Kasachstan ist eines der attraktivsten Geldwäscheländer. Das meint Cari Votava, Expertin für Geldwäsche und Terrorfinanzierung bei der Weltbank in Almaty. Im Gespräch mit unserer Mitarbeiterin Angela Lieber erklärt die Amerikanerin, wie in Zentralasien Geld gewaschen wird und was die Weltbank im Kampf gegen die illegalen Machenschaften unternimmt.

Frau Votava, bitte erklären Sie unseren Lesern, was der Begriff Geldwäsche eigentlich bedeutet.

Geldwäsche ist eine komplizierte Angelegenheit. Nehmen wir als Beispiel den Drogenhandel: Nicht das Handeln mit Drogen wird als Geldwäsche bezeichnet, sondern das Einschleusen des dabei illegal erworbenen Geldes in das legale Finanzsystem. Zwar wird das Geschäft mit Rauschmitteln weltweit strafrechtlich verfolgt, für das Verbergen des illegal erworbenen Geldes im offiziellen Finanzsektor haben viele Staaten jedoch noch immer kein gesondertes Strafrecht.

Wenn zwielichtige Gestalten in Afghanistan mit Drogen handeln und in Kasachstan das illegale Geld in einen Restaurantbetrieb einfließen lassen, müssen Richter hierzulande das Recht haben, die Verbrecher wegen der Geldwäsche in Kasachstan zu verurteilen, auch wenn sie ihnen den Drogenhandel in Afghanistan nicht nachweisen können. Die eigentliche Schwierigkeit für ein Gericht besteht darin, dass ein Angeklagter gewöhnlich solange unschuldig ist, bis eindeutige Beweise für sein Vergehen vorliegen. Im Fall der Geldwäsche muss von diesem Grundsatz eine Ausnahme gemacht werden. Ein Richter sollte sagen können: „Ich glaube nicht, dass Ihr kleines Hot-Dog-Restaurant tatsächlich die drei Millionen Dollar einbringt, die Sie täglich zur Bank bringen.” Der Restaurantbesitzer muss dann dazu verpflichtet sein nachzuweisen, dass er das Geld tatsächlich auf legalem Weg erworben hat. Falls er dies nicht kann, ist er schuldig – und zwar wegen Geldwäsche!

Sehen Sie Unterschiede zwischen Geldwäsche in der westlichen Welt und in Zentralasien?

Eigentlich gibt es da keine Unterschiede. Die Methoden, mit denen die illegalen Beträge versteckt werden, sind jedoch durchaus verschieden. In den hoch entwickelten Finanzsystemen im Westen wird das Geld eher durch Wertpapiergeschäfte oder durch den Kauf und Verkauf von Immobilien und Grundbesitz gewaschen, während hier in Zentralasien das Finanzwesen weniger entwickelt ist und das Geld meist mit Hilfe von Banken und einfachen Transaktionen in den Finanzsektor geschleust wird.

Aus welchen Quellen stammt in Kasachstan das illegale Geld, das später in den legalen Finanzverkehr überführt wird?

Die meisten unrechtmäßig erworbenen Geldsummen stammen – aufgrund der Nähe zu Afghanistan – aus dem Drogengeschäft. Weitere Einnahmequellen sind Korruption, Bestechung, Menschenhandel oder auch der Schmuggel von gestohlenen Gütern, Waffen und illegalen Sprengstoffchemikalien.

Welche Wirtschaftszweige sind besonders häufig von Geldwäsche betroffen?

Das ist von Land zu Land verschieden. Ich bin nicht sicher, welche Bereiche in Zentralasien besonders involviert sind, aber hier in Almaty sehe ich auf meinem Weg zur Arbeit verschiedene Geschäfte und Restaurants, die fast nie Kundschaft haben und sich trotzdem problemlos über Wasser halten. Auch Casinos sind ein beliebtes Instrument, um Geldwäsche zu betreiben. Ein anderer, sehr bequemer Weg, um illegales Geld in den Finanzsektor zu schmuggeln, ist der Erwerb von Geldautomaten. Man kann problemlos mit den aus dem Drogenhandel in Afghanistan stammenden Beträgen Geldmaschinen aufkaufen – dafür muss man keine Bank sein. Diese stellt man an verschiedenen Plätzen in der Stadt auf, füllt die Drogenscheine in die Automaten und wartet, bis beispielsweise der ahnungslose Rentner seine Pension abhebt. Und schon ist das schmutzige Geld im legalen Finanzverkehr unterwegs.

Welche Personen engagieren sich besonders stark in diesem kriminellen Milieu?

Grundsätzlich sind Menschen aus jedem Gesellschaftsschicht, jedem Berufszweig und jeder ethnischen Gruppe unter den Geldwäschern vertreten. Es ist sehr schwierig, diese kriminelle Straftat aufzudecken. Bei der Bekämpfung sind in erster Linie Banken, Sicherheitsfirmen, Rechtsanwälte und Versicherungsunternehmen gefragt. Sie müssen ihre Kunden besser identifizieren und kontrollieren, um ungefähr abschätzen zu können, in welchen Dimensionen Geldsummen auf ein bestimmtes Bankkonto überwiesen werden. Bei Firmenkunden und Großkunden sollten Banken das Unternehmen besichtigen, um sicherzugehen, dass das Geschäft, das der Kunde zu führen vorgibt, tatsächlich existiert. Neue Strategien und Richtlinien müssen entwickelt und effektiv umgesetzt werden. Nur wenn eine Bank über ihre Kunden Bescheid weiß, ist sie in der Lage, verdächtige Transaktionen zu identifizieren. Die Polizei kommt Geldwäschern in den seltensten Fällen auf die Schliche, weil es fast nie eindeutige Spuren und Belege gibt.

