TV-MIG ist eine lokale Fernsehstation in der 20 Kilometer östlich von Almaty gelegenen Kleinstadt Talgar. Die Mitarbeiter feilen an einer zukünftigen Strategie – bei ihren Beiträgen sind sie glücklicherweise nicht mehr auf VHS-Kameras angewiesen

Das Fernsehstudio von TV-MIG ist über eine eiserne Feuerleiter zu erreichen. Steil führt sie im Zickzack an der Außenseite des Hauses bis zum zweiten Stock hinauf, wo ein Flur mit knarrenden Holzdielen den weiteren Weg weist. Studio, das heißt bei TV-MIG gleichzeitig auch Redaktion, Schnittplatz, Tonkabine und Archiv, ausgestattet mit Schweinwerfern, wandfüllendem Greenscreen für die Nachrichten, Mikrofonen, Fernseher, Stativen und Video-Kameras. Gleich daneben sitzt die Buchhaltung.

Das Studio von TV-MIG ist der Arbeitsplatz von etwa zehn Journalisten. Sie bilden das lokale Massenmedium von Talgar, einer Kleinstadt 20 Kilometer östlich von Almaty. Gulbaram Kuanyschaliewa ist Chefredakteurin – und überhaupt die einzige Redakteurin im Team. Früher war sie leitende Funktionärin beim Komsomol. Heute macht sie mit ihrer Mannschaft nicht nur Fernsehen, sondern auch noch eine Zeitung, die allerdings fast nur aus Werbung besteht. Gulbaram plant die nächste Ausgabe oder Sendung, sie schreibt Artikel, textet die Fernsehbeiträge und ist Sprecherin. Mit dazu gehören auch Kameramann Rinat Abdullajew, Cutterin Irina Loschlareva, Layouterin Aigulu Sultanowa und die Technikerinnen Galina Polupanowa und Swetlana Wandyschewa. Zwei Stunden eigenes Programm produziert TV-MIG täglich, die Zeitung erscheint einmal wöchentlich.

An diesem Tag hat sich die Redaktion zu ungewöhnlich früher Stunde im Studio eingefunden. Der Anlass: ein Fortbildungsseminar.

Alexandr Smaglij ist der Referent und trotz der Hitze im Anzug, mit Clipboard, bunten Folienschreibern und einem Stapel frisch kopierter Lehrmaterialien aus Almaty nach Talgar gekommen. Smaglij war früher selbst Journalist. Jetzt ist er Medienberater und Leiter des „Entwicklungszentrums für öffentliche Initiativen“. Seine Hauptaufgabe sieht er darin, „lokalen und regionalen Medien in Kasachstan dabei zu helfen, eigene Schwachpunkte zu erkennen, Kontrollsysteme für die eigene Arbeit zu entwickeln und die professionellen Fähigkeiten zu verbessern“, wie er wörtlich ausführt und in seinem Flyer nachzulesen ist. Zwei Tage soll das Seminar in Talgar dauern. Das Thema: „Die strategische Planung von lokalen Massenmedien“.

Um die zukünftige Strategie zu planen, erobern die Journalisten erst einmal das Zimmer der Buchhaltung, Tische und Stühle werden für den Frontalunterricht zurechtgeschoben. Smaglij verteilt seine ersten Kopien und bittet die Fortbildungsschüler, doch erst einmal aufzuschreiben, was sie von diesem Seminar erwarten, für sich, für die Zeitung und für TV-MIG.

Diskret verbergen die Seminarteilnehmer ihre langen Gesichter und machen sich an die Arbeit. Nur der Kameramann entzieht sich der Aufgabe. Er greift seine Mini-DV und filmt die Kollegen. Schließlich nimmt sich das Fortbildungsseminar neben Schulfesten oder dem „Tag der kasachischen Sprache“ im Talgarer Krankenhaus als Höhepunkt der örtlichen Berichterstattung aus.

Bis vor kurzem musste Rinat noch mit einer VHS-Kamera drehen. Doch verschiedene internationale Nicht-Regierungsorganisationen wie die Soros-Stiftung oder Counterpart International sponsorten im vergangenen Jahr zahlreiche nicht-stattliche Medien in Kasachstan, um die unabhängige Wahlberichterstattung zu unterstützen. Für Kameramann Rinat von TV-MIG sprang dabei eine neue Kamera heraus, so dass die Aufnahmen jetzt eine deutlich bessere Qualität haben und die Fernsehbeiträge schon optisch aufgewertet wirken.

Auch Smaglijs Seminar ist für die Journalisten aus Talgar unentgeltlich. Sie hatten sich selbst an die Medienberatungs-Organisation gewandt, weil sie wissen, dass bei ihrer Arbeit einiges im Argen liegt. „Keine unfruchtbaren Diskussionen“ wünscht sich Technikerin Swetlana vom Seminar und trifft damit einen Punkt, den auch Smaglij für wichtig hält. Seiner Meinung nach arbeitet die Redaktion hier nicht als Team. Jeder fühle sich nur für seinen kleinen Bereich verantwortlich, kritisiert er die Seminarteilnehmer vorsichtig und wirbelt erst einmal die „traditionelle“ Arbeitsteilung durcheinander. Per Gruppenarbeit sollen die Zeitungsleute eine Vision für TV-MIG entwickeln, die Fernsehleute eine für die Zeitung.

„Steigerung der Auflage“, „größerer redaktioneller Anteil in der Zeitung“, „längere Sendezeit“, „Präsenz im Internet“ heißen die Ziele, die sich herauskristallisieren – zur Freude Smaglijs nach konzentrierter gemeinsamer Arbeit, die seine Theorie von der Wichtigkeit des Teams bestätigt.

Wie diese Ziele zu erreichen sind, bleibt er den Machern von TV-MIG dieses Mal jedoch noch schuldig. In ein paar Wochen wird er wiederkommen.

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia