Der Austausch der unter den ethnischen Deutschen untereinander soll vermehrt im Internet stattfinden. Der gesellschaftliche Dialog der ethnischen Deutschen untereinander wurde schon zu Sowjetzeiten von deutschsprachigen Medien beeinflusst. Glasnost und Perstroika brachten die Wende.

Die teilweiße Rehabilitierung der Angehörigen der deutschen Minderheit, die im August 1941 zur Beihilfe des Faschismus verurteilt wurden, begann erst Mitte der 1950er Jahre. Mit der Verordnung des Präsidiums des Obersten Sowjets der Sowjetunion vom 13. Dezember 1955 wurden die juristischen Einschränkungen aller Deutschen, die sich in der Verbannung befanden, aufgehoben. Seit Ende der 1950er Jahre wurde in kasachischen Schulen ab der zweiten Klasse Deutsch als Muttersprache unterrichtet. Seit 1957 wurden im Radio wöchentlich Sendungen in deutscher Sprache für die Bewohner der Sowjetrepublik Kasachstan ausgestrahlt. Zuerst im Altai, dann in Moskau wurden Zeitungen in deutscher Sprache gedruckt – seit dem 1. Januar 1966 auch in Kasachstan. Die Zeitung „Freundschaft”, welche in Zelinograd erschien, war die zu diesem Zeitpunkt die einzige deutsche Wochenzeitung in der Sowjetunion.

Die Zeitung „Freundschaft“ wurde als Organ der ZK der Kommunistischen Partei Kasachstans gegründet und war das parteiliche Sprachrohr der Sowjetdeutschen. – Kommunistisch im Inhalt, national in der Form. In der Sowjetunion war die Existenz jeder beliebigen Zeitung in einer anderen Form undenkbar.

Das deutschsowjetische Presseorgan spielte zweifellos eine große Rolle bei der Entstehung und Weiterentwicklung des Selbstbewusstseins der Russlanddeutschen. In den 1980er und 1990er Jahren, der Zeit der Perestroika und Glasnost, wurden Erinnerungen von Sowjetdeutschen an Deportationen, Trudarmee und erlittene Deskriminierungen aufgrund ihrer nationalen Zugehörigkeit publiziert. Es wurden Themen veröffentlicht, worüber früher niemals geschrieben wurde. Dank der Zeitung fingen die Deutschen an, mehr über ihre tragische Vergangenheit und über die aufsteigende Bewegung zur Wiederherstellung des russlanddeutschen Staatswesens und der Rehabilitation der Russlanddeutschen zu erfahren. Besonders an die Ära Glasnost und Perstroika erinnert sich Journalist und ehemaliger Mitarbeiter Igor Trutanow: „Erst im Jahr 1989 befreite unser Chef Konstantin Ehrlich die Zeitung aus der Vormundschaft der Partei und entferne aus ihrem Titelkopf die hinfällig gewordene Losung über „die Vereinigung des Proletariats aller Länder“. Seit dem 1. Januar 1990 erscheint die Zeitung unter dem Namen „Deutsche Allgemeine Zeitung“. In der damaligen Silversternacht hatte ich Dienst als Empfänger an der Druckmaschine und bewahre diese Ausgabe mit den Unterschriften unseres Redaktionskollegiums bis heute in meinem persönlichen Archiv auf“. Der Journalist gab der „DAZ“ ein Interview zum 40. Jubiläum der Zeitung.