Wie engagiert sich die Weltbank im Kampf gegen die Geldwäscher?

Die Weltbank steht vor allem Finanzunternehmen und Regierungen mit technischer Unterstützung und Beratung zur Seite. Mein Job besteht darin, zentralasiatischen Regierungsbeamten bei dem Entwurf und der Implementierung von international anerkannten Anti-Geldwäschegesetzen zu helfen. Ich habe sowohl mit Finanzbeamten als auch mit Gesetzeshütern zu tun. Traditionell haben beide Berufsgruppen recht isoliert voneinander gearbeitet. Ich versuche nun, sie zum gemeinsamen Vorgehen gegen die Geldwäscher zu bewegen. Für gewöhnlich arbeite ich mit zehn bis fünfzehn Ministerien und Ämtern, sowie mit dem regionalen Anti-Geldwäsche-Netzwerk „EuroAsian Group” zusammen. Letzteres ist in Moskau gegründet worden und hat Mitglieder aus Weißrussland, Russland, China und den zentralasiatischen Ländern. Mehrmals im Jahr treffen sich Vertreter der betroffenen Staaten, um darüber zu diskutieren, wie die gemeinsame Bekämpfung der illegalen Machenschaften effektiver gestaltet werden kann. Dies ist sehr wichtig, denn Geldwäsche ist ein internationales, grenzübergreifendes Phänomen. Jedes Land für sich allein genommen wäre nicht in der Lage, effektiv gegen Geldwäscher vorzugehen.

Entspricht das gesetzliche Regelwerk in Kasachstan bereits internationalen Standards?

Nein, dies ist in keinem der zentralasiatischen Staaten der Fall. In Usbekistan ist allerdings Ende 2004 ein Anti-Geldwäschegesetz entworfen worden und seit Januar 2006 in Kraft. Obwohl es noch nicht vollständig den internationalen Standards entspricht, ist es ein guter Anfang. Auch in Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan sind Gesetze entworfen worden, die sich derzeit in den Parlamenten befinden. Wir hoffen stark, dass sie im Laufe dieses Jahres in Kraft treten werden. Trotzdem muss man immer daran denken, dass so ein erstes Gesetz noch nicht alle internationalen Vorgaben erfüllen kann – dafür braucht es ganz einfach Zeit.

Welche Auswirkung hat Geldwäsche auf die Volkswirtschaft eines Staates?

Geldwäsche hat einen sehr ernst zu nehmenden Effekt, besonders auf Länder mit einer eher schwachen Wirtschaftsbasis. Besonders problematisch ist die Verdrängung seriöser Geschäftsleute vom Markt. Der als Autohändler tätige Geldwäscher kann seine Autos beispielsweise zu Billigpreisen verkaufen, bekommt dadurch mehr Kundschaft und treibt die legal handelnden Verkäufer aus dem Markt.

Ein anderer Negativeffekt ergibt sich aus der Tatsache, dass Geldwäscher normalerweise innerhalb kurzer Zeit große Beträge bewegen. Gerade Banken benötigen jedoch, um kreditwürdig zu sein, ein gewisses Mindestlimit an aktivem Kapital. Falls nun ein Krimineller ohne Vorwarnung von seinem Konto riesige Summen entnimmt, kann die Bank unter ihre Toleranzgrenze geraten und damit Bankrott gehen. Außerdem besteht, rein volkswirtschaftlich gesehen, die Gefahr, dass Überweisungen im großen Stil den gesamten nationalen Finanzsektor erschüttern.

Frau Votava, eine provozierende Frage zum Schluss: Falls ich eine große Geldsumme zu waschen hätte, wäre Kasachstan ein attraktives Land für mich?

Ich glaube, dass Kasachstan derzeit eines der attraktivsten Länder für Geldwäscher ist, denn der Finanz- und Banksektor ist relativ stabil. Falls Sie Geld zu waschen haben, suchen Sie nach einem Land, in dem Sie möglichst schnell große Finanzbewegungen vornehmen können und in dem das Bankwesen einen sicheren Eindruck macht. Sie möchten ja ihr eigenes Geld keinem Risiko aussetzen. Weniger interessant wäre Turkmenistan, da dort recht strikte Kontrollen im Finanzwesen herrschen. Sie hingegen suchen nach einem Land, in dem es weder einen streng kontrollierten Banksektor noch ein effektives Anti-Geldwäschegesetz gibt.
Allein unter diesen Gesichtspunkten ist Kasachstan zur Zeit einer der attraktivsten Plätze, um relativ sicher schmutziges Geld rein zu waschen.

Vielen Dank für das Gespräch!

10/02/06

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