Im Bereich der Deutschlernangebote und der Sprachförderung nehmen die Sprachlernzentren (SLZ) in Kasachstan und Kirgisistan einen besonderen Stellenwert ein. DAZ sprach mit Winfried Berndt, Projektberater für Sprachlernzentren (SLZ) und Deutsche Minderheit am Goethe-Institut.

Herr Berndt, Sie sind im Goethe-Institut tätig, koordinieren aber gleichzeitig als Projektberater die Sprachlernzentren. Was genau ist Ihre Aufgabe?

Der Hauptbereich meiner Arbeit am Goethe-Institut ist die Betreuung und die Koordination der Sprachlernzentren. Diese Zentren arbeiten einerseits als private Einrichtungen selbständig, andererseits fungieren sie als Kooperationspartner des Goethe-Instituts. Meine Aufgabe ist es unter anderem, die Kontakte und Beziehungen zwischen beiden Einrichtungen zu pflegen.
Insgesamt gibt es fünf Sprachlernzentren im Norden und Osten Kasachstans (Kostanai, Astana, Pawlodar, Öskemen und Karaganda) und ein Zentrum in Bischkek, Kirgisistan.
Für die Sprachprüfungen ist der gleiche Rahmen wie für das Goethe-Institut vorgegeben, aber auch der gleiche Unterrichtsstandard. Als Partnerorganisationen organisieren und planen wir gemeinsam Fortbildungen und Projekte, wie z.B. überregionale Fortbildungen, Sommerschulen, Sprachprüfungen und Kulturveranstaltungen an allen Sprachlernzentren.

Wie gestalten Sie Ihre Arbeit im Rahmen der Minderheitenförderung?

Bezüglich der Minderheitenarbeit organisieren wir vom Goethe-Institut mit den SLZ gemeinsame Projekte und bieten sogenannte Außenkurse an, also Sprachkurse, die an weit entfernten Orten außerhalb der SLZ stattfinden. In der Minderheitenarbeit nehmen unsere Sprachassistenten zudem die Aufgabe wahr, mit der deutschen Minderheit Projekte durchzuführen.

Worauf kommt es in diesen Minderheitenprojekten an?

Es existieren unterschiedliche Ansätze, wir wollen aber vor allem die deutsche Minderheit in diese Arbeit einbeziehen und Eigeninitiative fördern. Das geschah z.B. für das Minderheitenprojekt „Spuren aus Kasachstan in Berlin“, das Jugendliche aus der südlichen Provinzstadt Taras teilweise gemeinsam mit deutschen Studenten aus Berlin organisiert und durchgeführt haben.

Mir kommt es auch darauf an, die einzelnen Regionen in meine Arbeit einzubinden. In den Provinzgebieten gibt es nicht so viele Möglichkeiten des Kulturaustauschs mit deutschen Muttersprachlern. Die Jugendlichen untersuchten für das Projekt die Lebenswelten von Menschen in Deutschland, die aus Kasachstan ausgewandert sind. Sie setzten sich mit den historischen und aktuellen Beziehungen zwischen Kasachstan und Deutschland auseinander. Diese Menschen bilden ja eine lebende kulturelle Brücke zwischen Kasachstan und Deutschland. Letztendlich ging es uns in diesem Projekt genau um diese menschlichen Beziehungen. Das Projekt führte im Ergebnis zu einem intensiven Austausch mit der Humboldt-Universität Berlin und anderen Partnern. Manchmal führen wir auch Kulturprojekte wie Konzertreisen deutscher Künstler durch. So war ich im Januar mit deutschen Rap-Musikern u.a. in Shymkent, wo wir voriges Jahr auch ein Informationszentrum mit Literatur und landeskundlichen Medien eröffnet haben.

