Tolganai Bejsembajewa und Anna-Sophia Kraskowitsch, beide Absolventinnen der Schurgenew-Akademie der Künste in Almaty, berichten über ihr nicht immer einfaches Studium der Schauspielerei.

– Tolganai, bereust du, dass du in einer deutschen Theater-Gruppe studiert hast?

– Ich bereue es kein bisschen. Obwohl die deutsche Sprache komplex ist und es sich um eine ganz andere Kultur handelt, war das eine Fahrkarte ins Glück. Ich habe eine kasachische Schule abgeschlossen und zunächst versucht, in eine kasachische Gruppe hineinzukommen. Doch ich wurde nicht genommen, weil ich die Eignungsprüfung nicht bestanden habe, dann habe ich es bei der deutschen Gruppe versucht. Natürlich, am Anfang war es sehr schwierig für mich.

– Wie fühlt es sich an, eine Studentin der Akademie der Künste zu sein, zudem noch in einer deutschen Gruppe?

– Es ist unglaublich interessant, Studentin an der Akademie zu sein. Aber es gibt auch weniger Angenehmes: Mir kommt es so vor, als ob man an der Akademie nur 40 Prozent der Zeit zum Kunst machen nützen würde. Die Studenten müssen oft mir Unverständliches, was nichts mit Kunst zu tun hat, machen. Man stößt auf große Schwierigkeiten, wie zum Beispiel fehlende Unterstützung seitens der Lehrer. Hier läuft alles streng nach Vorschrift, es gibt keinen Platz für Experimente. Alles bleibt wie es vor 50 Jahren war. Es wird nichts Neues ausprobiert, kein Risiko eingegangen. Vielleicht bin ich unfair und undankbar, aber das ist meine Meinung. Für mich persönlich war der Unterricht selten wertvoll, es gab nur wenige Lehrer, von denen ich etwas gelernt habe. Dazu kommt noch, dass wir eine Art Nomadengruppe waren – vier Jahre lang hatten wir keine eigenen Räume. Wir übten an verschiedenen Orten, wo es gerade ging:  an Brunnen oder Tannenbäumen in öffentlichen Parks, in Fluren und Foyers, in Büros oder im Keller des Deutschen Hauses (Vielen Dank dafür!). Am Ende war es uns schon egal, ob es eine Bühne gibt oder nicht. Jetzt können wir spielen, wo wir wollen, unter allen Bedingungen!

Vielen Dank und eine tiefe Verbeugung vor der Meisterin Natascha Dubs, die mich in eine neue, europäischere Welt einführte. Hier gibt es mehr Freiheit, jeder hat seine eigene Meinung und das Recht, diese Meinung auszudrücken. Hier fand ich gute Freunde, verrückte Typen! Jetzt kann ich definitiv sagen, dass ich wahnsinnig froh bin, dass ich gerade in eine deutsche Gruppe hineingekommen bin. Manchmal musste ich meine persönlichen Pläne aufgrund der Proben ändern, aber es ist nicht möglich mit nur einem Bein in der Schauspielerei tätig zu sein, entweder bist Du ganz dabei oder gar nicht. Und hier arbeitet jeder für sich, jeder will der Erste oder der Beste sein, weil das eine Anforderung des Berufs ist, hier darf man nicht Teil der Masse sein. Es ist hier aber nicht so wichtig der Beste zu sein, wichtig ist vor allem, professionell zu sein.

– War es interessant mit Natascha Dubs zu arbeiten?

Natalia Dubs ist eine Meisterin. Sie ist sehr gebildet und intelligent, klein, zart und sehr stark. Nach dem Abgang unserer anderen Lehrerin war Natascha unsere einzige Leiterin. Man muss sehr begabt sein, um ein Kurs gut und professionell abzuschließen.

Sie war uns auch bei lebensnahen Fragen immer eine Lehrerin. Jeder von uns hat manchmal Probleme und Schwierigkeiten, aber sie war immer für uns da und hat uns in jeder Situation unterstützt. Sie bereitete uns Tanzdarbietungen vor und machte Kostüme. Natascha war nicht nur die Meisterin des Kurses, sie war und bleibt meine Freundin. Neunzig Prozent von dem, was ich weiß, habe ich von Natascha gelernt, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Natascha Dubs ist eine Meisterin und Regisseurin von großem Rang.

– Soweit ich weiß, hat die Gruppe an vielen Projekten auch außerhalb der Akademie teilgenommen.

– Ja, wir haben hart gearbeitet, auch außerhalb der Akademie. Wir haben an verschiedenen Projekten teilgenommen: Wir haben mit der Gruppe „Kino und die Deutschen“ gearbeitet, sind bei verschiedenen Festen im Deutschen Haus aufgetreten, waren in Karaganda und haben das Festival der deutschen Kultur in Kasachstan organisiert.

– Sie haben auch die Tschechische Republik wegen eines Festivals besucht? 

