Energiequellen liegen überall. Man muss sie nur finden: Forscher tüfteln deshalb an „Wolken-Kraftwerken“ und Solar-Straßen. Früher wurden sie dafür belächelt – doch vielleicht produzieren ihre Erfindungen den Strom von morgen. Denn die Energie der Zukunft kommt vor allem aus guten Ideen.

/Bild: jugendfotos.de. ‚Ein Wolkenkraftwerk mit Lenkdrachen würde viel mehr Strom erzeugen als Windparks und Atomkraftwerke.’/

Er legt den Kopf in den Nacken, richtet den Blick in die Wolken, die Augen zusammengekniffen. „Stellen Sie sich vor“, schwärmt Wubbo Ockels, und dreht langsam den Kopf zurück. „Stellen Sie sich vor, wie viel Energie über unsere Köpfe hinwegzieht.“ In den Wolken, hoch oben, gibt es hundert mal mehr Windenergie, als die Menschheit überhaupt braucht. Bisher rauscht sie dahin. Jede Sekunde. Einfach so. Ungenutzt. Eigentlich, findet Ockels, sei das eine Verschwendung. Wubbo Ockels ist Physiker, und mit großen Höhen kennt er sich aus. Er war vor 26 Jahren der erste Holländer im Weltall. Heute tüftelt er mit seinem Team an der Universität von Delft in den Niederlanden an einem Strom-Kraftwerk der Zukunft: Sie wollen Lenkdrachen aufsteigen lassen, und damit die Höhenwinde einfangen.

Immer wieder belächelt

Wubbo Ockels träumt davon, sagte er einmal, Lenkdrachen zehn Kilometer hoch steigen zu lassen. Normale Windräder sind heute höchstens zweihundert Meter hoch. Sie kratzen nur an den Möglichkeiten, die der Himmel bietet. Man könnte es den Jojo-Effekt nennen, den Ockels deshalb perfektioniert hat. An einem langen Seil steigt der Kite auf. Wenn das Kabel ganz von der Spule abgewickelt ist, dreht sie sich weiter und der Drachen wird wieder zurückgeholt. Durch das Auf- und Abwickeln dreht sich die Trommel, ein angeschlossener Generator erzeugt daraus Strom. Wie ein Fahrraddynamo. Sogar ganze Drachen-Schwärme könnten in den Himmel über Holland steigen. Aneinander gereiht würde ein „Wolkenkraftwerk“ entstehen, das Strom produziert. Viel mehr als Windparks und Atomkraftwerke bisher, weil die Höhenwinde immer konstant sind. Viel günstiger, zwischen ein und vier Cent pro Kilowattstunde. Und: viel sicherer, denn Drachen gefährden die Umwelt nicht.

Vor vierzehn Jahren schon hat er die Drachen als Patent angemeldet. Damals sprach noch kaum einer über Klimawandel oder ein Ende der Atomkraft. Ockels und andere Forscher, die ähnliche Ideen hatten, wurden immer ein wenig belächelt, man wendete sich schmunzelnd anderen Dingen zu. Heute werden Projekt wie seines von den Regierungen gefördert. Denn man hat erkannt, dass der Strom nicht aus der Steckdose kommt. Wer darum zur Quelle will, sollte Leute wie Ockels aufsuchen. Denn die Energiequellen der Zukunft liegen überall. Mann muss sie nur erkennen. Und entwickeln. Der Holländer steht dafür als Beispiel. Gute, auch abwegige erscheinende Ideen seien gefragt, sagen Experten.

Lösungen gibt es oben und unten

Der Strom der Zukunft kommt aus diesen Ideen. Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert untertitelte ihr Buch dazu „Innovation statt Depression“ – weil Europa Ideen nicht nur für die Energieversorgung brauche, sondern auch für die Wirtschaft. In Innovationen stecken Einnahmen, Arbeitsplätze und Wohlstand. Der Strom der Zukunft kann dann aus den Wolken kommen, der Erde, dem Meer, dem Wasser, von der Sonne.

Nicht erst seit das Erdbeben in Japan ein Atomkraftwerk zerstörte und deshalb die Versorgung in einem ganzen Land zu kollabieren droht, ist klar: Strom muss an vielen Orten entstehen. Große, zusammenhängende Netze – und wenige Energiequellen – „reagieren empfindlich in kritischen Situationen“, erklärt Energie-Experte Heini Glauser in der Schweizer „Wochenzeitung“. Und der Verband der Elektrotechnik VDE schrieb vor vier Jahren schon: Wichtiger würden „dezentrale Systeme, die Solar, Wind und Biogas einbinden“. Der Forscher Wubbo Ockels hat dafür nach oben, in den Himmel geblickt. Gerritjan Valk und seine Kollegen haben unten gesucht, am Boden. Valk und andere Forscher haben getüftelt, an einem Radweg, der Energie liefert. Ihre Idee sprüht wie die der Lenkdrachen vor Kreativität – und ist ein Beispiel für Energieerzeugung vor Ort.

Sonnen-Straßen als Energielieferant

Krommenie ist ein kleines Dörfchen, nicht weit von Amsterdam in Nord-Holland. Es gibt langgezogene, ebene Straßen hier. Und bald den ersten „Sonnen-Radweg“ der Welt, wie Forscher und Lokalpolitiker nicht ganz ohne Stolz bemerken. Hier sollen 2012 die ersten hundert Meter Solar-Straße fertig sein. In die Wegdecke werden Solarzellen eingelassen. Aus Sonne, die auf den Belag fällt, wird Strom, mit dem die Häuser am Straßenrand versorgt werden könnten, Ampeln blinken oder Straßenlampen leuchten. Lange Leitungen fallen weg, der Strom wird vor Ort verbraucht. In den Niederlanden gibt es rund 15.000 Kilometer Radwege – eine gigantische Oberfläche, die bereits verbaut ist. Warum, fragen die Entwickler, sollte man diese nicht nutzen, statt neue Solarparks zu bauen. In Holland könnten so pro Quadratmeter Straße fünfzig Kilowatt-Stunden Strom produziert werden – in Südeuropa, wo die Sonne brennt, würden „Solar-Roads“ noch mehr produzieren. Mit einem Radweg beginnen sie um die Belastungen zu messen, die beste Oberfläche zu entwickeln. In ein paar Jahren könnten dann Straßen, Autobahnen, Parkplätze zu Sonnen-Straßen werden.

Dieser Artikel entstand im Rahmen der Bewerbung um die Teilnahme an der V. Zentralasiatischen Medienwerkstatt (ZAM). Die ZAM findet vom 22. bis 26. August in Almaty statt und wird vom Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) und dem Goethe Institut veranstaltet.

Von Benjamin Dürr

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