Zum dritten Mal fand Anfang Juli in Kasachstan der „Kongress der Weltreligionen“ statt. Mit einem Aufruf zu mehr Toleranz und Zusammenarbeit zwischen den Religionen will sich Kasachstan, das ab 2010 den OSZE-Vorsitz innehat, als internationaler Friedensstifter profilieren.

/Bild: Edda Schlager. ‚Der aschkenasische Oberrabiner Yona Metzger aus Israel (l.) und Kardinal Jean-Luis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog.’/

„Ich komme aus dem Nahen Osten und bevorzuge es daher, in einer Pyramide zu sitzen – ein besseres Symbol als der Turm zu Babel, der für das Nichtverständnis unter den Menschen steht.“ Auf diese Art pries der israelische Präsident Schimon Peres den Ort des am 1. und 2. Juli abgehaltenen „Kongresses der Weltreligionen“ in der kasachischen Hauptstadt Astana.
Über 500 Angehörige aller wichtigen Religionen aus 35 Ländern waren der Einladung gefolgt, darunter Vertreter der verschiedenen christlichen Konfessionen wie Katholiken, Russisch-Orthodoxe und Protestanten, sowie des Islams, des Judentums, des Hinduismus, Buddhismus, Taoismus und Zoroastrismus.

Sie trafen sich im „Palast des Friedens und des Einvernehmens“, einer futuristischen Pyramide im Zentrum des „neuen“ Astana, entworfen von Stararchitekt Sir Norman Foster.

Offensichtlich verstanden nicht alle Teilnehmer den Aufruf zum interreligiösen Dialog so wie die Veranstalter. Als Schimon Peres seine Grußansprache hielt, verließ die iranische Delegation demonstrativ den Saal. „Wir sind hergekommen, um religiöse Führer zu hören“, so Mehdi Mostafavi, Präsident der iranischen Organisation für Kultur und Islambeziehungen. „Peres ist kein religiöser Führer, sondern ein Mann der Gewalt.“

Die iranische Delegation hatte erst einen Tag vor der Konferenz erfahren, dass Schimon Peres nicht nur teilnehmen, sondern auch als Hauptredner sprechen würde, und mit einer Absage gedroht. Sie kehrte erst nach dem Ende der Rede von Peres in den Sitzungssaal zurück.
Unabhängig von diesem Eklat waren sich die Teilnehmer der Konferenz einig, dass nur gegenseitige Toleranz, Verständnis der Position des anderen und ein aktiver Austausch über die existentiellen Probleme der Menschen zu einem dauerhaften Frieden führen könnten.
Kasachstan hielt den „Kongress der Weltreligionen“ nach den beiden Vorgänger-Konferenzen im Jahr 2003 und 2006 bereits zum dritten Mal ab. Mit dieser Initiative will sich das Land, nicht nur als internationaler Friedensstifter zwischen den Religionen profilieren. Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew nutzte die Plattform, um sich als Initiator für eine Umstrukturierung der globalen Ordnung zu präsentieren.

In seiner Eröffnungsrede verknüpfte Nasarbajew den Appell zu gegenseitigem Verständnis an die anwesenden Religionsvertreter mit einer Analyse der globalen Wirtschaftskrise: „Die aktuelle Krise eröffnet eine einmalige Chance, den Traum von einer neuen Weltordnung zu realisieren“, so Nasarbajew. Diese Chance zu verpassen, sei unverzeihlich. Jetzt sei die Gelegenheit, die Welt nicht nach einer militärischen Auseinandersetzung zu verändern, wie in der Vergangenheit, sondern durch die friedliche Akzeptanz unterschiedlicher Positionen.
Israels Präsident Schimon Peres, erstmals zu einem Staatsbesuch in Kasachstan, rief den saudi-arabischen König Abdullah dazu auf, sich mit ihm in Jerusalem oder Riad zu treffen, um den Nahost-Friedensprozess voranzubringen. Dank seines interreligiösen Engagements käme auch Kasachstan als Ort eines solchen Treffens in Frage, so Peres. Der saudi-arabische König hatte kürzlich eine israelisch-arabische Friedensinitiative angeregt, an der sich Israel und alle 75 arabischen Staaten beteiligen sollten.

Scheich Mohammed Said Tantawi, Imam der Al-Azkhar-Universität in Kairo, forderte Toleranz und Freundschaft zwischen den Religionen. „Alle Religionen wenden sich an denselben Gott“, so Tantawi. Dies im Blick, könne jeder Einzelne „nicht nur mit sich selbst in Frieden sein, sondern auch anderen Anerkennung, Toleranz, Liebe und Freundschaft entgegenbringen.”

