Von der Einsiedlerhütte bis zur Singenden Düne – Acht Deutsche, die in Almaty leben und arbeiten, verraten in der Deutschen Allgemeinen Zeitung ihre Lieblingsplätze in Kasachstan.

/Bild: privat/

Ulf Wokurka, 48, Generaldirektor der Deutschen Bank in Kasachstan

Vor vier Jahren arbeitete und lebte ich in Astana. Mein Alltag sah eigentlich immer gleich aus: Morgens verließ ich meine Betonwohnung, stieg in mein Auto und fuhr zu meinem Betonbüro. Abends ging es dann wieder zurück. Jeden Tag dasselbe. Damals war ich bei Samruk-Kazyna beschäftigt und Aufsichtsratsvorsitzender bei Kazpost. Als solcher wurde ich nach Karaganda eingeladen.

Das Wochenende verbrachten wir dann in Karkaralinsk, und von da aus brachen wir ganz früh am Morgen zum Schaitan Kol, dem Teufelsse auf, der ungefähr 100 Kilometer von dem Kurort entfernt liegt. Es war schon ein toller Anblick: Da fährt man die ganze Zeit durch die Steppe, und plötzlich stehen da diese Berge, und alles ist grün. Mich hat das alles sehr an meine Heimat, die Sächsische Schweiz, erinnert.

Zum See mussten wir noch eine Stunde laufen. Wir sahen wilde Tiere, schlugen uns durch Brombeersträuche – ich hatte nach langer Zeit wieder das Gefühl, die Natur direkt spüren zu können. Dann dieser See, Ludwig Richter hätte davon ein wunderbares Bild gemalt. Natürlich gibt es zu dem See eine Legende: Sie, jung, schön und aus reichem Hause, verliebt sich in ihn, jung aber arm. Ihr Vater verbietet die Hochzeit, woraufhin sie sich von dem Felsen, der in den See ragt, ins Wasser stürzt. Er folgt ihr. Die Leute konnten sich diesen Schritt damals nur dadurch erklären, dass die beiden vom Teufel besessen waren. Deswegen heißt der See heute Teufelssee. Eine kasachische Romeo-und-Julia-Geschichte, nur, dass sie auch noch sozialkritisch ist.

Der Brunnen

Barbara Fraenkel-Thonet, 53, eiterin des Goethe-Instituts

Als Kind hatte ich ein Lieblingsbuch, in dem es um das geflügelte Pferd Pegasus ging. In der Nacht steigt Pegasus vom Olymp herab, um an einer Quelle zu trinken. Seitdem haben Quellen für mich etwas Mystisches an sich. Vielleicht ist mein Lieblingsplatz auch deswegen ein Brunnen mit frischem Quellwasser. Er befindet sich in einem kleinen orientalisch aussehenden Pavillon auf dem Weg zum Medeo.

Ganze Familien kommen am Wochenende mit ihren Autos dorthin und transportieren manchmal bis zu 40 Fünf-Liter Kanister. Das Wasser kommt aus einem schmalen Rohr, weshalb es unglaublich lange dauert bis die Kanister gefüllt sind. Vor dem Brunnen bilden sich dann lange Schlangen. Viele Leute, die kommen, haben meist keinen Wasseranschluss und sind auf den Brunnen angewiesen.

Mein Mann hat ihn zufällig bei einem Ausflug entdeckt. Seitdem kommen wir ungefähr einmal im Monat, um eine Flasche mit dem Quellwasser zu füllen. Meistens verbinden wir das mit einem Ausflug, und das Wasser ist dann so etwas wie ein Andenken an den schönen Tag. Doch es ist nicht nur das Wasser, dass uns an diesen Ort zieht: Der Brunnen ist auch ein Ort der Begegnungen. Es ist interessant, die Menschen zu beobachten, und manchmal kommt man auch miteinander ins Gespräch. Als ich einmal einen Man vor mir fragte, ob er mich mit meiner einen Flasche vorlassen könne, sagte er: „Das kostet aber 300 Tenge.“ Dann lachte er.

Tal der Schlösser

Dr. Bodo Thöns, 52, Repräsentant der Commerzbank in Kasachstan

Die Teilnahme an der Reise einer deutschen Unternehmerdelegation nach Aktau sollte mich im Juni 2009 für zwei Tage ans Kaspische Meer bringen. Die ab Montag früh dort rufende Pflicht bot die Möglichkeit einer sonntäglichen Kür zum Kennenlernen der Halbinsel Mangyschlak. „Kasachstan entdecken“ verhieß dort einzigartige Landschaften und interessante Ausflüge. Samstag brachte mich Air Astana in Kasachstans westlichste Großstadt, und Sonntag Morgen erwartete mich der beim örtlichen Reisebüro georderte Jeep-Nomade Nikolai zu einer der interessantesten Exkursionen, die ich bislang in Kasachstan gemacht habe.

