Vor knapp zwei Jahren zog ein deutscher Musikverlag die Spendierhosen an und gewährte jedem Mitarbeiter eine Prämie von 200 Euro. Das war nach dem äußerst einträglichen Mozartjahr 2006, gewidmet dem 250. Geburtstag des wahrscheinlich bekanntesten unter den Wiener Klassikern. Auch in diesem Jahr sollen wieder die Kassen klingeln in der Musikbranche. Diesmal um den 250. Todestag Georg Friedrich Händels herum.

Dass Musik sich auch lange nach dem Tod ihrer Schöpfer in Bares verwandeln lässt, ist bekannt. Teils erbittert ausgeführte Streitigkeiten um Lizenzen oder Urheber- und Namensrechte – wie unlängst exemplarisch am Namenszug Johann Sebastian Bachs – künden von umkämpften Revieren, die auch nach hunderten Jahren reiche Ernte abwerfen. 2009 nun wird ein Todestag zur Marke gemacht.

Im Mittelpunkt des Händel-Jahres 2009, dessen Höhepunkt mit dem 14. April der
Sterbetag des berühmten Hallenser Kom-ponisten war, stehen in Deutschland die Händelfestspiele. Sie werden vom 4. bis 14. Juni überwiegend in Sachsen-Anhalt unter der Schirmherrschaft von Horst Köhler und der englischen Königin Elisabeth II. stattfinden. Besonders die Geburtsstadt des Komponisten verspricht sich erhöhten Zulauf internationalen und zahlungskräftigen Publikums. Die Deutsche Bahn klinkt sich mit Sondertickets ein. Die Musikverlage DECCA und Virgin Classics nutzten den Rückenwind des Jubiläums für die Veröffentlichung von Überblickssammlungen mit 30 beziehungsweise 15 CDs.

Von der über das ganze Jahr hinweg erhöhten Anzahl von Aufführungen und Funkausstrahlungen Händelscher Schöpfungen werden auch die Verlage profitieren, bei denen das entsprechende Aufführungsmaterial zu haben ist. Ein internationaler Höhepunkt ist der „Handel Special Day“ – die Nachstellung der Gedächtnisfeier anlässlich des Ablebens Händels in der Londonder Westminster Abbey am 19. April. 40 europäische Sendeanstalten strahlen Konzertübertragungen aus ihren Städten aus. Wer war nun der Mann, dessen Grablegung das Jahr 2009 zum barocken Klangspektakel macht?

Einer von Zweien auf Distanz

Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die müssen einfach irgendwie miteinander zu tun haben, scheint es. Warum werden die beiden größten deutschen Barockkomponisten in enger zeitlicher und räumlicher Nähe geboren, haben zeit ihres Lebens nichts miteinander zu tun und sterben schließlich, zwar mit einigem Abstand in Zeit und Raum voneinander, aber unter Mitwirkung desselben Quacksalbers?

G.F. Händel erblickte am 23. Februar 1685 – einen reichlichen Monat vor Johann Sebastian Bach – in Halle an der Saale – etwa 130 Kilometer von Bachs Geburtsort Eisenach entfernt – das Licht der Welt. Während angesichts eines gewaltigen Aufgebots an Musikern in Bachs Vorfahrenschaft dessen musikalische Laufbahn fast zwangsläufig vorgezeichnet war, wurde der kleine Georg Friedrich mit weniger als acht Jahren vom Herzog Johann Adolf I. von Sachsen-Weißenfels „entdeckt“, als sein Vater, der Hofchirurg des Herzogs, ihn einmal mit an den Hof nahm und ihn dort auf der Orgel vorspielen ließ. So zumindest weiß es die einzige Quelle aus Händels Kindheit, die gleichzeitig als erste Musikerbiografie der Geschichte gilt, die „Memoirs of the Life of the Late George Frederic Handel“, des englischen Theologen John Mainwaring.

Der Herzog veranlasste demnach, dass Händel Unterricht beim Hallenser Kirchenmusiker Friedrich Wilhelm Zachow erhielt. Dieser Unterricht verlief offenbar äußerst erfolgreich, denn bereits mit 17 Jahren bekam Georg Friedrich die Organistenstelle am Hallenser Dom. Parallel dazu begann er auf Wunsch des Vaters ein Studium der Rechtswissenschaften.

Initiation am Gänsemarkt

Ein Jahr später bereits änderte eine Reise nach Hamburg seine Pläne, wo 1678 das erste deutsche Opernhaus eröffnet worden war. Händel wurde zunächst Geiger, später Cembalist im Orchester des Opernchefs Reinhard Keiser. Spätestens hier begann sich Händel in eine völlig andere Richtung zu entwickeln als Bach. Letzterer hatte nie im Entferntesten etwas mit dem Genre der Oper zu tun.

