In Kasachstan lebt die größte uigurische Minderheit außerhalb von China. Die Uiguren zählen, ebenso wie die Kasachen, zur Gruppe der Turkvölker und fühlen sich somit in vielerlei Hinsicht der kasachischen Kultur näher als der chinesischen. Die DAZ hat mit Kacharman Choschamberdi, Vize-Präsident des Uigurischen Weltkongresses, über die Situation der uigurischen Minderheit in Kasachstan gesprochen.

/Bild: Jennifer Brandt. ‚Kacharman Choschamberdi ist Vize-Präsident des Uigurischen Weltkongresses und lebt in Almaty.’/

Herr Choschamberdi, wie viele Uiguren leben in Kasachstan?

Wir schätzen etwa 300. 000, die meisten davon leben im Gebiet Almaty.

Wann sind die Uiguren nach Kasachstan gekommen?

Die größte Auswanderungswelle war in den Jahren 1960 bis 1965, da kamen viele Flüchtlinge als Folge chinesischer Repressionen aus der Region Xinjiang in China hierher. 1997 gab es starke Unruhen in Xinjiang, da gab es noch einmal eine kleinere Welle. Heute ist die Grenze verschlossen, und man braucht ein Visum, um aus China nach Kasachstan einzureisen.

Wie ist die Situation der uigurischen Minderheit hier in Kasachstan?

In Almaty gibt es drei uigurische Schulen, dazu uigurische Klassen in russischen und kasachischen Schulen. Es gibt ein uigurisches Theater, uigurische Zeitungen und ein Institut für uigurische Literatur und Wissenschaft. Die Kasachen und die Uiguren, wir sind beides Turkvölker, die sich kulturell ähneln. Hier in Kasachstan können wir unsere Kultur besser erhalten als in China.

Ist es wahr, dass uigurische Schüler Schwierigkeiten haben, an einer kasachischen Universität zu studieren?

Prinzipiell nicht. Alle Stundenten müssen die gleichen Aufnahmetests machen. An der kasachischen Universität sollen alle Studenten kasachisch und russisch sprechen. Teilweise haben unsere Schüler aber Probleme, die Prüfung auf Kasachisch zu bestehen. Deshalb versucht man jetzt auch, an uigurischen Schulen von Anfang an Kasachisch zu unterrichten.

Haben Sie Angst, dass die uigurische Sprache zukünftig verloren geht?

Sehen sie, alle Eltern möchten gerne, dass ihre Kinder uigurisch lernen. Die Schwierigkeit aber ist, dass man oft mit Russisch mehr erreichen kann, besonders in technischen Berufen. Deshalb entscheiden viele Eltern, dass ihre Kinder lieber auf eine russische oder kasachische Schule gehen.

Hat sich die Situation der Uiguren in Kasachstan mit der Unabhängigkeit Kasachstans verbessert?

Ja, besonders in Bezug auf kulturelle Aspekte. Zu sowjetischen Zeiten gab es viel negativen Nationalismus, wir durften, ähnlich wie die Deutschen, unsere Sprache nur zu Hause sprechen. Heute haben wir hier in Kasachstan gute Voraussetzungen, aber das Herz schmerzt uns wegen der Situation der Uiguren in China.

Hat die uigurische Minderheit hier in Kasachstan Kontakte zu den Uiguren in China?

Sicher. Jeder Zweite hat noch familiäre Verbindungen nach China.

Gibt es heute noch uigurische Flüchtlinge aus China, die nach Kasachstan kommen?
Nein, offiziell nicht. Kasachstan erteilt den Uiguren keinen Flüchtlingsstatus mehr. Auch Deutschland nimmt keine uigurischen Flüchtlinge auf, das tun momentan nur skandinavische Länder.

Was möchte der Uigurische Weltkongress mit seinem Engagement für die Uiguren erreichen?

Wir möchten vor allem zur Wahrheitsfindung beitragen. Wir möchten, dass unser Volk in China eine Stimme hat, dass die Interessen der Uiguren gehört werden, schließlich leben sie in einer autonomen uigurischen Region.

Herr Choschamberdi, vielen Dank für dieses Gespräch.

Das Interview führten Jennifer Brandt und Inga Mantler.

25/09/09

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