Über das Thema „Probleme der Sicherheit in der zentralasiatischen Region und die Rolle der Nato-Staaten bei der Regulierung der Situation in Afghanistan“ diskutierten Ende Oktober Studenten der Fakultät für internationale Beziehungen der Kasachischen Nationalen Universität Al-Farabi und junge Offiziersanwärter der Helmut-Schmidt-Universität. Die 23 Studenten der Universität der Bundeswehr in Hamburg besuchten Kasachstan im Rahmen einer zehntagigen Bildungsreise durch Zentralasien.

/Bild: Mara Gubaidullina. ‚Zehn Tage Zentralasien: Deutsche Professoren zu Gast an der Al-Farabi Universität.’/

„Soldaten werden in der Regel nur in die Krisengebiete der Welt geschickt, wie z.B. nach Afghanistan. Die Bildungsreise durch Zentralasien soll den zukünftigen Offizieren die Möglichkeit geben, sich auch mit der Geschichte, Kultur, Politik, und Wirtschaft der umliegenden Länder zu beschäftigen“, sagte Prof. Mara Gubaidullina, die Koordinatorin des Projektes in Kasachstan.

Es ist Tag vier der Zentralasienreise einer Gruppe junger Offiziersanwärter der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Die Studenten möchten zusammen mit Wissenschaftlern der Hochschule einen vergleichenden Blick in die Region werfen. „Entlang der historischen Seidenstraße reisen wir von Almaty über Taschkent, Samarkand, Buchara (Usbekistan) durch das turkmenische Merv in die Hauptstadt Turkmenistans, nach Aschgabat“, sagte Prof. Augusto Pradetto. Es geht von der Spiegelglanz-Metropole Almaty weiter in die Länder Zentralasiens, in denen die sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen langsamer verlaufen.

Sicherheit in Zentralasien

„Usbekistan und Tadschikistan sind von den Problemen in Afghanistan viel stärker betroffen als Kasachstan. Nicht nur weil sie geografisch näher liegen, sondern auch weil sie nicht vom Ressourcenreichtum profitieren können. Das bietet den Nährboden für radikale islamische Strömungen“, sagte Prof. Augusto Pradetto.

„In Kasachstan herrscht ein sehr liberales Klima. Die kasachische Politik ist nach allen Richtungen ausgerichtet und versucht in der Balance die eigene Position zu stärken. Es ist keine einfache Außenpolitik, mit allen Nachbarländern und internationalen Organisationen freundschaftliche politische Beziehungen aufzubauen, aber nicht zuletzt dank dem Ressourcenreichtum des Landes verläuft sie erfolgreich“, sagte Prof. Augusto Pradetto.

Der Professor leitet die Delegation aus 23 Professoren und Studenten der Helmut-Schmidt-Universität. An der Universität der Bundeswehr studieren zu 90 Prozent zukünftige deutsche Offiziere, ein kleiner Teil sind ausländische Studenten. Die Fakultät für internationale Beziehungen der Kasachischen Nationalen Universität Al-Farabi steht schon seit 2003 in freundschaftlichem Austausch mit der Helmut-Schmidt-Universität. „Wir sind sehr an dem wissenschaftlichen Austausch interessiert. Auf dem Weg nach Bologna nehmen wir an einem staatlichen Doktorandenprogramm teil. Jeder Doktorand hat zwei Betreuer, einen kasachischen und einen internationalen“, sagte Prof. Mara Gubaidullina. „Wir freuen uns über den Meinungsaustausch mit den deutschen Wissenschaftlern und Studenten.“

Auch die deutschen Professoren Augusto Pradetto, Nikolaus Katzer, Rudolf Mark sowie die Journalistin Dr. Birgit Wentzel sind auf den Austausch gespannt. Zunächst hat die deutsche Gruppe die Gelegenheit, die landschaftliche Schönheit Kasachstans zu entdecken. Es geht auf das Dach der Stadt, den Medeo-Berg, und in den Scharyn-Canyon.

Meinungsaustausch und Naturbeobachtungen

Mit dabei auf Entdeckungsreise sind Studenten der Al-Farabi Universität. „Die Studenten haben sofort eine gemeinsame Sprache gefunden und am Ende sogar gemeinsam Lieder gesungen“, sagt Prof. Mara Gubaidullina. „Die deutschen Studenten haben sich für die Kultur und Wirtschaft der Region interessiert, aber natürlich auch dafür, wie weit es vom Scharyn-Canyon zur chinesischen Grenze ist.“

Das Thema Sicherheit wurde später noch vertieft. Die Professoren der Al-Farabi-Universität organisierten einen runden Tisch zum Thema „Probleme der Sicherheit in der zentralasiatischen Region und die Rolle der Nato-Staaten bei der Regulierung der Situation in Afghanistan“. Prof. Karimschan Schakirow und Prof. Kuralai Baisakowa begrüßten die deutschen Gäste zum Meinungsaustausch.