Jährlich im Frühsommer schreiben wir zudem unser Programm „Jugendaustausch“ aus, an dem sich vor allem Schulklassen beteiligen. Hier geht es darum, ein Projekt zu einem vorgegebenen Thema zu erarbeiten. Die besten Projekte können dann im Rahmen eines Schüleraustauschs in Deutschland und in der Heimat mit deutschen Austauschgruppen umgesetzt werden. Jeweils bis zu 20 Jugendliche haben so die Gelegenheit, die Lebenswelten ihrer Partner kennen zu lernen. Dieses Jahr haben zwei Schulklassen aus Öskemen und Schaschubai bei Karaganda den Wettbewerb gewonnen.

Wodurch unterscheiden sich die Prüfungen in den Sprachlernzentren nach dem Standard des Goethe-Instituts von anderen Bildungseinrichtungen in Kasachstan?

Die Prüfungen werden gemäß dem Europäischen Referenzrahmen durchgeführt und testen die vier Fertigkeiten Hör- und Leseverstehen sowie schriftlicher und mündlicher Ausdruck. Hauptsächlich prüfen wir A1-Prüfungen, also das unterste Sprachniveau. Eine große Zielgruppe sind dabei deutschstämmige Spätaussiedler, die für die Familienzusammenführung ein Visum nach Deutschland brauchen und das A1-Niveau nachweisen müssen. Für höhere Prüfungen, wie B2 oder C1 melden sich überwiegend Studienbewerber und Studierende.
Eine Deutschprüfung für die Studierfähigkeit ist der Test-DaF, der außer in Almaty nur am SLZ Karaganda abgelegt werden kann. Wir sind in der Lage, alle Prüfungen bis zum Niveau C2 durchzuführen. Das entspricht dem sprachlichen Standard eines gut gebildeten Muttersprachlers.

Auf alle Prüfungen kann man sich in unseren SLZ gründlich vorbereiten. Das ist auch angeraten, weil sich das Format der Prüfung von dem System in anderen Bildungseinrichtungen Kasachstans erheblich unterscheidet.

Welchen Stellenwert nimmt Deutsch als Fremdsprache ein und wie bewerten Sie die Chancen und Entwicklungen?

Frei nach dem Spruch: „Englisch ein Muss – Deutsch ein Plus!“ ist es für uns ganz selbstverständlich, dass Deutsch auf dem Platz der zweiten oder sogar dritten Fremdsprache hinter Englisch steht. Es ist absolut nicht sinnvoll, Deutsch in Konkurrenz zu Englisch zu setzen. Viele junge Leute, die ich hier kenne, sprechen bereits Englisch neben ihren Muttersprachen Kasachisch und Russisch. Sie tun sich auch leichter, nach der Fremdsprache Englisch Deutsch zu erlernen. Wenn man Deutsch als Fremdsprache wählt, dann sollte schon eine spezifische Verbindung und starkes Interesse für Deutschland oder deutschsprachige Länder vorhanden sein. Niemand lernt mehr einfach so Deutsch und argumentiert mit dem Ausspruch „Deutsch ist die Sprache Goethes“. Diese Motivation ist nur noch für sehr wenige ausschlaggebend, weil Deutsch zudem auch nicht die einfachste Sprache ist. Zeigt man aber auf, was mit Deutsch als Fremdsprache alles möglich ist, z.B. ein Studium in Deutschland mit hoher Bildungsqualität bei geringeren Kosten als in Kasachstan, steigt die Motivation erfahrungsgemäß.

Seit dem letzten Jahr hatten wir an den Sprachlernzentren außerdem einen Zuwachs an Deutschlernern zu verzeichnen. Bischkek ist momentan mit knapp 1000 Einschreibungen pro Jahr das Sprachlernzentrum mit den meisten Kursteilnehmern. Wir konzentrieren uns nun noch stärker auf die Zielgruppe der Schüler und Studenten, fast überall werden zudem Kinder- und Jugendkurse angeboten. Der Zuwachs gerade in dieser Zielgruppe zeigt, dass Deutsch in Zentralasien nicht zum Untergang verurteilt ist.

Welche Tendenz gibt es momentan in der Auswahl der Unterrichtsmethodik für Deutsch als Fremdsprache?

Es gibt keinen allgemeingültigen Ansatz, der für alle passt. Jeder Mensch ist individuell anders motiviert, eine Sprache zu lernen. Wichtig ist, verschiedene Interessen und Fertigkeiten anzusprechen.

