Warum jeder Jurist auch im Fachbereich Völkerrecht geschult sein sollte und warum diese Disziplin in der juristischen Ausbildung Kasachstans eine wichtige Rolle spielt: Über diese Themen sprach DAZ mit der Lehrstuhlleiterin für Völkerrecht an der Abai-Universität Almaty, Dr. Ainur Sabitowa.

DAZ: Ainur, Sie sind Lehrstuhlleiterin und einziger weiblicher Dr. jur. für Völkerrecht an der Abai-Universität. Welchen Stellenwert nimmt Ihr Fachbereich innerhalb der juristischen Hochschulausbildung Kasachstans und Zentralasiens ein?

Dr. Sabitowa: Unsere Fakultät für Völkerrecht wurde in dieser Ausrichtung erst im Jahre 1992 an der Abai-Universität gegründet, inmitten der ersten schwierigen Jahre der Unabhängigkeit unseres Landes. Kürzlich feierten wir das 20-jährige Gründungsjubiläum unseres Lehrstuhls, wozu eine Reihe von Festakten und Veranstaltungen mit vielen führenden Wissenschaftlern für Völkerrecht stattfanden.

Ziel unserer Arbeit am Lehrstuhl ist die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte und damit junger Nachwuchsjuristen für unser Land. Unsere Studierenden befassen sich während des Studiums nicht nur mit Internationalem, sondern auch mit Nationalem Recht verschiedener Staaten sowie dem Europa-Recht. Außerdem haben die Studenten die Möglichkeit, mehrere Fremdsprachen im Studium zu lernen, die sie selbst auswählen können. Darin sehe ich auch die Besonderheit unserer Fakultät. Eine unserer wichtigsten Aufgaben ist die Anerkennung unserer juristischen Fachkräfte im Ausland, vor allem von Juristen für Völkerrecht.

Es ist bekannt, dass Kasachstan ein Mitglied in der UNO ist und bereits eine Vielzahl an internationalen Verträgen unterzeichnet und ratifiziert hat. Damit nehmen wir auch eine Reihe an neuen Verpflichtungen auf uns, denn die Umsetzung dieser Verträge findet hier in den Rechtsorganen Kasachstans statt. Das betrifft zum Beispiel die Implementierung internationaler Gesetzesnormen. Deswegen halte ich es für außerordentlich wichtig, dass jeder Jurist unabhängig von seiner Spezialisierung sich im Völkerrecht auskennt. Wir wissen, dass es im Rechtssystem Kasachstans noch einige Herausforderungen gibt, vor allem was die Umsetzung von Völkerrecht angeht.

Wir Lehrkräfte an der Fakultät sehen diese Aufgabe als Mission an, für die wir uns engagiert einsetzen. Mit Unterstützung unseres kompetenten Lehrpersonals an der Fakultät gelingt uns dies auch sehr gut: Einer unserer Mitarbeiter ist Prof. Salahidden Sabikenow, der für seine Verdienste mit der Sokrates-Medaille der Universität Oxford ausgezeichnet wurde. Prof. Sabikenow hat mit seiner Arbeit maßgeblich die Entwicklung und Förderung der Jurisprudenz und des Internationalen Rechts in Kasachstan geprägt. Zudem gehören renommierte Wissenschaftler wie der Diplomat Kairat Isagalijew und die Inhaberin des Präsidialstipendiums „Bolaschak“ Aijm Tleuschanowa zu unserem Kollektiv.

Besteht auch ein Austausch mit deutschen Wissenschaftlern, mit denen Sie zusammenarbeiten?

Die Zusammenarbeit im Bereich des Völkerrecht wird üblicherweise in Form eines wissenschaftlichen schriftlichen Austauschs sowie mittels eines Erfahrungsaustauschs mit verschiedensten wissenschaftlichen Schulen dieser Disziplin angeregt.

Ich selbst bin Mitglied der Assoziation für Völkerrecht mit Sitz in London (ILA) und deren Tochtergesellschaft in der Russischen Föderation. Unsere Kooperation mit Deutschland ist vor allem dank des DAAD-Programms in Kasachstan und der damaligen DAAD-Leiterin für Zentralasien, Eva Portius, initiiert worden. Mit ihrer Unterstützung konnten wir Prof. Theodor Schilling von der Berliner Humboldt-Universität als Gastdozenten für unsere Lehrveranstaltungen gewinnen. Professor Schilling ist ein renommierter Experte auf dem Gebiet des Völkerrechts mit langjähriger Erfahrung im EU-Gerichtshof.

In welcher Sprache werden die Veranstaltungen für Völkerrecht abgehalten?

Die Lehre findet in drei Sprachen statt: Zum einen in der Staatssprache Kasachisch, zum anderen in Russisch als der Sprache der zwischenethnischen Kommunikation sowie in Englisch als „Lingua Franca“. Unser Rektor Prof. Serik Pralijew gründete eine neue Gruppe von Wissenschaftlern für Völkerrecht, innerhalb derer alle Veranstaltungen in Englisch stattfinden.
Wir laden zahlreiche Partner aus der GUS sowie aus Europa und Nachbarstaaten zu uns ein. Mit seiner Arbeit trägt Professor Serik Pralijew maßgeblich zur Förderung der Zusammenarbeit mit unseren ausländischen Partnern bei. Wissenschaftler aus Russland, der Ukraine, Aserbaidschan waren bei uns zu Gast, wie zum Beispiel der russische Jurist Revol Walejew, Rustam Mamedow von der Universität Baku, Prof. Leonid Timtschenko aus der Ukraine u.v.a.