Durch das Tal zwischen den Gebirgszügen Karatau und Aktau ging es keineswegs schwarz-weiß unter strahlend blauem Himmel in Richtung des sagenumwobenen und wirklich beeindruckenden Kalksteinmassiv Scherkala, das fast jurtenartig in der endlosen Tiefebene thront. Weitere ungewöhnliche Felsformationen des Akmyschatu genannten Höhenzuges haben nicht zu Unrecht den Spitznamen „Tal der Schlösser“ erhalten.

Die Schönheit der Natur ist atemberaubend. Ein Besuch bei den „Rolling Stones“ – einem einzigartigen riesigen Feld mit gewaltigen steinernen Kugeln, ein Blick auf die archäologischen Ausgrabungen in Mangistau und nach gut 400 Kilometern ein abendliches Bad in der Km42-Bucht des Kaspischen Meeres rundeten diesen unvergesslichen Ausflug ab. Alle, die sich Volker Schlöndorfs kasachstanisches Leinwandepos „Ulschan“ anschauen, werden dort das „Tal der Schlösser“ ebenfalls als einen der Drehorte wiedererkennen.

Saiga-Antilopen

Edda Schlager, 39, Freie Journalistin

Meine erste Reise in Kasachstan führte mich vor fünf Jahren auf das Ustjurt-Plateau, ein wüstenähnliches Gebiet zwischen dem Aralsee und dem Kaspischen Meer. Damals begleitete ich eine Forschungsexpedition des Zoologischen Instituts Almaty zur Zählung der Saiga-Antilopen. Bevor wir vier Stunden mit dem Auto zu dem Plateau fuhren, haben wir uns noch auf dem Basar mit Essen eingedeckt. Denn dort draußen ist man völlig von der Zivilisation abgeschnitten. Man ist nur von dieser unendlichen Weite umgeben, die ich gar nicht mit Worten beschreiben kann.

Für die Zählung der Saiga-Antilopen haben wir deren Jungen eingefangen. Früher, als der Bestand noch größer war, sollen sie zu Massen auf dem rissigen Boden gelegen haben. Doch jetzt ist der Bestand kleiner, und die Jungen sitzen meist geschützt unter den wilden Rhabarberblättern. Die Tatsache, dass ihr Fell dieselbe Farbe wie der Sand hat, macht es einem nicht leichter, sie zu finden. Wenn man eines der Jungen entdeckt hat, muss man sich von hinten anschleichen. Wenn sie die Ohren aufstellen, kann man es gleich lassen, denn dann haben sie was gehört und springen im nächsten Moment davon. Wenn man sie zu packen bekommt, blöken sie ganz tief, dabei sind sie so filigran.

Viele Leute denken ja, das die Wüste total langweilig sein muss, doch wir haben wilde Pferde und Kamele gesehen, Wolfsspuren, die sich mit denen der Saiga-Antilopen kreuzten. Wir haben unter freiem Himmel in Zelten übernachtet und über allem lag der Geruch von Wermut. Auf dieser Expeditionsreise habe ich mich in Kasachstan verliebt.

Pik Kumpel

Heiko Mussmann, 29, Finanzleiter von Bayer Kasachstan

Bevor ich nach Almaty kam, war ich nie wirklich gewandert. Ich hatte bis dahin Basket-, Hand- und Wasserball gespielt. Doch da man hier die Berge direkt vor der Nase hat, bleibt einem fast gar nichts anderes übrig als wandern zu gehen, wenn man Sport treiben will. Deswegen ist mein Lieblingsplatz der Gipfel des Pik Kumpel. Ein Freund und ich haben dort bisher zweimal das Neue Jahr begrüßt. Am Silvesterabend stiegen wir auf, um unterhalb des Gipfels zu campen. Im Gepäck: Tütensuppe, Brot und ein paar Raketen. Statt Sekt gab es Glühwein, das ist bei -25 Grad einfach angenehmer.

Beim Jahreswechsel 2009/2010 schafften wir es auch tatsächlich am nächsten Morgen auf den Gipfel zu steigen, um die ersten Spuren des Jahres in den Schnee zu treten. Die Sonne schien und wir konnten die Stadt sehen. Beim letzten Jahreswechsel haben wir leider verschlafen, sodass es zu spät war für den weiteren Aufstieg. Doch unser sportlicher Ehrgeiz trieb uns das darauffolgende Wochenende nochmal hinauf.

Wir bestiegen den Pik Kumpel diesmal über einen schwierigeren Weg, bei dem man meist durch kniehohen Schnee waten muss. Oben war es furchtbar windig, sodass wir nicht lange bleiben konnten. Wir hatten eine Dose Fisch dabei, die wir eigentlich essen wollten, doch der Fisch war gefroren. Wir haben ihn dann beim Abstieg gegessen. Insgesamt waren wir zwölf Stunden unterwegs, und ich hatte zwei Kilo verloren.

Botanischen Garten

Anja Seifert, 39, Kulturattaché im deutschen Generalkonsulat in Almaty

Ich bin schon seit drei Jahren in Almaty, aber den Botanischen Garten habe ich erst sehr spät entdeckt. Er befindet sich zwischen der Al-Farabi-Universität und dem Ausstellungsgelände Atakent und ist mit seinen Alleen einer der wenigen Plätze in Almaty, an denen ich meinen beiden kleinen Kindern ein Stück Natur zeigen kann. Es ist total ruhig, und man sieht weder Häuser, noch Autos. Außerdem sind sehr wenige Leute da, sodass man stundenlang ungestört spazieren gehen kann.

