Auslandssemester oder Praktika in Amerika, England, Australien oder Schweden stehen bei deutschen Studenten und Absolventen beinahe schon auf der Tagesordnung. Ein halbes Jahr in Kasachstan zu verbringen klingt da schon ein wenig exotisch. Die 24-Jährige Hanna und die 23-Jährige Valeria sind Praktikantinnen beim Goethe-Institut in Almaty und erzählen im Interview mit der DAZ von ihrer Arbeit und davon, was ihnen während ihrer Zeit hier ans Herz gewachsen ist.

/Bild: privat. ‚Valeria Lapin (rechts) und Hanna Zintel leiten die Diskussionsrunde nach dem Film „pingpong“. ‚/

Was sind eure Aufgaben als Praktikantinnen des Goethe-Instituts (GI)?

Hanna: Ich bin in der Kulturabteilung tätig und dort hauptverantwortlich für die Homepage des Goethe-Instituts. Das heißt, ich habe Artikel über die Arbeit des Goethe-Instituts verfasst sowie andere interessante Artikel über Kunst und Gesellschaft in Deutschland mit der Seite verknüpft, insgesamt also einiges neugestaltet. Außerdem habe ich den Facebook-Auftritt des GI angelegt. Zusammen mit Valeria und Viktoria, einer weiteren Praktikantin des Goethe-Instituts, habe ich auch den Filmclub organisiert, in dem deutschsprachige Filme, gezeigt werden. Wir waren dabei in Eigeninitiative für die Auswahl der Filme, die Vorbereitung und die Durchführung von insgesamt zehn Filmabenden zuständig. Die anschließende Diskussion mit den Besuchern über den Film und darüber hinausgehende Themen waren jedes Mal sehr spannend.

Valeria: Wie Hanna bereits sagte, haben wir zusammen den Filmclub organisiert, der nun aber erst einmal in die Sommerpause geht. Vor allem arbeite ich in der Sprachabteilung des Instituts und habe mich zuerst mit der Redaktion und dem Layout für den Rundbrief Nr. 8. „Deutsch in Kirgisistan 2011/12“ beschäftigt. Dies ist ein Sammelwerk mit Beiträgen verschiedener deutscher Institutionen wie beispielsweise des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) oder der Zentralstelle für das Auslandsschulwesen (ZfA) zu verschiedenen Themen im Bereich Deutsch als Fremdsprache. Seit April bin ich nun mit dem Rundbrief Nr. 19. „Deutsch in Kasachstan 2011/12“ beschäftigt. Meine Aufgabe ist es, die eingehenden Texte, Korrektur zu lesen, zu formatieren und zu einem Ganzen zusammenzufügen.

Ihr seid beide hier über das Freiwilligen Programm „kulturweit“, ein Projekt des Auswärtigen Amtes und der Deutschen UNESCO Kommission ev. Was ist das genau für ein Projekt, und wie habt ihr euch darum beworben?

Hanna: „kulturweit“ ist ein internationaler kultureller Freiwilligendienst, der jungen Menschen aus Deutschland eine intensive Auslandserfahrung ermöglicht. Die Einsatzstellen befinden sich in unterschiedlichen Regionen wie beispielsweise Afrika, Lateinamerika oder auch den GUS-Staaten, für die ich mich beworben habe. Für die Bewerbung ist ein Motivationsschreiben erforderlich, in dem unter anderem die Wahl der Region, die Gründe für den Wunsch, ins Ausland zu gehen, sowie die Erwartungen an den Freiwilligendienst begründet werden müssen.

Valeria: Neben der finanziellen Unterstützung für Verpflegung, Unterkunft und Flug ist auch ein pädagogisches Begleitprogramm Teil des Freiwilligendienstes. Dies beinhaltet Seminare vor, während und nach dem Auslandsaufenthalt. Verschiedene Organisationen in den Einsatzländern nehmen an dem Programm teil, zum Beispiel der DAAD, das Deutsche Archäologische Institut (DAI), der Pädagogische Austauschdienst (PAD) und natürlich das Goethe-Institut.

Warum habt ihr euch genau für diese Region und speziell für das Goethe-Institut beworben?

Hanna: Ich habe mich für das Goethe-Institut beworben, da die Arbeit an einem Kulturinstitut im Ausland perfekt zu meinem Studium der Kulturwirtschaft passt. Da mein Schwerpunkt im Studium auf Ostmitteleuropa liegt, war auch die Wahl der Region für mich naheliegend. Und nicht zuletzt wollte ich mein Russisch verbessern.

Valeria: Ich studiere Deutsch als Fremdsprache und wollte daher etwas in diesem Bereich machen. Bei der Vermittlung von Sprachen geht es aber nicht nur um die Sprache an sich, sondern auch um die Kultur. Deshalb ist die Arbeit am Goethe-Institut, das diese beiden Bereiche vereint, sehr interessant für mich. Da Russisch meine Muttersprache ist und ich in Kostanai/Kasachstan geboren wurde, habe ich einen Bezug zur Region.

