wird Miraim von Bolot und seinen Helfern zusammengeschlagen, dann wird Bolot selbst getötet. Hier setzt der Höhepunkt des Films ein: der Regisseur zeigt mit erbarmungsloser Genauigkeit den Preis von Gewalt und Folter an den beiden Jugendlichen durch die Vertreter der Staatsmacht. Ihnen werden Plastiksäcke über den Kopf gezogen, sie werden auf die nackte Ferse geschlagen und mit Handschellen an Stühle gefesselt. Der Ermittler belügt die Jungen, indem er ihnen erzählt, dass einer gegen den anderen ausgesagt habe, und sät so Angst und Misstrauen zwischen ihnen. Schließlich willigt Miraim ein, Zeugnis gegen Aslan abzulegen, nachdem der Ermittler ihm die Mordwaffe präsentiert: ein Bleistift, der am Ort des Verbrechens gefunden wurde. Es ist unklar, wem der Stift gehört, da beide Jungen gleichartige besessen hatten. Doch es funktioniert. Die Freunde werden in einem Raum eingeschlossen, wodurch die Ermittlungsvorschriften verletzt werden. Aslan schmiedet kaltblütig einen Plan zur Rettung vor der unausweichlichen Strafe und tötet den ehemaligen Freund, wobei er eine Selbstverteidigung simuliert. Tatsächlich hatte Aslan auch Bolot getötet. Doch die Ermittler hatten keine direkten Beweise gegen ihn in der Hand. Jetzt, nachdem noch eine Leiche ins Spiel kommt, entlassen die Ermittler Aslan dennoch, da die Schuld am Mord an Miraim auf die Behörden fällt, die die beiden Beschuldigten in einen Raum sperrten. Die letzten Szenen des Films zeigen prophetische Bilder vom nahen Tod des Helden. Er steht am Ufer eines Flusses und möchte in ihn eintreten. Am anderen Ufer stehen die von ihm getöteten Bolot und Miraim. Sie rufen ihn zu sich, schreien: „Komm zu uns, Aslan! Fürchte dich nicht. Komm durch das Wasser zu uns, Aslan!“

Beifall für Emir Baigasin

Nachdem sich der Vorhang schloss, wurden Regisseur Emir Baigasin und sein Filmteam in Gestaff der Hauptdarsteller und weiterer Mitglieder der Dreharbeiten auf die Bühne gebeten. Der Saal begrüßte sie mit langanhaltendem und freundlichem Beifall. Das ganze Filmteam, besonders aber der Darsteller des Helden Aslan, war sehr ergriffen angesichts dieser herzlichen Aufnahme des Films.

„Harmony Lessons“ erhielt von der Jury den Preis für die Kameraführung, den Kameramann Asis Schambakijew entgegennahm. Ich denke, dass der kasachische Film, dessen Weltpremiere ich am 14. Februar gesehen habe, sowohl beim Publikum als auch bei den Kritikern einen starken Eindruck hinterließ. Er legte ein starkes Zeugnis vom Aufkommen eines neuen kasachischen Kinos ab, das erbarmungslos selbstkritisch ist und sich nicht fürchtet, offen alle Fehler der modernen kasachischen Gesellschaft zu zeigen und zu kritisieren.

Übersetzung aus dem Russischen: Robert Kalimullin

Von Chinara Harjehusen

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