Die Kasachen sind nicht besonders stolz auf ihr Wirtschaftswachstum, schreibt Kolumnist Bodo Lochmann. In seinem Kommentar zu Wachstumsanalysen der Weltwirtschaft geht es auch um die Frage, warum das Bruttoinladsprodukt nicht immer aussagekräftig ist.

Die internationalen Finanzinstitute unterschiedlicher Ausrichtung veröffentlichen jährlich ihre Analysen zum Zustand der Weltwirtschaft und knüpfen daran ihre Prognosen für eine mehr oder weniger lange Zukunft. Nun liegen die Angaben für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) des Jahres 2012 vor. Trotz immanenter methodischer Schwächen ist das BIP immer noch die Hauptkennziffer für weltwirtschaftliche Vergleiche.

Es hat einige Veränderungen in der Rangfolge der Volkswirtschaften nach ihrer Größe und Leistungsfähigkeit gegeben. Diese sind vor allem durch die unterschiedlichen Tempi des Wirtschaftswachstums bedingt. Sensationelle Verschiebungen sind jedoch ausgebleiben, solche hatte auch niemand erwartet.

Das gesamte Welt-BIP betrug im Jahr 2012 nominal 71,7 Billionen Dollar, was einem Zuwachs von 2,4 Prozent zum Vorjahr entspricht. Mit weitem Vorsprung auf dem ersten Platz befindet sich die Volkswirtschaft der USA mit einem BIP von 15,7 Billionen Dollar, gefolgt von der Wirtschaft Chinas, deren BIP 8,2 Billionen Dollar betrug. Chinas BIP hat sich innerhalb der vergangenen 5 Jahre fast verdreifacht. Allein im letzten Jahr betrug der Zuwachs einschließlich Inflation 12,7 Prozent.

Sollte sich das hohe Wachstumstempo der chinesischen Wirtschaft beibehalten lassen, kommt das Land absehbar an die USA heran. Das ist eher unwahrscheinlich. Dennoch erschrecken manche Analytiker vor diesem großen Wachstum. Dies ist unnötig, schließlich geht es in der Wirtschaft nicht vordergründig um Größe, sondern um Effizienz. Beim Pro-Kopf-BIP wird China noch lange weit nicht nur hinter den USA und einigen Dutzend Ländern bleiben, die es bei seiner Bevölkerungsmasse ganz einfach überholen muss, aber in Bezug auf das Wirtschaftswachstum schon längst überholt hat.

Auf den weiteren Plätzen folgen Japan und Deutschland, zwischen denen doch ein erheblicher Abstand von etwa 2,6 Blillion Dollar zugunsten Japans besteht. Beide Länder stehen vor dem Problem der Überalterung und Schrumpfung der Bevölkerung als Resultat einer sehr niedrigen Geburtenrate. In absehbarer Zeit werden diese Länder ihre angestammten Plätze wohl abgeben müssen und nach unten rutschen.

Insgesamt vereinen die fünf größten Volkswirtschaften der Welt (USA, China, Japan, Deutschland, Frankreich) 50, 1 Prozent des Welt-BIPs auf sich, der Anteil der USA beträgt dabei 22 Prozent. Die attraktivsten Weltmärkte sind also hochkonzentriert, denn 15 Länder verteilen knapp 75 Prozent des Welt-BIP auf sich.

Kasachstan hat sich in vielen Bereichen ja sehr ehrgeizige Ziele gestellt und schaut mit einer Mischung aus Neugier und auch Neid auf solche Ratings, die hierzulande eher überbewertet werden. Jedenfalls befindet sich das Land mit einem BIP von 201, 7 Milliarden Dollar auf Platz 49 in der Liste von 190 Ländern. Die hiesigen Kommentatoren bemängeln, dass es keine Verbesserung des Platzes gegeben hat, obwohl das nominale Wachstum in 2012 8,3 Prozent betragen habe. Na ja, andere Länder halten ja auch nicht still und warten auf Kasachstan. Mit Genugtuung wird dagegen vermerkt, dass sich Kasachstan unter den GUS-Staaten auf dem zweiten Platz befindet und nur Russland den Vortritt lassen muss.

Sowohl die Klage über den unveränderten Platz als auch der Stolz darauf, fast alle GUS-Staaten hinter sich gelassen zu haben, sind sehr relativ. Schließlich ist das BIP nur bedingt als objektiver Vergleichsmaßstab tauglich, weil es nicht die unterschiedlichen Preisniveaus in den Ländern für ein- und dieselben Waren erfasst. So kostet ein Liter Benzin in Norwegen 2,70 Dollar, in Russland knapp einen Dollar und in Venezuela 0,02 Dollar. Demnach ist das BIP in den Industriestaaten eher aufgebläht und in den Entwicklungsländern eher reduziert. Der Vergleich des BIP nach Kaufkrafteinheiten, welche die gegebenen Preisunterschiede erfassen, verschiebt die Reihenfolge der wirtschaftsstärksten Länder spürbar. Zwar bleiben auch bei dieser Berechnungsmethode die USA vorn, China ist jedoch dichter dran, als beim BIP allgemein. Für Kasachstan ändert sich beim Wechsel dieser Berechnungsmethodik jedoch nichts, Platz 49 bleibt. Das ist dadurch bedingt, dass zwar die Löhne steigen, die Preise jedoch mittlerweile genauso schnell, stellenweise gar schneller. Kasachische Löhne bei europäischen Preisen bedeutet: Eine signifikante Verbesserung des Lebensniveaus des Durchschnittsbürgers Kasachstans ist so eher nicht erreichbar.

Bodo Lochmann

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