Investitionen in das Grundkapital eines Landes sind der Motor einer stabilen wirtschaftlichen Entwicklung. Natürlich ist es nicht egal, wohin die Investitionen gehen: eine optimale Struktur nach Arten des Sachkapitals, nach Wirtschaftszweigen und nach Regionen sind ebenso notwendig, wie der bloße quantitative Umfang des Investitionsvolumens.

Als Ausweis einer guten Investitionstätigkeit ist es international üblich, sich an bestimmten Orientierungswerten auszurichten. So ist für entwickelte Industriestaaten ein Investitionsvolumen von etwas über 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), für Schwellenländer von 27 bis 28 Prozent und bis 30 Prozent für Entwicklungsländer üblich. Für Kasachstan, das sich entwicklungsseitig doch irgendwie zwischen diesen Kategorien befindet, kann man etwa 25 Prozent als Orientierungswert annehmen.

Der große Investitionsboom in Kasachstan hat mit dem Steigen der Erdölpreise begonnen: 1998 betrug dieser nur etwa zehn Dollar pro Barrel. Er stieg zunächst auf eine Größe von 25 Dollar pro Barrel an, was zumindest die Selbstkosten deckt, und im weiteren Verlauf sogar noch darüber hinaus, sodass er jetzt Gewinne abwirft. Zeitlich war diese Grenze etwa 2000 bis 2001 erreicht, und in dieser Zeit begannen auch die Investitionen auf das Normalmaß von anfangs 20 Prozent, später auf bis zu 30 Prozent zu steigen. Der Investitionsboom war für den Normalbürger durchaus auch in den Großstädten sichtbar: angefangen von der Instandsetzung vieler Straßen, die sich in erbärmlichem Zustand befanden, bis zum massenhaften Bau von Wohnungen. Dieser endete allerdings in einer Bauboomblase, von der sich der Bankensektor bis heute nicht erholt hat.

In den letzten drei Jahren hat sich die Investitionstätigkeit hierzulande drastisch verringert. Wenn im Krisenjahr 2008 das Investitionsvolumen real (also nach Abzug der Inflation) noch um 4,6 Prozent gestiegen ist, sank es im vergangenen Jahr auf minus 0,5 Prozent. Die Gesamtinvestitionsquote hat sich damit auf 18,3 Prozent reduziert, sie liegt also weit unter der für eine nachhaltige Wirtschaftsentwicklung notwendigen Größe. Da sich das Volumen der ausländischen Direktinvestitionen in den letzten Jahren nicht verringert hat, ist die Ursache für den Investitionsrückgang also bei der Investitionsbereitschaft der hiesigen Unternehmen zu suchen. Die Investitionen der eigenen Wirtschaft bilden in einer gesunden Wirtschaft immer den Hauptteil der Gesamtinvestitionen; Auslandsinvestitionen sind in mehr oder weniger großem Umfang eher willkommene Beigabe. Die Gründe für die Investitionszurückhaltung hiesiger Unternehmen sind dabei leicht auszumachen: der Bankensektor steckt nach der selbstverursachten Immobilienkrise in den Jahren 2007 bis 2008 immer noch im Jammertal. Der Anteil verlorener und zweifelhafter Kredite ist nach wie vor enorm hoch, und auch wenn die Geschäftsbanken über entsprechende Finanzmittel verfügen, ist ihre Kreditvergabe überaus vorsichtig geworden. Das spüren dann die durchaus investitionswilligen Unternehmen, die entweder gar nicht oder nur sehr schwer an Kredite herankommen.

Bliebe vielleicht noch der Staat als Investor. Dessen Finanzlage ließe durchaus ein größeres Investitionsvolumen zu. Die Staatsverschuldung Kasachstans hat gerade mal 15 Prozent vom BIP erreicht (zum Vergleich: Deutschland über 80 Prozent), man könnte über eine moderate Erhöhung der Staatsausgaben also durchaus eine Belebung der Investitionstätigkeit erreichen. Doch weiterem staatlichem Engagement stehen natürlich andere ernsthafte Argumente gegenüber, die vor allem mit der Eigenverantwortung von Unternehmen und den unzureichenden Managementqualitäten staatlicher Stellen in der Marktwirtschaft zu tun haben. So hat zum Beispiel das „Programm der industriell-innovativen Entwicklung der Republik Kasachstan“, das sich nun schon seit fast zehn Jahren in der Umsetzungsphase befindet, zwar viel staatliches Geld gekostet, eine Hinwendung zur Diversifizierung der Wirtschaft ist aber nicht eingetreten. Im Gegenteil: der Anteil des Rohstoffsektors, der bei Start des Programms etwa 50 Prozent der Industrieproduktion betrug, liegt jetzt bei 63 Prozent. Zwar wächst die Wirtschaft Kasachstans insgesamt, ganze Wirtschaftzweige aber stagnieren oder befinden sich in einer Depression.

Ohne einen gesundeten Bankensektor wird sich die Gesamtsituation im Investitionsbereich auch nicht ändern.

Bodo Lochmann

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