Die Natur werden sie vermissen, wenn sie wieder in Deutschland sind: Valeria Lapin (links) und Hanna Zintel, Praktikantinnen des Goethe-Instituts.

Fühlst du dich in Deutschland oder Kasachstan wohler?

Valeria: Diese Frage stellt sich mir gar nicht, denn ich fühle mich sowohl in dem einen, als auch in dem anderen Land sehr wohl.

Was war für euch die größte Herausforderung hier in Kasachstan?

Hanna: Für mich ist die größte Herausforderung eindeutig die Sprache. Aber es wird immer besser. Da ich im Vorfeld kaum Vorstellungen über Kasachstan hatte, war es sehr spannend, hier zu leben und zu arbeiten und dadurch dieses fremde Land zu entdecken.

Valeria: Auch wenn ich in Kasachstan geboren bin, so sind doch auch für mich viele Eindrücke neu. Ich war zum Beispiel vorher noch nie in Almaty, da ich die ersten elf Jahre meines Lebens im Norden Kasachstans verbracht habe. Außerdem lebe ich bereits seit über zwölf Jahren in Deutschland und habe nun in vielen Dingen eine andere Sichtweise.

…inwiefern eine andere Sichtweise?

Dadurch, dass ich als Kind nach Deutschland gegangen bin und als junge Erwachsene wieder hierher gekommen bin, sehe ich vieles mit einer gewissen Distanz.

Seid ihr vorher schon viel gereist?

Hanna: Ich bin zwar schon viel in Europa gereist, war aber noch nie länger im Ausland. Da hat mich irgendwann das Fernweh gepackt.

Valeria: Bevor ich nach Kasachstan kam, hatte ich ein Semester in Luxemburg studiert.

Könntet ihr euch vorstellen, nach dem Studium auch im Ausland zu arbeiten?

Valeria: Ja, das könnte ich sehr gut. Vor allem auch in dieser Region. Allerdings zuerst nur für eine befristete Zeit.

Hanna: Für mich gilt dasselbe, es gibt eben doch einige Sachen, die man in Deutschland vermissen würde, wäre man für immer weg.

…was zum Beispiel?

Hanna: An erster Stelle meinen Freund und natürlich meine Familie.

Und andersherum? Was werdet ihr am meisten vermissen, wenn ihr wieder zurück in Deutschland seid?

Valeria: Alles. Kasachstan. Vor allem aber die Natur und die Menschen. Ich empfinde oft ein Freiheitsgefühl, wenn ich in der Natur bin, sie ist noch so unberührt. Nicht für den Menschen gemacht. Es gibt beispielsweise oft keine Wanderwege, so dass, außer dem Müll, die menschliche Note beinah gänzlich fehlt. Außerdem mag ich die Mentalität, die Gastfreundschaft, der Menschen hier. Da fühle ich mich diesem Land sehr nah. Es herrscht ein intensives Gemeinschaftsgefühl, und das empfinde ich als sehr angenehm.

Hanna: Ich werde vor allem die Teigtaschen in den verschiedenen Variationen vermissen (lacht) und natürlich die Menschen und die Natur. Außerdem habe ich hier die Erfahrung gemacht, dass die Privatsphäre, auf die in Deutschland so viel Wert gelegt wird, überbewertet wird. Hier sehe ich nun, nachdem ich mir seit vier Monaten mit Valeria und einem weiteren Mädchen ein Zimmer teile, das es nicht so wichtig ist, einen Platz nur für sich zu haben, wie eben ein eigenes Zimmer. Da wird für mich auch der größte Unterschied zum Leben in Deutschland deutlich: Individualität vs. Gemeinschaftsgefühl.

Das Interview führte Anja Greiner.

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Valeria Lapin, 23 Jahre, studiert Erziehungswissenschaft und Deutsch als Fremdsprache in Jena. Sie ist seit März 2011 in Kasachstan als Praktikantin des Goethe-Instituts in der Sprachabteilung tätig und geht nun Ende Juni für einen Monat nach Bischkek zu einer Sommerschule und Anfang August wieder nach Deutschland.

Hanna Zintel, 24 Jahre, kommt aus Passau und hat Kulturwirtschaft studiert. Nach über fünf Monaten in Zentralasien wird sie Anfang August wieder nach Deutschland zurückkehren. Dort will sie entweder einen Master in Kulturmanagement oder ein Volontariat beginnen. Sicher ist jedoch, dass sie im nächsten Jahr, gemeinsam mit Valeria, wieder nach Kasachstan reist. Doch dann nur, um Urlaub zu machen.

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