Auch Gerold Belger, ein bekannter kasachisch-deutscher Schriftsteller, talentierter Übersetzer und Literaturwissenschaftler kann sich gut an diese Zeit erinnern. Er betont die besondere Rolle der Zeitung in der Phase der „Wiedergeburt“ der Russlanddeutschen: „Ich erinnere mich noch sehr gut an jene Zeit, als in Zelinograd die deutsche Zeitung gegründet wurde. Ganz im Sinne der Ideologie dieser Zeit gab man ihr den Namen „Freundschaft“. Im Herbst 1965 wurde Alexej Borisowitsch (später Debolskij) aus Moskau nach Kasachstan delegiert, um als zukünftiger Chefredakteur der deutschen Zeitung zu arbeiten. Ich weiß unter welchen Bedingungen alles angefangen hatte, wie das Redaktionskollektiv zusammengesucht und wie unter dem wachenden Auge und der strengen Führung des ZK KP Kasachstans Konzeptionen und Strategien ausgearbeitet wurden. Meine Zusammenarbeit mit der „Freundschaft“ begann 1971 nach der Publikation meines Übersichtartikels zur Literatur der Russlanddeutschen im Journal „Prostor”.Nach dem Aleksej Schmelew meinen Artikel gelesen hatte, schickte er einen Korrespondenten aus Almaty, mit dem konkreten Ziel, herauszufinden, wer ich sei, woher ich komme, was ich mache und ob ich bereit wäre, mit der Zeitung zusammenzuarbeiten. So bin ich damals als Übersetzer kasachischer Prosa ins Russische an meinen Posten gekommen. In mir erwachte meine verstummte deutsche Ader. Ich war mit allen unseren glorreichen Vätern bekannt – den Gründern der Geschichte, Kultur und Literatur der Russlanddeutschen: A.Henning. B.Klein, F.Bolger, D.Golman, A.Reimgen, D.Wagner, A.Saks, R. Jaquemien, K.Belz, G.Henke, L.Marx, G.Kempf, E.Koptschak, B.Feist, E.Katzenstein, E.Günter, G.Anzengruber, E.Hummel, A.Hasselbach, N.Wakker… Ich nenne die, die nicht mehr unter den Lebenden weilen und die die heutige Generation der Russlanddeutschen, zu unserem großen Bedauern, nicht mehr kennt. Was das für Leute waren! Wie sie für die nationale Kultur eingestanden sind! Mit was für einem Enthusiasmus sie mit den Zeitungen „Neues Leben“ (Moskau), „Freundschaft“ (Zelinograd) und „Rote Fahne“ (Altaj) zusammenarbeiteten.

Nach wie vor ist die „Deutsche Allgemeine Zeitung“ (DAZ) heute den Interessen der deutschen Minderheit in Kasachstan verpflichtet. Als einzige deutschsprachige Zeitung in der Region Zentralasiens, berichtet sie über gesellschaftliche und kulturelle Veranstaltungen, die von der Assoziation gesellschaftlicher Vereinigungen der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“, der Völkerversammlung Kasachstans sowie Landsleuten im Ausland durchgeführt werden. Auch das Modell des interethnischen und interreligiösen Übereinkommens steht im Fokus der Zeitung.

Hauptsächlich besteht der Leserkreis der DAZ aus Angehörigen der deutschen Minderheit. Er wächst allerdings stetig, denn die Zeitung hat sich mit der Zeit verändert und ihre Themen sind auf ein breiteres deutschsprachiges Publikum ausgerichtet.

Heute ist Kasachstan ein sich rasend entwickelndes Land mit einer stabilen Wirtschaft und einem vorteilhaften Investitionsklima. In der Republik lässt sich eine steigende Aktivität deutscher Konzerne beobachten. Durch die dynamisch ansteigene Anzahl der Unternehmer, Touristen und Studenten aus Deutschland erweitert sich dementsprechend die Anzahl potentieller Interessenten. Die Zeitung bietet Artikel in russischer sowie auch in deutscher Sprache an.

Seit 2000 wird die Deutsche Allgmeine Zeitung auch auf elektronischem Wege veröffentlicht, nämlich auf der gleichnamigen Internetseite (www.deutsche-allgemeine-zeitung.de). Dank der stetigen Aktualisierung der Homepage, können unsere Landsleute, die im Ausland leben, vor allem in Deutschland, die Tätigkeiten und Ereignisse in der Assoziation der gesellschaftlichen Vereinigung der Deutschen Kasachstans, sowie der deutschen Firmen und Organisationen verfolgen. Durch die Weiterentwicklung der Telekommunikation und die Versorgung eines Großteils der Bevölkerung Kasachstans mit einem Internetzugang ist es nun den Deutschen in Kasachstan möglich, ihre elektronische Informationssphäre zu erweitern.
Einige der Deutschen Gesellschaften „Wiedergeburt” haben bereits ihre eigene Homepage.
Laut Olga Litnewskaja, stellvertretende Vorsitzende der Gesellschaft der Deutschen in Pawlodar, vereinfachen diese Internetseiten die Kommunikation. Es ist nun einfacher etwas über die Arbeit und die Möglichkeiten der einzelnen deutschen Gesellschaften zu erfahren. „Außerdem hilft die Vernetzung bei der Zusammenarbeit mit den Behörden und der Verwaltung, insbesondere mit der Versammlung der Völker Kasachstans“, zählt Litnewskaja die Vorteile der neuen deutschen Informationssphäre auf.