Lehrer sollten sich heutzutage auch mit modernen Medien auskennen, denn das multimediale Lernen und der Zugang zu aktuellen Informationen und Online-Materialien werden in Zukunft immer wichtiger. Mittlerweile nutzen wir auch das sogenannte „Blended- learning“, in dem sich Online-Lerneinheiten und Präsenzphasen abwechseln.

Außerdem sollten interkulturelle Aspekte im Unterricht berücksichtigt werden. Eine Sprache zu verstehen, heißt noch lange nicht, dass man einander wirklich versteht. Spracharbeit darf nie abgeschottet von interkultureller Kommunikation stattfinden. Auch das Thema „Stereotype“, die man zwangsläufig voneinander hat, spielt hier eine wichtige Rolle.

So geht es bei der Landeskunde nicht darum, reines Wissen zu vermitteln, sondern Kompetenzen: Wie bewege ich mich in einer anderen Gesellschaft? Um in Deutschland Erfolg zu haben, ist ein hohes Maß an Eigeninitiative wichtig. Wir erwarten von unseren Lehrkräften, dass sie einen Einblick in die deutsche Gesellschaft und die deutsche Alltagskultur haben. Sie werden in diesen Bereichen geschult und können diese Fähigkeiten gut vermitteln. Viele haben selbst längere Zeit in Deutschland verbracht. Dies trifft so nicht auf alle Lehrkräfte an staatlichen Bildungseinrichtungen zu.

Die Vermittlung eines modernen Deutschlandbildes schließt auch andere deutschsprachige Länder mit ein. Da ich selbst aus der Grenzregion zur Schweiz komme, versuche ich immer auch dieses Potential zu nutzen.

Wie wirkt sich die Arbeit der Sprachassistenten auf den Deutschunterricht in den SLZ aus?

Die Sprachassistenten sind insgesamt für mindestens neun Monate im Land an Standorten mit Sprachlernzentren eingesetzt. Zurzeit unterrichten Sprachassistenten an den SLZ in Kostanai, Astana und Öskemen sowie in Bischkek, Kirgisistan. Allerdings halten sie keine Lehrerfortbildungen, weil nicht alle der Assistenten ausgebildete DaF-Lehrkräfte sind. In der Spracharbeit konzentrieren sie sich überwiegend auf Konversation und landeskundlich-interkulturelle Inhalte.

Der Einsatz der Sprachassistenten lässt jedem einzelnen sehr viel Freiraum für eigene Projekte, eigene Ideen und die Zusammenarbeit mit anderen Kulturmittler-Organisationen vor Ort.

In der Minderheitenarbeit nehmen sie die Aufgabe wahr, mit der deutschen Minderheit Projekte durchzuführen.

Ich halte es für besonders wichtig, dass Sprachassistenten an Orten eingesetzt sind, wo es keine weiteren Muttersprachler gibt. Hier macht sich ihre Hauptaufgabe bezahlt, eine Brücke zwischen Einheimischen und der eigenen Kultur zu bilden.

Für dieses Jahr plane ich mit den Sprachassistenten eine Sommerschule, zu der wir Teilnehmer aus ganz Kasachstan und Kirgisistan einladen: hier wollen wir sowohl Unterricht als auch verschiedene Projekte anbieten, welche die Sprachassistenten gemeinsam mit jungen Studieninteressierten durchführen.

Der methodische Ansatz dahinter ist, dass man nicht nur zusammen arbeitet, sondern miteinander lebt, sich „erlebt“.

Dieses Miteinander von Deutschlernern und Muttersprachlern schult die Sprachfertigkeiten und die interkulturelle Kommunikation viel stärker als Frontalunterricht in der Klasse.

Ein Erfolgsindikator des Programms ist auch, dass die meisten Sprachassistenten nach ihrem Aufenthalt wieder nach Zentralasien zurückkehren und erneut im Rahmen von Bildungsprojekten tätig sind.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Malina Weindl.

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