Um aus der Rohstofffalle herauszukommen, hat Kasachstan schon manches Projekt angeschoben, das sich im Endergebnis als Papiertiger herausstellte. So hat der Rechnungshof in einem seiner jüngsten Berichte festgestellt, dass in den letzten beiden Jahren von den 85 Projekten, die vom staatlichen Innovationsfonds finanziert wurden, nur drei als erfolgreich einzustufen sind. Von den 36 aus dem staatlichen Investitionsfonds bezahlten Projekten sind das nur zwei.

Die Verluste dieser beiden Fonds betragen für die beiden Jahre 25, 5 Milliarden Tenge. Diese Zahlen sollen keinesfalls mit Häme genannt werden, sondern die Kompliziertheit demonstrieren, die besteht, um auf den gewünschten Innovationspfad einzuschwenken.
Nun also soll ein neuer Anlauf genommen werden: der „Fünfjahresplan der beschleunigten industriell-innovativen Entwicklung“ wurde formal am 1. Januar gestartet, dokumentenseitig Anfang Februar. Hierauf bezieht sich auch der oben genannte Zuwachs an Dokumenten, also an geduldigem Papier.

Damit niemand an der Ernsthaftigkeit der Absichten der staatlichen Organe zweifelt, wurde viel Papier beschrieben, diesmal jedoch augenscheinlich koordiniert. Das „große“ Innovationsprogramm wird flankiert von dem Programm „Produzent 2020“, von dem Programm „Export 2020“, von dem Programm „Investor 2010“. Überall stecken bedeutende staatliche Mittel drin, die zu einem Großteil aber erst über den Kapitalmarkt beschafft werden sollen. Außerdem wurde im Dezember letzten Jahres zur Unterstützung des Programms ein spezieller Vertrag mit 14 hiesigen Banken unterschrieben. Das ist bei der gegenwärtig doch ziemlich desolaten Lage des Bankensektors an sich schon eine beachtliche Leistung.

Fixiert sind auch die Wirtschaftszweige, die die Loslösung Kasachstans von dem Rohstoffsektor bewirken sollen. Dazu gehören insbesondere die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Biotechnologie, die Nutzung erneuerbarer Energieträger und die Raumfahrtindustrie. Das sind Wirtschaftszweige, die man heute allgemein unter „progressiv“ verbucht. Zweifelsohne gibt es in diesen Bereichen noch eine ganze Menge Entwicklungspotentiale. Vor allem die Nutzung regenerierbarer Energiequellen befindet sich in der Anfangsphase eines langfristigen Innovations- und Entwicklungszyklus. Andererseits scheint der Innovationszyklus der Informations- und Kommunikationstechnologien seinen Horizont schon erreicht zu haben, zumindest auf der Basis der heute bekannten und genutzten technologischen Grundprinzipien.

Es kann sehr leicht sein, dass man auf das falsche Pferd setzt, was man bei Innovationen nie genau weiß. Vielleicht ist es auch so, dass diejenigen, die die staatlichen Entwicklungsprogramme erstellt haben, einen ganz großen Technologie-Joker im Ärmel haben, der den neuen Schwung bringt. In den anderen Sektoren ist das Entwicklungspotential noch sehr groß, allerdings gilt das auch für den Abstand Kasachstans zum internationalen Niveau. Und die Konkurrenz schläft nicht.

Ein Problem, das im vorliegenden Dokumentendschungel nicht gelöst wird, ist die unzureichende Bereitschaft der Unternehmen, sich die staatlichen Programme als Richtschnur des Handelns zu nehmen. Dafür kann man eine Reihe von Einzelerklärungen heranziehen, die sich möglicherweise auf den gemeinsamen Nenner „Misstrauen“ bringen lassen. Viele Unternehmer sind in der Vergangenheit ganz einfach zu oft auf die Nase gefallen – sei es durch wenig durchdachte Handlungen des Staates, sei es durch Korruption.
Ohne die Auflösung des Misstrauens wird es vielleicht doch wieder nur einen Papiertiger geben, der sich im Dokumentendschungel versteckt.

Bodo Lochmann

05/03/10

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