2010 eröffnete die Assoziation der gesellschaftlichen Vereinigungen der Deutschen Kasachstans das Portal „Elektronische Selbstverwaltung der ethnischen Deutschen” (www.wiedergeburt.kz), wo Informationen über Kultur, Tradition und Sprache der Deutschen in Kasachstan zur Verfügung gestellt werden. Außerdem bietet die Seite eine herausragende Möglichkeit, ausführliche Information über die Arbeit der „Wiedergeburt” zu erlangen sowie an Wettbewerben und Bildungsprogrammen teilzunehmen.

Mit Hilfe der heutigen vereinheitlichten Informationsquelle versucht die Assoziation den Zugang zur Projektarbeit der „Wiedergeburt“ zu erweitern, was im Rahmen des Programms zur Förderung der deutschen Minderheit in Kasachstan realisiert wird. Dies ermöglicht eine größere Anzahl von Kasachstandeutschen dazu zu motivieren, sich am zum gesellschaftlichen Leben ihrer Landsleute zu beteiligen.

Alexander Dederer, Vorsitzdender der „Wiedergeburt“ ist davon überzeugt, dass die Perspektiven des Portals bereits mit seinem Namen festgeschrieben sind – „Elektronische Selbstverwaltung der ethnischen Deutschen in Kasachstan”: „Es ist unumstritten, dass die Bevölkerung heute immer mehr Zeit in der virtuellen Welt verbringt. Die Druckerzeugnisse haben ihre Vormachtstellung im Konkurrenzkampf an die elektonischen Massenmedien abgegeben. Im Großen und Ganzen lässt sich auf der ganzen Welt beobachten, dass die Menschen Informationen aus dem Internet bekommen oder in der virtuellen Welt arbeiten. Dem Sinn nach soll unser Portal den Kasachstandeutschen genau so einen solchen Dienst erweisen. Das Ideal zu dem wir streben, ist die Vereinigung aller Deutschen die in Kasachstan leben, in einem gemeinsamen sozialen Netzwerk. Das heißt, wir wollen für sie eine gemeinsame Informationsplattform erschaffen. Selbstverständlich ist das nicht leicht, da viele ältere Leute keinen Zugang zum Internet haben. Aber diejenigen, die jedoch über einen Internetzugang verfügen –

und das sind viele Jugendliche, würden wir gerne über unsere Arbeit informieren. Wir wollen so viele Menschen wie möglich in die bestehenden Diskussionen einweihen und zum Mitmachen animieren. Herkömmliche Versammlungen innerhalb der „Wiedergburt“ sind nicht immer effektiv, aufgrund des technischen und materiellen Aufwands. Kasachstan ist auch ein sehr großes Land. Deshalb wollen wir Versammlungen der Kasachstandeutschen in die virtuelle Sphäre übertragen. Momentan ist das Portal zur elektronischen Selbstverwaltung nicht ganz fertig. Wir konnten das Geplante noch nicht vollständig umsetzen. Aber das bedeutet nicht das Ende unseres Projektes. Das Portal ist als Grundlage für aktuelle Diskussionen gedacht. Wir würden gerne alle unsere Volksmitglieder im Internet zu einem gegenseitigen Dialog einladen.“

Zusammengefasst ist anzumerken, dass die Informationssphäre der Deutschen in Kasachstan sehr abwechslungsreich ist und eine sehr gute Möglichkeit bietet, die nationale Identität zu bewahren, die deutsche Sprache sowie die soziale und kulturelle Wiedergeburt des deutschen Volkes voranzutreiben.

Übersetzung: Regina Ostertag

Olesja Klimenko, Chefredakteurin der „Deutschen Allgemeinen Zeitung”

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia