Drei Redakteure des Hamburger Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL widmen sich in ihrem Buch „Operation Rot-Grün“ der Ära Schröder – eine Regierungszeit, die mit Euphorie begann und nun im Desaster zu enden scheint.

Drei Redakteure des Hamburger Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL widmen sich in ihrem Buch „Operation Rot-Grün“ der Ära Schröder – eine Regierungszeit, die mit Euphorie begann und nun im Desaster zu enden scheint.

Noch ist unklar, ob die für den 18. September angekündigten Bundestagswahlen überhaupt stattfinden werden. Doch dies scheint in Deutschland niemanden mehr zu stören. Die Wahlkampfmaschinen, die einen Kaltstart hinlegen mussten, laufen auf Hochtouren. Die Zahl der Unentschlossenen ist nach wie vor sehr groß, daher sind alle Umfragen mit Vorsicht zu genießen. Dennoch scheint eines unabweislich klar zu sein: Eine rot-grüne Mehrheit im Bundestag wird es nach den Wahlen nicht mehr geben. Der Wahlkampf des Kanzlers ist in Wahrheit eine Abschiedstournee.

Doch noch bevor das Stück wirklich zu Ende und der Vorhang gefallen ist, wird allenthalben Bilanz gezogen. Was war das für eine Vorstellung, die da seit Schröders triumphalem Wahlsieg 1998 geboten wurde? Diese Frage haben nun auch drei Redakteure des Hamburger Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL beantwortet. Auf 320 spannenden Seiten zeichnen sie im Licht der Ereignisse das Sittengemälde einer Regierungszeit, die mit Euphorie begann und nun im Desaster zu enden scheint.

Die Arbeit der rot-grünen Regierung mag jeder nach seinen politischen Präferenzen bewerten. Für die einen ist der Atomausstieg das Ende eines Alptraums, für andere nur die Ausgeburt naiver Technikfurcht. Die einen sehen in der Einführung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften das Ende einer Heuchelei, die anderen das Ende des Abendlandes. Doch derartige Meinungshuberei ist ebenso fruchtlos wie langweilig. Die Verpflichtung zur kritischen Distanz führt in diesem Buch zu einer viel spannenderen, schon fast wissenschaftlichen Fragestellung: Was waren die Faktoren, die diese Koalition in ihrem Handeln bestimmten? Was waren die strukturellen Probleme, die zum Scheitern führten? Zwischen all den journalistischen Szenerien, den Insider-Geschichten und etwas tratschigen Details ist es diese Fragestellung, die den Leser bei der Stange hält.

Die erste und einleuchtende Antwort lautet: Die rot-grüne Regierung hatte nie einen klaren Wählerauftrag und daher auch nie eine klare Strategie. Dieses programmatische Vakuum konnte sie mit Leerfloskeln wie der Rede von der „neuen Mitte“ übertünchen oder im Stress außenpolitischer Krisensituationen wie der Kosovokrise oder des Irak-Krieges verbergen. Aber Schröders Versuch, diese offene Frage mit der Agenda 2010 zu beantworten, kam zu spät, zu wenig überzeugend. Mehr noch: Gerade  im Moment der programmatischen Klarheit riss der Faden zwischen den Wählern und der Regierung endgültig. Die sozialdemokratischen Wähler streikten, und schließlich fiel die SPD-Hochburg Nordrhein-Westfalen. Diese Niederlage löste schließlich die Neuwahlen aus.

Die Anpassungen an das globale ökonomische Umfeld können offenbar nur unter äußerst seltenen Bedingungen von sozialdemokratischen Regierungen geleistet werden. Blairs schier endloser Erfolg ist in diesem Punkt ein hilfreicher Vergleichspunkt. Alle Liberalisierungen hatten die Konservativen längst vollzogen, und selbst die eigene Partei hatte Blair vor seiner Wahl gnadenlos auf Linie gebracht. Hatte Schröder unter diesen strukturellen Bedingungen je eine Chance? Die nun vorliegende Chronologie einer Regierungszeit gibt Anlass, daran zu zweifeln.

Matthias Geyer, Dirk Kurbjuweit und Cordt Schnibben: „Operation Rot-Grün“  DVA-Verlag,  München 2005,  Broschiert EUR 17,90.

26/08/05

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