In Kurzvorträgen umrissen Studenten und Wissenschaftler der Al-Farabi-Universität die Situation aus ihrer Perspektive. Die deutschen Professoren und Studenten stellten interessiert Fragen und kommentierten die Sicherheitslage. Prof. Mara Gubaidullina zeigte sich mit dem Ausgang der Gesprächsrunde zufrieden: „Wir haben viel Fragen aufgeworfen, die wir in Zukunft weiter erforschen können.“

Dialogplattform für Soldaten mit Migrationshintergrund

Bei der Diskussionsrunde macht ein junger deutscher Offizier mit seinen fließenden Russischkenntnissen auf sich aufmerksam. Peter M. ist in Moskau geboren und mir acht Jahren zusammen mit seinem Vater nach Deutschland gezogen. „Ich habe schnell Deutsch gelernt, denn ich wollte mit anderen Kindern mitspielen“, sagt Peter. Schon als Kind träumte er davon, Offizier zu werden und die Familietradition fortzusetzen.

„Schon mein Ur-Urgroßvater war Gendarm und arbeitete in Zentralasien, in Fergana – im Osten von Usbekistan. Der Beruf des Offiziers ist sehr abwechslungsreich, und man ist viel in der Natur“, sagt Peter. Wie wichtig für ihn als Auswanderer die Entscheidung war, in welcher Armee er dienen werde? „Ich habe 1996 einen Schüleraustausch nach Moskau gemacht und im Gespräch mit meinen Altersgenossen festgestellt, dass wesentliche Normen und Werte für mich näher zu der deutschen Kultur waren. In Russland bin ich geboren, aber in Deutschland geprägt worden“, sagte Peter.

Mittlerweile hat er in verschiedenen Verwendungen Erfahrungen gesammelt und schreibt nach Abschluss seines Geschichtsstudiums an seiner Doktorarbeit über Armeesport und Körperkultur in der Sowjetunion. War seine russische Herkunft je ein Thema bei seinen Kollegen?

„Nach einigen rechtsradikalen Vorfällen in der Bundeswehr Ende der 90er Jahre hat die Führung hart durchgegriffen. Offiziell misstraut mir keiner, weil ich in Russland geboren wurde. Am Anfang haben mich meine Kollegen manchmal Iwan genannt. Aber es ist immer noch ein Unterschied, ob sich zwei deutsche Offiziere auf Russisch oder auf Englisch unterhalten“, sagt Peter.

Sein Traum, den er möglichst bald verwirklichen möchte, ist, eine Dialogplattform für Soldaten mit Migrationshintergrund in der Bundeswehr zu gründen. „Es gibt viele Deutschrussen in der Bundeswehr, da der Soldatenberuf in diesem Kreis ein hohes Ansehen genießt. Ich möchte den Verein auch für Soldaten mit anderem Migrationshintergrund öffnen“, sagt Peter. „Er soll zu einem Sprachrohr werden, Beratung anbieten und den Dialog und die Integration weiter fördern.“ Die Bildungsreise nach Zentralasien ist für ihn eine weitere Möglichkeit, mit Einheimischen in Kontakt zu kommen und Land und Leute kennen zu lernen.

Wie sind denn die jungen deutschen Offiziersanwärter bei den kasachischen Studenten angekommen? Schambota, Studentin der internationalen Beziehungen im vierten Studienjahr, bringt den Professoren und Studenten zum Abschied noch ein traditionelles kasachisches Mützchen auf den Flughafen. Zum letzten Mal an diesem Tag wird das Thema Sicherheit aktuell, denn man darf leider keine letzten Erinnerungsfotos auf dem Flughafen machen, auch wenn jeder ein Foto mit der Mütze haben möchte. Schambota findet die deutschen Offiziersanwärter „nett und bescheiden.“ Prof. Mara Gubaidullina ergänzt: „Ich würde nicht sagen bescheiden, ich würde sagen, sie waren sehr korrekt. Ich freue mich schon auf eine weitere Zusammenarbeit in der Zukunft.“

Von Christine Karmann

06/11/09

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