Der Tenge, Kasachstans Währung, hat zum zweiten Mal in zwei Jahren erneut stark an Wert verloren. Laut der kasachischen Börse (KASE) fiel er am 20. August 2015 von 197 auf 256 Punkte pro Dollar auf ein Allzeittief. Eine solch drastische Änderung kam relativ überraschend und folgte auf die Ankündigung einer „neuen Geld– und Kreditpolitik“ durch die Regierung.

Am 20. August 2015 kündigte der kasachstanische Ministerpräsident Karim Masimov bei einer Kabinettssitzung in Astana den Übergang zu einer neuen Geld– und Kreditpolitik an: Der Währungskurs wurde freigegeben und die Geldpolitik an ein Inflationsziel geknüpft. Dadurch sank die nationale Währung laut KASE um 23% auf ein neues Allzeittief.

Es ist die zweite Abwertung des Tenge binnen kurzer Zeit, und die vierte insgesamt. Die letzte fand im Februar 2014 statt. In Hinsicht auf die dauerhaft niedrigen Ölpreise war eine weitere Abwertung in diesem Jahr für viele Beobachter nur eine Frage der Zeit.

Wie Präsident Nasarbajew mitteilte, wurde diese wirtschaftspolitische Entscheidung auf „Bitten von Geschäfts– und Exportkreisen“ getroffen. Wegen eines zu hohen Wechselkurses waren die kasachischen Waren nicht mehr konkurrenzfähig. Das führe zum Rückgang der Exporte und zu steigender Arbeitslosigkeit.

Laut Nasarbajew hätte es drei Alternativen gegeben: nichts unternehmen, weiter eine langsame Senkung des Tenge im Rahmen des im Juni eingeführten Währungskorridors anstreben (die bisherige Politik der Nationalbank) oder drittens einen schwankenden Kurs des Tenge akzeptieren. Die ersten zwei Lösungen hätten zu größeren Verlusten der Währungsreserven und einem starken Produktionsrückgang geführt, so der Präsident. In den letzten zwei Jahren hatte die Nationalbank laut eigenen Angaben insgesamt 28 Millionen USD für die Stabilität des Tenge ausgegeben.

Kasachstans Einstieg in den Währungskrieg

Wirtschaftsexperten erklären jedoch, dass diese Maßnahme vor allem als eine Reaktion auf den sinkenden Ölpreis und die Abwertungen des Rubels und des Yuans, durch die der Import kasachischer Waren nach Russland und China deutlich teurer wurde, getroffen worden sei. Laut der Nationalbank ist der Export Kasachstans im ersten Halbjahr 2015 um 73% gesunken.

Als größter Ölexporteur Zentralasiens ist Kasachstan sowohl stark vom Ölpreis als auch vom Weltmarkt im Allgemeinen abhängig. Einige Beobachter äußerten in der lokalen Presse dennoch ihre Kritik an Kasachstans Reaktion.

Für den Wirtschaftsexperten Igor Kindop ist das Haupthindernis für eine effektive Geldpolitik die Abhängigkeit der Nationalbank. Diese steht unter der Aufsicht des wirtschaftlichen Präsidentenapparats und des Finanzausschusses der Regierung.

So kann es keine von der Wirtschaftspolitik unabhängige Währungspolitik geben: „Die Hauptrolle der Nationalbank ist die Kontrolle der Inflation; das Ziel des Staates ist die Förderung und die Gewährleistung des Wirtschaftswachstums“, so Kindop.

„Es ist widersinnig, die Inflation kontrollieren zu wollen, wenn der Staat die Nationalbank mit dem Ziel der Förderung des Wirtschaftswachstums kontrolliert“.

Einige Kommentatoren bezweifeln auch die Freiheit des Währungskurses. Der Unternehmer und Gründer des „Kazakhstan Growth Forum“ Eldar Abdrasakow erklärt, dass dieser nur formal freigegeben wurde. „Das kann man doch an den Währungssprüngen sehen: Der Tenge springt zwischen 215 und 250 je Dollar“, sagt Abdrazakow. „Die Nationalbank hat die Marktliquidität nicht gefördert und der Zinssatz wurde auch nicht geändert.“ Die Situation sei also unverändert, nur mit einem anderen Währungskurs, so der Geschäftsmann.

Wegen dieser Politik haben die lokalen Banken nun Liquiditätsprobleme und können wenige Kredite vergeben, schreibt Sergej Zelepuchin. Der Wirtschaftsanalytiker erklärt, dass einerseits das Ziel der Konkurrenzfähigkeit nationaler Waren erreicht wurde – anderseits verlieren lokale Banken jedoch massiv an Kreditfähigkeit. Auch Eldar Abdrasakow äussert sich kritisch: „Unter Experten gab es zwar Gerüchte über eine baldige Währungsabwertung, aber wenige glaubten an eine so spontane Entscheidung trotz gegenteiliger Verlautbarungen.

Ich finde diese Reaktion unangemessen.“

Die Konsequenzen der neuen Geldpolitik sind im Land unmittelbar spürbar. Vor allem ist das Einkommen der Bürger stark gesunken, worunter auch der Einzelhandel und kleine Unternehmen leiden. Die Dollarisierung der kasachischen Wirtschaft beträgt mit 45% das Doppelte des russischen Werts. Die meisten Bankkredite und Immobiliengeschäfte werden in Dollar abgewickelt, während lokale Gehälter in der Nationalwährung ausgezahlt werden.
Die Entdollarisierung der Wirtschaft steht in Kasachstan schon länger auf der Tagesordnung, auch im Rahmen der eurasischen Wirtschaftsunion. Um den Tenge attraktiver zu machen, sollen zum Beispiel Anlagen in der Nationalwährung einen höheren Zinssatz bekommen und stärkere Garantien vom Staat genießen.

Eine Geste für die Bevölkerung

Im April, als die Abwertung noch weit entfernt schien, bemerkte Nasarbajew: „Die Bürger Kasachstans kennen mich gut genug. Wenn so etwas [eine Abwertung] kommen sollte, werde ich es euch sagen und ich werde euch sagen, wie ihr euch davor schützen könnt.“ Nun, als die Abwertung so schnell kam sollen verschiedene Maßnahmen helfen, ihre Folgen für die Bevölkerung zu begrenzen.

So soll zum Beispiel der Wertverlust von Termineinlagen, die am 18. August existierten, um bis zu einer Millionen Tenge (knapp 3600 € nach neuem Wert) kompensiert werden. Als Bedingung steht, dass die Einlagen mindestens ein Jahr unberührt bleiben müssen. Neben der Entschädigung der Bürger soll somit zudem eine Kapitalflucht und eine Bankenkrise vermieden werden.

Zudem sollen zum Schutz der Bevölkerung auch die Preise von grundlegenden Waren erst einmal unangetastet bleiben. Ein paar Tage nach der Abwertung kontrollierte der Bürgermeister Almatys Bajbek demonstrativ die Preislage auf den Marktplätzen der Wirtschaftsmetropole.

Dennoch wurde das Vertrauen der Bevölkerung erneut geschädigt. Aber vielleicht muss Kasachstan mit dieser Währungspolitik, und dem Streben nach der Unabhängigkeit vom Dollar und vom Ölpreis, lediglich die bittere Pille einer langfristig erfolgreichen Wirtschaftspolitik schlucken.

Dieser Artikel ist zuerst am 14.09.2015 auf dem Nachrichtenportal www.novastan.org erschienen. Wir veröffentlichen ihn mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.

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