„Das Wort Toleranz gefällt mir nicht“

Kardinal Jean-Luis Tauran, Präsident des Päpstlichen Rates für Interreligiösen Dialog und Leiter der katholischen Delegation in Astana, mahnte in seinem Grußwort zu einem Frieden, der auf Gerechtigkeit gründen müsse. „Das Wort Toleranz gefällt mir nicht“, so Tauran, „es wird zu häufig missbraucht. Ein Bruder will nicht toleriert, sondern geliebt werden.“ Auch Papst Benedikt XVI., so Tauran, verfolge den Kongress mit großem Wohlwollen.

Der aschkenasische Oberrabiner Yona Metzger aus Israel sah die Hauptaufgabe von Religionsführern darin, „Vertrauen, Gerechtigkeit und moralische Werte zu stärken“. Metzger mahnte die Teilnehmer, religiöse Stätten „nicht zur Verbreitung von Terrorismus und als Waffenlager zu missbrauchen“.

Phra Dharmakosajarn, Mitglied der buddhistischen Delegation und Rektor der Maha-Chulalongkorn-Raja-Vidyalaya-Universität in Bangkok zeigte sich beeindruckt davon, dass es dem kasachischen Präsidenten Nasarbajew gelungen sei, Simon Perez und zahlreiche Vertreter des Islams aus dem Nahen Osten zusammenzubringen. „Ich erwarte keine unmittelbaren Schritte nach diesem Kongress, die Ergebnisse sind sicher erst langfristig zu erwarten“, so Dharmakosajarn. „Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung“.

Der Erzbischof von Kasachstan Tomasz Peta gab zu: „Sicher ist der Kongress eine große Show, aber warum nicht, wenn ein ehrenhaftes Ansinnen dahintersteht“. Er selbst sieht die durch die kasachische Staatsführung propagierte friedliche Koexistenz von mehr als 40 Religionen und Konfessionen in Kasachstan kritisch. „Glaube lässt sich nicht durch das Akimat (Stadtverwaltung) erzwingen“, so Peta. Er müsse aus den Menschen selbst kommen.

Verschärfung des Religionsgesetzes geplant

Wie glaubwürdig das internationale Engagement Kasachstans für den interreligiösen Dialog ist, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Denn das kasachische Parlament plant eine Verschärfung des Religionsgesetzes. Im Februar dieses Jahres war ein Änderungsentwurf nur durch den kasachischen Verfassungsrat gebremst worden, weil der ihn für verfassungswidrig hielt.

Die Gesetzesänderungen sahen beispielsweise vor, dass Kinder künftig nur mit Erlaubnis beider Elternteile an religiösen Ereignissen teilnehmen dürften und mit hohen Geldstrafen zu rechnen habe, wer religiöse Literatur einführt, veröffentlicht und verbreitet. Kasachstan wollte mit dem Gesetz vor allem gegen religiöse Gruppierungen wie Baptisten, Anhänger der Zeugen Jehovas oder der Hare Krishna vorgehen, die der oberste kasachische Mufti Absattar Derbisali als „Sekten“ bezeichnet.

Die Kommission für Religionsfreiheit der Vereinten Nationen hatte den Gesetzentwurf bereits im Vorfeld der Entscheidung des Verfassungsrats stark kritisiert, sei das Land, das ab 2010 den OSZE-Vorsitz übernehmen wird, doch besonders den Menschenrechts-Richtlinien und demokratischen Prinzipien der Mitgliedsstaaten der OSZE verpflichtet.

In ihrer Abschlussnote sprachen sich die Teilnehmer der Konferenz für „gemeinsame moralische Werte“ aus: Nur so ließen sich interreligiöse und interkonfessionelle Konflikte unterbinden. Der interreligiöse Dialog helfe, Stereotype, Vorurteile und religiöse Konflikte zu vermeiden. Die immer noch zur Diskussion stehende Verschärfung des kasachischen Religionsgesetzes wurde von den Veranstaltern des „Kongress der Weltreligionen“ wohlweislich ausgespart.

Stichwort Religionen

Der Zoroastrismus bzw. Zarathustrismus ist eine zwischen 1800 v. Chr. und 600 v. Chr. vermutlich im ostiranischen Baktrien entstandene, monotheistische Religion mit heute etwa 120.000 bis 150.000 Anhängern, die ursprünglich im iranischen Raum verbreitet war.
Der Taoismus (chin. Daoismus, „Lehre des Weges“) ist eine chinesische Philosophie und Religion. Die Zahl der Anhänger wird in China nicht statistisch erfasst; circa 8 Millionen Taoisten leben heute auf Taiwan, wo viele der taoistischen Schulen Zuflucht vor der Verfolgung durch die Kulturrevolution suchten.

Aschkenasim ist die Selbstbenennung der West- und Ostjuden, die eine gemeinsame religiöse Tradition und Kultur verbindet. Israel vereint heute neben der aschkenasischen und sephardischen Linie auch das orientalische und äthiopische Judentum sowie israelische Araber zu einer multikulturellen Nation. (Wikipedia / DAZ)

Von Edda Schlager

17/07/09

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