Manchmal führen auch oder besonders Umwege und Missverständnisse zum Erfolg. Der Zufall wollte es, dass ich vor einigen Tagen auf dem 10-jährigen Geburtstag einer Rostocker Existenzgründer-Initiative war, für die ich vor neun Jahren die Projektleitung innehatte.

Und das war so: Ich hatte meine Freundin besucht, die in Rostock lebt, und an meinem Abreisetag lag die Feier auf dem Weg zum Bahnhof. Meine Freundin musste eh aus beruflichen Gründen hin, und so ging ich eben mit. Wir kamen etwas zu spät, aber gerade noch rechtzeitig, um in die Begrüßung meines ehemaligen Chefs reinzuplatzen, als er gerade auf mich zu sprechen kam. Dass nämlich nicht nur die Teilnehmer erfolgreich gegründet hätten, sagte er stolz, sondern dass auch aus den Projektmanagern etwas geworden sei. Die Julia Siebert zum Beispiel – Das bin ich! – sei für die GTZ in Kasachstan. „Stimmt ja gar nicht!“ rutschte es mir raus, da ich vollkommen in Urlaubsstimmung, gar nicht auf Geschäftliches aus und somit wenig zurückhaltend war. So was tut man natürlich nicht. Aber mein ehemaliger Chef ist heute noch so schlagfertig wie früher und konterte, dass ich schon damals immer das letzte Wort haben wollte. 1:1.

Ich dachte, „Na, wird er wohl was verwechselt haben, ist ja auch nicht mehr der Jüngste“. Aber – er hatte vollkommen Recht, damals hatte ich tatsächlich vor, für die GTZ nach Kasachstan zu gehen, was ich selbst total vergessen hatte. 2:1. Na, aber ich wollte ihm nicht mehr ins Wort fallen, um einzuwerfen, er hätte besser gesagt, dass ich heute erfolgreich selbständig bin, was ja auch stimmt. Hätte auch viel besser zum Vortragsthema und Anlass der Feier gepasst. Fand ich. Stimmt aber gar nicht, wie sich alsbald herausstellte. Denn viele Leute kamen auf mich zu, um manches über Kasachstan zu berichten oder zu hören. Dass ich nicht für die GTZ in Kasachstan war, sondern für die Bosch-Stiftung in Russland, irritierte kaum und führte dennoch über diesen Umweg zu meiner heutigen Selbstständigkeit. So kam es, dass ich in meinem Urlaubsoutfit, in der entsprechend lockeren Stimmung und ganz ohne Visitenkarten mehr Geschäftsgespräche führte und dabei mehr Spaß hatte als auf anderen Tagungen. Das lag dann wohl an Kasachstan. 3:1.

Die Erfahrung ist nicht so neu. Immer wieder interessiert andere Menschen viel mehr, dass ich in Wladiwostok war als meine sonstigen Kompetenzen, Tätigkeiten, Erfahrungen. Wladiwostok oder Kasachstan – das steht für sich selbst. Das beeindruckt. Oft fragen junge Menschen, wie sie ihre Auslandserfahrungen auf dem Arbeitsmarkt geltend machen können. Mein Tipp: gar nicht groß in Szene setzen; einfach das Land oder die Stadt benennen, am besten einen Ort, der irgendwo im Osten liegt und mit „-stan“ oder „-stok“ endet und nur kurz wie nebenbei erwähnen. Den Rest erledigen die interessierten Zuhörer oder potenziellen Arbeitgeber selbst. Und schwelgen in erlebten und nicht erlebten Erfahrungen mit dem Land. Reden lassen. Wissend dreinschauen, zuhören und ab und zu nicken. Dann klappt es auch mit dem weiteren Kontakt und vielleicht auch mit einem Auftrag oder Arbeitsplatz.

Julia Siebert

05/09/08

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