Einer der größten Unterschiede zwischen Deutschland und Kasachstan ist wohl der Umgang mit Kindern. Während in Deutschland immer mehr Spielplätze verfallen, Eltern im Café oder Restaurant mit bösen Blicken gestraft werden, wenn die Kleinen mal wieder etwas lauter sind, und Nachbarn sich über spielende Kinder beschweren, freuen sich Kasachstaner offensichtlich nicht nur über den eigenen Nachwuchs, sondern auch den von anderen.

Wie eine kasachische Bekannte kürzlich sagte: „Sind auf einer Feier ein Kind und ein Hund anwesend, werden sich in Deutschland alle um den Hund versammeln. In Kasachstan erhält hingegen das Kind die ganze Aufmerksamkeit.“ Tatsächlich sind Kinder in Kasachstan omnipräsent. Überall gibt es Spielplätze, in Restaurants gibt es extra Spielecken und jedes Einkaufscenter hat mindestens ein Spielparadies oder bietet eine Kinderbetreuung an. Über die Vielfalt kasachischer Spielplätze erschien im Dezember sogar ein Essay in der deutschen Wochenzeitung Die Zeit.

Für Expats aus Deutschland, die mit Kind und Kegel nach Almaty kommen, tun sich in Sachen Kinderfreundlichkeit ganz neue Perspektiven auf. Alles ist auf einmal auf die Kleinen ausgelegt. „In Deutschland haben Restaurants unsere Reservierung nicht angenommen, wenn wir sagten, dass wir mit zwei Kindern kommen werden“, erzählt eine Frau, die ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen möchte. In Frankfurt am Main sei es unmöglich gewesen eine bezahlbare Wohnung für die Familie zu finden. Am Ende zogen sie nach Kassel um.

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Stadtplanung berücksichtigt Kinder

In Almaty ist die Mutter seit Dezember 2017. Ihr Mann arbeitet hier als Deutschlehrer an einer Schule. Die sechsjährige Tochter besucht eine internationale Vorschule, in der hauptsächlich Englisch gesprochen wird. Für den dreijährigen Sohn hat sie hingegen noch keinen Kindergartenplatz gefunden. Während es durchaus kostenlose Betreuungsangebote gibt, können private Kindergärten bis zu 1.000 Dollar im Monat kosten.

Ein Kinderspielplatz in Almaty.
Ein Kinderspielplatz in Almaty. | Bild: Othmara Glas

Ihr gefällt, dass man in der Stadtplanung Kinder berücksichtigt. „In den Hinterhöfen von Wohnhäusern gibt es Spielplätze und auch im Park des Ersten Präsidenten gibt es viele Spielmöglichkeiten.“ Die vielfältigen Betreuungsangebote in der Stadt findet sie gut, gesteht aber auch ein, dass diese für Kasachstaner mit einem Durchschnittseinkommen von rund 380 Euro wohl kaum erschwinglich seien. In einer der vielen Malls zum Beispiel kostet eine Stunde im Kinderparadies umgerechnet 6,30 Euro.

Der Einschätzung, dass Kasachstan kinderfreundlicher sei, schließt sich auch Kerstin Hau an. Die junge Mutter ist seit Januar in Almaty. „Wenn ich mit dem Kinderwagen unterwegs bin, helfen Leute ohne zu zögern. In Deutschland musste ich oft extra fragen“, erzählt sie. Wenn sie in Deutschland in ein Café gehen wollte, war sie sich nie sicher, ob es dort auch Wickelmöglichkeiten für den mittlerweile fünf Monate alten Sohn gebe. Hier sei das anders. Um schneller Kontakte in der Stadt zu knüpfen und Einheimische zu treffen, sind beide Frauen Mitglied im Almaty International Women’s Club. Der Verein organisiert Spielgruppen, Konversationskurse oder Wandertouren.

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Höhere Geburtenrate

Dass Kinder für Kasachstaner eine größere Rolle spielen, zeigt sich auch in der Geburtenrate. Kamen im vergangenen Jahr 21,65 Kinder pro 1.000 Einwohner zur Welt, betrug diese Ziffer 2016 in Deutschland gerade einmal 11,1. In Kasachstan werden gemessen an der Einwohnerzahl folglich doppelt so viele Kinder geboren. Dies liegt zum einen daran, dass traditionell die Familie einen großen Stellenwert in den zentralasiatischen Gesellschaften einnimmt. Zum anderen sind Frauen einem besonderen gesellschaftlichen Druck ausgesetzt. Eine Frau ohne Mann und Kinder sei unvollkommen, heißt es hier oft.

Für die ersten drei Kinder erhalten Kasachstanerinnen vom Staat eine Einmalzahlung in Höhe von umgerechnet derzeit 230 Euro, 382 Euro ab dem vierten Kind. Sobald das Kind ein Jahr alt wird, gibt es eine Art Kindergeld. Die Höhe richtet sich danach, ob eine Frau beschäftigt ist. Arbeitslose Frauen erhalten so zwischen 35 und 54 Euro im Monat pro Kind. Bei Frauen, die einer Beschäftigung nachgehen, geht man von 40 Prozent des Durchschnittsgehalts der vergangenen zwei Jahre aus und zieht davon zehn Prozent ab. Außerdem gibt es eine Kompensation für den Verdienstausfall während der Schwangerschaft, der mindestens 2.500 Euro beträgt.

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Sitzplätze im Flugzeug

Viele Restaurants sind auf Familien mit Kindern eingestellt. Häufig gibt es zumindest Buntstifte und etwas zu malen, um die Kleinen und manchmal auch die Großen zu beschäftigen, bis das Essen kommt. Außerdem gibt es spezielle Kinder– und Familiencafés, wie das Café Anderson. Neben einem Kinderclub und verschiedenen Aktionen, bietet das Café regelmäßig Koch– und Backkurse für Kinder an.

Anders als häufig in Deutschland werden bei der Wohnungssuche in Almaty Familien mit Kindern bevorzugt behandelt. Alleinstehende oder Wohngemeinschaften werden eher kritisch beäugt. Selbst kasachische Fluggesellschaften weisen extra Sitzplätze für Reisende mit Kindern aus. Wer also demnächst in Kasachstan fliegt, kann selbst entscheiden, ob er lieber seine Ruhe möchte oder sich einfach mal von einem Kleinkind anlächeln lässt.

Othmara Glas

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