Meine Kinder sind sehr anspruchsvoll. Wenn ihnen ein Ort nicht gefällt oder sie sich langweilen, werden sie sehr schnell quängelig und wollen nach Hause. Beim Botanischen Garten ist das überhaupt nicht so – sie freuen sich über jeden Käfer oder Schmetterling. Im Herbst letzten Jahres waren wir jedes Wochenende da, um Blätter und Eicheln zu sammeln. Zuhause haben wir dann was Schönes daraus gebastelt.

Somit ist der Botanische Garten besonders für Kinder geeignet und eine perfekte Alternative zu den Kindervergnügungsparks, die es in Almaty gibt. Dort können sich die Kinder zwar auch austoben, aber sie sind an den Wochenenden meist überfüllt und für Eltern bedeutet das einfach nur Stress. Ich bin nach einem solchen Ausflug meistens total fertig. Im Botanischen Garten herrscht kein Halligalli, sodass ich mich erholen kann, während meine Kinder sich austoben. Dort gibt es keine Ablenkung, sondern nur die Natur.

Touristenstation „Seri Lug“

Frauke Woitsch, 55, Fachberaterin für Deutsch in Kasachstan Dr. Stefan Woitsch, 50, freischaffender Autor

Von 2007 bis 2010 haben wir in Öskemen im Osten Kasachstans gelebt und gearbeitet.
Während eines Aufenthaltes in der Bergstadt Ridder empfahl man uns im Hotel, doch auch die kleine Touristenstation „Seri Lug“ ganz in der Nähe zu besuchen. Gesagt, getan.
Dort hörten wir auch von einem Einsiedler, der unweit der Station in einer kleinen Hütte wohne und dort Bienen züchten würde. Das klang spannend. Und wir hatten Glück, denn just in diesem Moment kam der Alte auf urigen Holzskiern den Berg herunter. Wenig später gingen wir mit ihm zu seiner Hütte. Bei Kräutertee und selbstgemachten Honig erzählte er uns aus seinem Leben. Schon über zehn Jahre sei er inzwischen hier draußen. Er lebt von seinem Honig, die die Leute von der Touristenstation für ihn in der Stadt verkaufen. Gemeinsam mit Naturschützern ist er auch in der Naturpflege tätig.

Im Sommer ist er oft mit Schülergruppen von der Station in den Bergen unterwegs. Er zeigt ihnen seltene Bäume, Pflanzen, versteckte Bergpfade und mit etwas Glück auch Gemsen und Bären. Plötzlich haben wir den Alten gern und mit ihm auch diesen versteckten Ort im Altai. Viel hatten wir schon darüber gelesen, dass von den Bergen hier eine besondere Energie ausgehen würde. An diesem Ort, so glauben wir, haben wir diese besondere Energie gespürt – in Gegenwart des Alten – ein Ort, den wir in guter Erinnerung behalten. Getrocknete Heilkräuter und ein Töpfchen Honig gingen mit auf den Heimweg. Die Namen der Heilkräuter haben wir leider vergessen. Der Honig aber, der war sehr schnell alle.

Christine Karmann, 29, ifa-Redakteurin

So schön die Berge rund um Almaty auch sind, im letzten Spätherbst hatte ich Sehnsucht nach etwas Strandähnlichem und buchte eine Reise zur Singenden Düne. Nach acht Stunden Busfahrt tauchte sie am Horizont auf, als kleiner Sandhügel eingebettet in eine Steppenlandschaft mit neongrünen Sträuchern. Leider regnete es, so dass sich die ersten Reisenden zu einem Picknickaufenthalt im Bus mit Blick auf die Düne entschlossen.
Für die anderen begann der Aufstieg auf die 180 Meter hohe und über drei Kilometer lange Düne. Schon nach den ersten Schritten vermeinten einige, sie singen zu hören, was unser Reiseführer energisch verneinte.Und dann passierte das Wunder. Die Sonne schob sich durch die Wolken, der Wind legte sich, und wir standen dick mit Sand paniert oben auf dem höchsten Dünenkamm. Auf Befehl unseres Reiseführers fassten sich die verbliebenen Expeditionsteilnehmer an den Händen und bevor wir darüber nachdenken konnten, ob es möglich sei, den gefühlten 90-Grad-Hang der Düne herunterlaufen zu können, ohne Purzelbäume zu schlagen, zog uns der Reiseführer in die Tiefe. Zumindest die, die nicht losgelassen hatten.

Die nicht ganz so Mutigen rutschten auf dem Hosenboden hinterher. Und sie begann zu singen. Wie sich das anhört? Wie ein tiefes Brummeln aus dem Inneren der Düne. Wie ein Orchester vor dem Konzert, wenn die Musiker ihre Instrumente stimmten. Da unser Bus auf dem Rückweg nach fünf Minuten einen Platten hatte, konnte wir auch noch den Sonnenuntergang über der Düne genießen.

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