Nach einem hoffnungsvollen Start ist die Welthandelskonferenz doch noch gescheitert. Ziel der Verhandlungen war ein weiterer Abbau von Handelshemmnissen. Neun Tage lang hatten Spitzenvertreter der 153 Mitgliedsstaaten vergebens versucht, sich auf ein neues Regelwerk für den internationalen Warenverkehr zu einigen.

Zur Erinnerung: Das Hauptanliegen der Welthandelsorganisation (WTO) war und ist es, möglichst einfache, vor allem aber einheitliche Regeln für den gegenseitigen Handel auszuarbeiten und zu praktizieren. Dazu gehört das Prinzip des gegenseitigen Vorteils, das heißt der maximalen Nichtbehinderung der Warenströme, unabhängig von ihrem Herkunftsland. In der Vergangenheit ist in dieser Hinsicht bereits sehr viel erreicht worden, was den Welthandel in den letzten 50 Jahren mehr als doppelt so schnell wachsen ließ wie die Weltproduktion. Davon profitieren grundsätzlich erst einmal alle Beteiligten, da man die Waren auf den Weltmärkten billiger einkaufen kann, als sie zu Hause teuer zu produzieren.
Die jetzt gescheiterte Runde sollte weitere Handelserleichterungen bringen. In erster Linie war geplant, die Subventionen für den landwirtschaftlichen Sektor abzubauen. Dieses Problem ist so alt wie die WTO selbst, seine Lösung ist bisher und auch dieses Mal an den nationalen Egoismen gescheitert. Auch wenn in Kasachstan eine andere Meinung weit verbreitet ist: Subventionen sind langfristig eher schädlich, weil sie Wirtschaftsbereiche künstlich am Leben erhalten, die unter natürlichen, also Marktbedingungen, nicht überlebensfähig sind. Die Subventionsempfänger gewöhnen sich allzu leicht an die Geldgeschenke, die der Steuerzahler zu berappen hat, und sind nicht mehr in der Lage, wirtschaftlich zu arbeiten. In der Folge werden langfristig auch die mit staatlichen Subventionen erzeugten Güter eher teurer, als billiger.

Das Scheitern der aktuellen WTO-Verhandlungen ist einem relativ leicht zu schlichtenden Streit zwischen Indien und den USA zuzuschreiben. Beide Delegationen waren sich im Prinzip schon einig, dass auch Indien mehr Rindfleisch und Saatgut aus US-amerikanischer-Produktion importieren soll. Umstritten war lediglich der Umfang. Diese Sachfrage war allerdings großem politischen Druck ausgesetzt. In den USA ist Wahlkampf und die beiden Präsidentschaftskandidaten bedienen im Moment eher die globalisierungskritische Stimmung der potenziellen Wähler, als den langfristigen wirtschaftlichen Vorteil im Auge zu haben. Indiens Handelsminister musste gar die Verhandlungen unterbrechen, um zu Hause einen Misstrauensantrag der Opposition zu überstehen. Doch das Problem ist wesentlich umfangreicher: Mittlerweile verbinden die Industriestaaten und auch manche Schwellenländer eher Angst als Hoffnung mit einer weiteren Erleichterung des Welthandels. Manchmal vielleicht berechtigt, größtenteils allerdings nicht. Nun gewinnen nach einer Phase des internationalen gegenseitigen Verstehens wieder nationale Egoismen und eine Politik der Kleinstaaterei die Oberhand. Dabei ist in der Theorie seit langem alles klar: Langfristig gewinnen bei offenen Grenzen alle. In der Praxis erwartet man jedoch einen weiteren Zoll- und Subventionsabbau eher von den anderen und nicht von sich selbst. Die Europäische Union und mittendrin Deutschland bilden da keine Ausnahme, wie die Reaktionen des aus Bayern – dort sind im September Landtagswahlen und die Bauern eine bedeutende Stütze der konservativen Regierung – stammenden deutschen Landwirtschaftsministers Horst Seehofer zeigen. Er hatte in Genf gesagt, Deutschland bestehe darauf, dass es faire Marktbedingungen sowohl für die Landwirtschaft als auch für die deutsche Industrie geben müsse, sollte der Welthandel, wie in der Doha-Runde vorgesehen, weiter ausgeweitet werden. Aber man könne nicht auf dem Rücken der Bauern den Welthandel liberalisieren, so der Minister.

Nun ist wegen dieses Misserfolgs die WTO nicht tot, schließlich wird das bislang Erreichte weiter praktiziert. Misstrauen aber hat sich allemal breitgemacht und wird auch die zahlreichen WTO-Skeptiker in Kasachstan eher beflügeln. Durch das Versagen der WTO wird die Zahl bilateraler Verhandlungen und daraus entstehender mehr oder weniger großer Kleinverträge enorm wachsen. Genau das aber trifft die Grundidee der WTO ins Mark: Der Weltwirtschaft helfen bilaterale Abkommen wenig, im Gegenteil, sie erschweren den Handel zusätzlich. Es entsteht ein Wirrwarr unterschiedlicher Regeln und Vereinbarungen, die bald kaum noch zu durchschauen sind. Die außenhandelsorientierten Unternehmen werden steigende Informations-, Such-, Vertrags- und Streitkosten verbuchen müssen und manchmal dann auch den internationalen Handel entnervt aufgeben. Negativ betroffen sind aber auch die wirtschaftlich schwachen Länder, denen gerade mit den Handelserleichterungen geholfen werden sollte. Je geringer ihre Wirtschaftskraft; umso geringer ihre Chancen, ihre Interessen in bilateralen Verhandlungen durchsetzen zu können. Verlierer der gescheiterten Runde sind also die Welt und Sie und ich mittendrin.

Bodo Lochmann

08/08/08

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