Öffentliche finanzielle Mittel, zu denen vor allem der Staatshaushalt eines Landes gehört, unterliegen besonderen Mechanismen der Planung und Kontrolle, weil es sich um das Geld des gesamten Volkes handelt. Während ein Unternehmer mehr oder weniger einsam seine Entscheidungen über Investitionen und Ausgaben treffen kann, ist das bei staatlichen Mitteln anders. Hier müssen die Abgeordneten als Vertreter des Volkes und der Steuerzahler fast jede Kleinigkeit bestätigen und kontrollieren. Die Regierung ist in dieser Frage dem Parlament untergeordnet. Das Parlament ist das Organ, das die Strategie der Fiskalpolitik bestimmt; die Regierung führt aus, was die Parlamentarier wollen. Diese Grundstruktur gilt natürlich auch in Kasachstan, auch wenn es hier für den Präsidenten eine Reihe von besonderen Kompetenzen gibt.

Mitte Juni hat nun das hiesige Parlament den Bericht der Regierung und des Rechnungshofes zum Haushaltsjahr 2010 diskutiert. Diese Diskussion hat als formales Ergebnis die „Entlastung“ der Regierung, worunter man die Bestätigung der Übereinstimmung der Einnahmen und Ausgaben mit den gesetzlichen Vorschriften und dem für das entsprechende Haushaltjahr (in diesem Fall 2010) geplanten Größen versteht. Eine Nichtbestätigung des abgelaufenen Haushaltes würde bedeuten, dass das Parlament der Regierung das Misstrauen ausspricht und diese zurücktreten müsste. Das ist in Kasachstan bisher noch nie der Fall gewesen, was nicht heißt, dass alle Haushaltsprozesse in idealer Ordnung wären.

Die Abgeordneten haben in diesem Jahr nicht zum ersten Mal bemängelt, dass die Regierung die Einnahmen (die zu etwa 85 Prozent aus Steuern bestehen) nicht ausreichend exakt plant und in der Regel zu niedrig ansetzt. Das Problem ist nicht neu. Da die Staatseinnahmen zu einem großen Teil von den Weltmarktpreisen für die Rohstoffe als zentrale Exportprodukte abhängen, ist es objektiv wirklich schwer, einigermaßen exakt vorherzusagen, welcher Ölpreis denn nun auf dem Weltmarkt im nächsten Jahr aktuell sein wird. Die Regierung plant deshalb lieber mit einem niedrigeren Preis, um auf der sicheren Seite zu sein. Meist sind die Exportpreise dann jedoch höher, folglich kommen mehr Steuereinnahmen in die Kasse. Der Privatmann würde das ohne Murren hinnehmen, nicht jedoch der Abgeordnete.

Schließlich müssen bei höheren Einnahmen alle in langen Diskussions- und Entscheidungsrunden geplanten und verkündeten, sowie über einen langwierigen Ausschreibungsprozess gefundenen Ausgabeentscheidungen neu verhandelt und zusätzlich ausgeschrieben werden. Das macht nicht nur viel zusätzliche Arbeit, sondern erschwert auch einen stabilen Haushaltsprozess. In 2010 musste der Staatshaushalt innerhalb des laufenden Haushaltsjahres zweimal grundlegend neu aufgestellt und insgesamt 16 Mal präzisiert werden. Das ist dann doch etwas zu viel an Korrektur. Aus Sicht der Finanzplaner in den Ministerien haben diese nach oben weisenden Korrekturen jedoch den großen Vorteil, dass sie dann wegen der Übererfüllung der ursprünglichen Planzahlen mit Monats- und Quartalsprämien rechnen können. Das ist denn ein doch ziemlich seltsames System.

Auch eine Reihe von quasi Staatsbetrieben wurde kritisiert. Diese haben im vergangenen Jahr 40 Milliarden Tenge Verluste erwirtschaftet, wurden aus dem Staatshaushalt aber trotzdem mit umfangreichen Zuweisungen bedacht, was nicht unbedingt sinnvoll sein muss. Auch die ewige Frage der nicht vollen Ausnutzung der geplanten Finanzmittel kam zur Sprache. Das hängt wieder vor allem mit den Mehrfachkorrekturen der Einnahmeseite zusammen. Wenn im September eine große Korrektur der Planzahlen nach oben kommt, reicht die bis Jahresende verbleibende Zeit ganz einfach nicht aus, um eine qualifizierte Ausschreibung von Projekten durchzuführen, zumal im Herbst die Bauunternehmen kaum noch freie Kapazitäten haben und dann oftmals das Wetter keine Bauvorhaben mehr zulässt.

Auch das Nichteinhalten von Regeln für den Vollzug des Staatshaushalts haben die Abgeordneten ausgemacht. Nicht weniger als 160 Milliarden Tenge seien nicht zweckentsprechend eingesetzt worden. Das ist schon ein ordentlicher Batzen Geld, der woanders sicher zu weitreichenden politischen Konsequenzen für die Regierung führen würde. Die hiesigen Abgeordneten haben hingegen nur mit dem Finger gedroht, aber ansonsten den Bericht bestätigt. Na ja, immerhin wurde gedroht.

Bodo Lochmann

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