Mit den Partneruniversitäten im Ausland sind bereits Kooperationsverträge unterschrieben worden, z.B. zum Thema des Doppelabschlusses. Ich halte es für sehr wichtig, dass unsere Universität diese Möglichkeit des Doppeldiploms – der Republik Kasachstan sowie der ausländischen Partneruniversität – anbietet.

Welche Universitäten zählen zu den ausländischen Partnern der Abai-Universität?

Hier möchte ich nur auf die internationale Kooperation unserer Fakultät eingehen. Aktuell wurden drei Kooperationsverträge unterschrieben. Unsere Fakultät unterhält momentan eine enge Zusammenarbeit mit der Universität in Durham, Schottland/Großbritannien. Dank des DAAD-Programms stehen wir außerdem in einem erfolgreichen wissenschaftlichen Austausch mit Professoren der Freien Universität Berlin (FU Berlin). Zwar warten wir noch auf eine endgültige Antwort, aber es bestehen gute Aussichten auf eine zukünftige Zusammenarbeit.

Eine Auseinandersetzung mit der Thematik „Völkerrecht“ ist meines Erachtens auch eng mit Interkultureller Kommunikation und Interkultureller Kompetenz verbunden. Werden diese Disziplinen an Ihrem Lehrstuhl auch unterrichtet?

Interkulturelle Kommunikation ist ein überaus vielschichtiger und wichtiger Begriff. Das Internationale Recht selbst stellt schon eine Art zwischenstaatlicher Kommunikation dar. Nichtsdestotrotz besteht natürlich zwischen beiden Bereichen eine enge Wechselwirkung. Unsere Aufgabe am Lehrstuhl für Völkerrecht besteht vor allem darin, dass wir in den Lehrveranstaltungen Wissen über die Gesetzgebung verschiedener Staaten sowie Völkerrecht in den Massenmedien vermitteln und sicherstellen, dass die Studenten über fundierte Kenntnisse verfügen.

Welche Möglichkeiten haben Absolventen Ihrer Fakultät nach Abschluss des Studiums in Kasachstan wie auch im Ausland?

Ich möchte bezüglich der Berufschancen deutlich machen, dass alle Absolventen unserer Abai-Universität mit 100%-igem Erfolg auf dem Arbeitsmarkt gefragt sind. Unter unseren Volljuristen für Völkerrecht gibt es eine Reihe von namhaften Beamten, hochqualifizierten Fachkräften und Persönlichkeiten im Staatsapparat. Unsere Absolventen sind als Konsuln, Botschafter im Generalkonsulat Kasachstans tätig, als Direktor der OSZE im Kasachischen Innenministerium usw. Wir wissen genau, dass unsere Studenten gute Perspektiven für ihre berufliche Zukunft haben.

Worin sehen Sie speziell Ihren persönlichen Beitrag zur Arbeit mit den Studenten an der Fakultät für Völkerrecht der Abai-Universität?

Ich bin selbst Absolventin unserer Universität, und deshalb ist diese Hochschule auch meine „Heimatuniversität“. Ich halte mich daher für eine wissenschaftliche Patriotin dieser Einrichtung. 1995 wurde der Lehrstuhl für Völkerrecht hier eröffnet. Insbesondere meine Mutter wirkte auf die Wahl meines Schwerpunkts während des Jura-Studiums hin und beeinflusste mich dahingehend, dass ich Völkerrecht und Fremdsprachen lerne. Zumal Fremdsprachen immer nützlich sind. Jetzt setze ich mich mit aller Kraft dafür ein, als Pädagogin mein erworbenes Wissen an meine Studenten weiterzugeben. Ein Pädagoge sollte generell über Professionalität und Anstand verfügen, hohe kulturelle und geistige Werte schätzen, mit einem Wort: für seine Studenten ein Vorbild sein. Ein wirklicher Pädagoge sollte außerdem seine Arbeit lieben und mit den studentischen Problemen umgehen können.

Das Interview führte Malina Weindl.

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Ainur Sabitowa
Dr. jur. habil., Lehrstuhlinhaberin für Völkerrecht an der Kasachischen Nationalen Pädagogischen Universität „Abai“ in Almaty.

• Hält einen Doktortitel in Jura, Außerordentliche Professorin • Mitglied der Assoziation für Völkerrecht der Russischen Föderation mit Sitz in Moskau • Mitglied der Internationalen Assoziation für Völkerrecht mit Sitz in London und Tochtergesellschaft in Moskau • Dreimalige Auszeichnung mit dem Staatlichen Präsidialstipendium der Republik Kasachstan zur Förderung begabter Jungwissenschaftler

• Wissenschaftlicher Sekretär der Kasachischen Vereinigung für Völkerrecht •

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Die Kasachische Nationale Pädagogische Universität „Abai“ gilt als eine der ältesten Hochschuleinrichtungen Kasachstans und wurde schon vor dem 2. Weltkrieg im Jahre 1928 gegründet. An dieser Hochschule lehrten bekannte sowjetische Wissenschaftler, Vertreter der sogenannten „Intelligenzia“, der Intellektuellenschicht Kasachstans, sowie Persönlichkeiten des gesellschaftlichen und politischen Lebens Kasachstans wie Malik Gabdullin, Sanschar Asfendijarow. Vorlesungen hielten keine Geringeren als Muchtar Auesow und Saken Sejfullin. Präsident Nursultan Nasarbajew bezeichnete auf einem seiner Besuche die Abai-Universität als einen „Hort der Wissenschaft“ Kasachstans.

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