Dass Georg Friedrich nicht im Sommer 1703 nach Lübeck abwanderte, um dort die lukrative Domorganistenstelle vom berühmten alten Dietrich Buxtehude zu übernehmen, hatte allerdings hauptsächlich damit zu tun, dass er dann auch die Tochter Buxtehudes hätte heiraten müssen. Jedenfalls nahmen Händel und sein damaliger Freund Johann Mattheson schon bald nach ihrer Ankunft in Lübeck wieder Reißaus. Leider ist keine Abbildung der Organistentochter überliefert.

Eine von zahlreichen weiteren Anekdoten im Leben des umtriebigen wie hitzköpfigen Händel ereignete sich nach seiner Rückkehr an die Hamburger Oper am Gänsemarkt. Während einer Aufführung der Oper „Cleopatra“, einer Komposition Matthesons, kam es zu einer Rangelei um den Dirigentenplatz am Cembalo. Mattheson spielte in seiner Oper den Marcus Antonius. Üblicherweise nahm er, nachdem er gemäß der Rolle Suizid begangen hatte, den Platz am Cembalo ein. Diesmal allerdings weigerte sich Händel, diesen zu räumen. Die Sache endete mit einem handfesten Degenduell vor dem Opernhaus und einer lebenslangen Feindschaft zwischen Mattheson und Händel.

1705 wurde mit „Almira“ Händels erste von später insgesamt 40 Opern am Gänsemarkt aufgeführt.

1706 zog es ihn schließlich ins Mutterland der Oper, nach Italien, wo er, der Protestant, es vier Jahre in Florenz, Rom, Neapel und Venedig aushielt und als „Il Sassone“ („der Sachse“) bekannt wurde. Als ihm 1709 die Kapellmeisterstelle am Hof des Hannoveraner Kurfürsten Georg Ludwig angeboten wurde, nahm er sie unter der Bedingung an, ab und zu abwesend sein zu dürfen. Von dieser Option machte er anschließend bis zur völligen Abwesenheit Gebrauch, ohne dass deshalb sein Vertrag aufgelöst worden wäre.

Bei seiner ersten Reise nach London, die er Ende 1710 antrat und die immerhin etwa anderthalb Jahre dauern sollte, muss Händel Feuer gefangen haben für die Stadt an der Themse, denn bereits nach etwa drei Monaten in Hannover zog es ihn nach London zurück, wo er es endlich, abgesehen von Reisen, bis zu seinem Tod im Jahre 1759 aushielt.

Wen und wer liebte Händel?

Kurz vor selbigem trifft sich, wie bereits angedeutet, auf schicksalhafte Art wieder Händels Weg mit dem Johann Sebastian Bachs. Nachdem der Wahl-Londoner während der Komposition zu seinem Oratorium „Jephta“ erblindet war, unterzog er sich mehreren Augenoperationen, merkwürdigerweise auch bei dem bereits an Bach gescheiterten selbsternannten Augenarzt John Taylor, einem wandernden Quacksalber, der interessanterweise selbst blind starb.

Neben den Opern schrieb Händel 25 Oratorien, zahlreiche Suiten und Concerti Grossi – insgesamt etwa 600 Kompositionen. Die Arie „Ombra mai fu“ aus der Oper „Serse“ ist in die Topcharts der Populärklassik eingegangen wie das „Hallelujah“ aus dem „Messias“. Die „Wassermusik“ – angeblich als Versöhnungsgeschenk an den Dienstherren wegen fortwährender Urlaubsübertretung komponiert – ist mittlerweile ebenso wie die „Feuerwerksmusik“ Standartrepertoire.

Im Unterschied zu Bach, aus dessen zwei Ehen 20 Kinder hervorgingen, starb Händel kinderlos. Nicht nur dieser Fakt und dass Händel zeit seines Lebens unverheiratet geblieben war, lässt die Forschung immer wieder vermuten, dass seine erotischen Neigungen homosexueller Natur waren. Nachweisen lässt sich das bis heute nicht, obwohl der junge, den bildlichen Darstellungen nach gut aussehende Händel seinerzeit vom homosexuellen Medici-Prinzen Gian Gastone umworben worden war. Auf dessen Einladung hin war er schließlich nach Florenz gereist. Die einzige bekannte Liebesbeziehung zu einer Frau ist von Händels Venedig-Aufenthalt bekannt. In der Lagunenstadt war der junge Komponist zeitweise Liebhaber der älteren und verheirateten Diva Vittoria Tarqini.

Statt Kindern hinterließ der geschäftstüchtige und sinnenfreudige Lebemann ein beträchtliches Erbe von etwa 20.000 Pfund Sterling – heute immerhin etwa sechs Millionen Euro. Die fortlaufende Vermarktung Händels würde demnach wahrscheinlich beim Meister anerkennende Zustimmung hervorrufen.

Von Ulrich Steffen Eck

17/04/09

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