– Vor kurzem waren wir mit einer Theatervorstellung nach dem Stück „Ja. Nein“ von Berthold Brecht auf einem Festival in der Tschechischen Republik. In Tschechien waren sie sehr auf uns gespannt. Und wir waren die einzige Gruppe, die ihr Stück drei Mal vorgestellt hat! Obwohl wir für die Europäer ziemliche Exoten waren, wurden wir verstanden und waren zufrieden mit unserer Arbeit. Da waren auch Fans, die zu allen drei Vorstellungen gekommen sind. Alle waren verwundert darüber, dass Kasachen auf Deutsch gespielt haben. Danke noch Mal an den Rektor der Akademie für diese Möglichkeit, ein Theater-Festival in der Tschechischen Republik zu besuchen.

Danke auch an die Akademie. Ich hoffe, dass mit der Zeit die Ausbildungsbedingungen für Studierende verbessert werden. Aber… Vielleicht hat uns gerade das Überwinden dieser Schwierigkeiten berühmt gemacht.

– Was bedeutet der Beruf des Schauspielers für dich?

– Dieser Beruf verändert einen Menschen, ob man will oder nicht. Ich wuchs nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Mensch. Ich sehe mich selbst und die Menschen nun anders. Diese vier Jahre waren für mich ein einziger und extremer Höhepunkt.

Meiner Meinung nach ist Schauspieler zu werden ein großer Schritt. Entweder lebt man von seiner Arbeit oder du pfuschst herum. Es ist furchtbar in Kasachstan im Kunstbereich zu arbeiten, vor allem für Schauspieler. Die Theater sind halbtot und langweilig. Die guten Theater kann man an einer Hand abzählen. Viele Schauspieler verstehen nichts von dem, was sie tun. Dazu gibt es viele dumme Projekte, die unterstützt werden, während die wirklichen Talente an den Rand gedrängt werden. Man müsste die Zuschauer erziehen. Mit langweiligem Spiel und uninteressanten Geschichten wird man sie jedoch nicht begeistern. Tatsache ist, dass es keinen Drang nach Neuem gibt, die Theater bleiben auf der Stelle stehen, wobei sie mit der Zeit gehen müssten. Bei uns bleibt alles, wie es war…

– Anna, du hast ein Diplom in Politologie der Fakultät für Sozialwissenschaften an der Deutsch-Kasachischen Universität (DKU) erlangt. Wie bist du zur Akademie der Künste, auch in die deutsche Gruppe, gekommen? 

– Als ich im ersten Jahr an der DKU studierte, besuchte ich die Kurse in Darstellenden Künsten von Natascha Dubs. Übrigens haben viele aus unserer Gruppe die gleiche Geschichte. Natascha hat uns alle mit dieser Lust aufs Schauspiel angesteckt. Aber damals wusste ich noch nichts über die deutsche Gruppe, bis dahin dauerte es noch drei Jahre. Aber das Interesse an Kunst haben meine Eltern bereits in meiner Kindheit erweckt, vielen Dank an sie dafür.

– Politologie und Schauspielerei, das sind zwei sehr unterschiedliche Disziplinen.

– Der Unterschied ist natürlich sehr groß. Aber das zu machen, was einem gefällt, ist einfach wunderbar. Die letzten zwei Jahre an der DKU waren für mich eine einzige Qual, weil es sehr schwierig war, den Unterricht an der Akademie und das Studium an der Universität miteinander zu vereinbaren. In vier sehr produktiven und ereignisreichen Jahren an der Akademie haben wir viele Projekte realisiert, unter anderem die Teilnahme am studentischen Theater-Festival in der Tschechischen Republik. Oder auch Projekte mit dem Goethe-Institut: Für die Projekte „Amerika“ und „Kein Kontakt“ haben wir eng mit dem Deutschen Haus zusammengearbeitet. Im ersten Studienjahr waren wir 15 oder 16 Studenten, doch bis zum Ende haben es nur neun geschafft, aus denen Natascha Dubs meiner Meinung nach echte Darsteller gemacht hat!

– Wie siehst du die Zukunft der deutschen Gruppe?

– Die Zukunft unserer deutschen Gruppe hängt von uns ab, das ist uns ganz klar. Natürlich wollen wir weiter arbeiten und mit unserem Team Kunst machen. Das ist so üblich, wenn aus einer studentischen Gruppe eine richtige Theatertruppe wird. Es wäre auch toll, weiterhin mit Natascha Dubs zu arbeiten. Ich möchte fest daran glauben, dass die Zukunft des deutschen Theaters eine gute sein wird und es uns möglich sein wird, einen leuchtenden und kreativen Beitrag dazu zu leisten.

– Ich danke euch für das Interview. Ich wünsche euch, dass eure Träume wahr werden und ihr bekannte Schauspielerinnen werdet! 

Interview: Aljona Witzke.

Überzetzung: Wsewolod Obolenski.

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