Die Außenhandelsbilanz Kasachstans sieht gut aus, eigentlich schon zu gut. Seit sieben Jahren übersteigen die Erlöse aus dem Export, also aus dem Verkauf von im Inland gefertigten Waren im Ausland, die Aufwendungen für den Import, also für das Einkaufen von im Ausland hergestellten Waren.

Wenn die Exporterlöse die Aufwendungen für das Bezahlen der Importe übersteigen, spricht man von positiver Außenhandelsbilanz. In diesem Fall kommen in einem Jahr mehr Devisen (das ist ausländisches, frei konvertierbares Geld) ins Land, als im selben Zeitraum zum Bezahlen der Importe das Land wieder verlassen. Folglich können die in diesem Jahr nicht benötigten Devisen gespart werden, es entstehen Devisenreserven. Diese sammeln sich bei Unternehmen, darunter bei Banken, bei Privatleuten und bei der Nationalbank an. Die Reserven der letzeren heissen „Gold- und Devisenreserven“ und dienen dem Bezahlen von Auslandsschulden und Importen, wenn die Außenhandelsbilanz negativ ist, also die Aufwendungen für die Importe die Exporte übersteigen. Letzteres war in Kasachstan in den 1990er Jahren ständig der Fall.

Im Moment steigen die Devisenreserven der Nationalbank sehr schnell und zwar mit einer fast schon unheimlichen Geschwindigkeit. Sie betragen jetzt etwa 21 Mrd. US-Dollar und machen somit bereits 27 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) aus.

Mir scheint das schon ein bisschen zuviel des Guten zu sein, denn allzu viele Reserven braucht eine normal funktionierende Wirtschaft auch wieder nicht. Deutschlands Nationalbank (die „nur“ eine Filiale der Europäischen Zentralbank ist) hat bei weitem nicht soviel Geld auf der hohen Kante und ist auch der Meinung, dass das nicht notwendig sei. Natürlich gibt es hinsichtlich der Diversifizierung der Wirtschaft, der allgemeinen Wettbewerbsfähigkeit und der internationalen Stellung der jeweiligen nationalen Währungen deutliche Unterschiede zwischen Deutschland und Kasachstan. Doch der Hauptgrund für die hohen Devisenreserven Kasachstans ist wohl ein anderer: Die Nationalbank kann einfach nicht anders, als in großem Maße die Dollars auf dem heimischen Markt aufzukaufen, für die es keine Nachfrage seitens der kasachstanischen Importeure gibt. Wenn die Nachfrage nach Dollars aber geringer ist als das Angebot, muss in einem System freier Wechselkursbildung, wie es auch Kasachstan hat, ein deutliches Fallen des Preises des Dollar in Tenge geben. Das aber schadet sowohl den Exporteuren als auch den heimischen Produzenten.

Für erstere wird der Export nach dem Umtausch der erlösten Devisen in Tenge weniger attraktiv, und die heimischen Produzenten haben mit den in Tenge billiger werdenden Importwaren zu kämpfen, die ihnen einen Teil der eigenen Nachfrage wegnehmen. Schließlich ist kaum ein Verbraucher patriotisch eingestellt und kauft auf Dauer eine teurere Ware nur, weil sie aus dem eigenen Land stammt.

Auf absehbare Zeit werden nun die Preise für Erdöl und andere Hauptexportprodukte Kasachstans hoch bleiben. Folglich wird der Zustrom von Devisen weiter anhalten und den Devisenbedarf für das Bezahlen der Importe weit überschreiten. Mit anderen Worten, der Aufwertungsdruck für den Tenge wird wohl auf absehbare Zeit noch bestehen bleiben. Folglich wird die Nationalbank trotz eines eigentlich anderen Hauptauftrages (die Optimierung des Inflationsniveaus) weiter Dollars vom Markt wegkaufen, was einerseits die Devisenreserven in vielleicht schon unvernünftige und unnötige Höhen treiben wird und andererseits die Inflation eher beflügelt. Schließlich muss die Nationalbank ja für jeden gekauften Dollar mit Tenge bezahlen, was die Geldmenge in Relation zur Warenmenge in die Höhe treibt und so Inflation förmlich provoziert.

Soll die insgesamt eher unerwünschte Aufwertung des Tenge eher gebremst werden, müssen Regierung und Nationalbank Wege finden, den Strom von Devisen aus dem Ausland zu bremsen oder den Abfluss der eben ins Land gekommenen Devisen zu erhöhen und zu beschleunigen. Auch bei den schönen grünen Dollars gilt also: zuviel ist auch nicht gut. Ein erster Schritt in dieser Hinsicht wurde bereits gemacht: Ab 1. April ist es den Banken nicht mehr unbegrenzt gestattet, sich im Ausland Geld zu borgen. Dazu haben diese in letzter Zeit in durchaus beachtlichem Maße eigene Anleihen emittiert und z. B. auf den europäischen Geldmärkten gegen Euro verkauft. Das hat den durch die hohen Exporterlöse sowieso schon hohen Strom von Devisenzuflüssen zusätzlich erweitert.

Aus der Ferne könnte man meinen, dass es ein schönes und leichtes Dilemma ist, nicht zuviel Devisen im Land zu haben. In der Praxis kann sich das aber schnell zu einem großen Problem bis hin zu einer Wirtschaftskrise entwickeln, weil eine zu harte Währung eben Arbeitsplätze im eigenen Land vernichtet bzw. diese in andere Länder (über hohe Warenimporte) exportiert werden. Dann wäre es vorerst vorbei mit dem Traum von der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit und weiterer Erhöhung des Wohlstandes.

Bodo Lochmann

07/04/2007

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