Die Notenbanken der großen Volkswirtschaften stecken im Moment in einer nicht gerade beneidenswerten Situation. Einerseits sollen sie ihre klassische Aufgabe lösen: die Inflation auf einem optimalen Maße halten und dabei das Wirtschaftswachstum nicht beeinträchtigen.

Diese – eigentlich in sich schon widersprüchliche – Aufgabe ist nicht leicht zu bewältigen. Zusätzlich und zugleich wird von ihnen erwartet, dass sie drohenden Finanzkrisen vorbeugen, und, wenn diese schon ausgebrochen sind, diese wenigstens eindämmen und ihre Ausbreitung verhindern. Dieses komplexe Aufgabenfeld steht im Moment mit hoher Schärfe auf der Tagesordnung.

Die Rahmenbedingungen, unter denen die Notenbanken heute agieren müssen, unterscheiden sich jedoch grundlegend zum Beispiel von denen der 1970er Jahre. Die Globalisierung auch der Finanzmärkte macht es unvergleichlich schwieriger, die Ursachen für entstehende Probleme zu lokalisieren und die Folgen des eigenen Handelns vorauszusehen. Die Finanzmärkte sind heute in hohem Maße internationalisiert, erwartete und vollzogene Leitzinsänderungen lösen an den Devisenmärkten sofort Anpassungsprozesse aus. Längst ist es nicht mehr möglich, sich nur auf die Analyse der nationalen Elemente der Geldpolitik zu konzentrieren, weil es solche in offenen Volkswirtschaften eigentlich nicht mehr gibt. Und offen sind alle die Volkswirtschaften, die freie, also von Angebot und Nachfrage auf den Märkten bestimmte Wechselkurssysteme haben. Dazu gehört auch Kasachstan, so dass die hier geschilderten Probleme und Prozesse prinzipiell auch für die hiesige Nationalbank gelten.
Weltweit steigen im Moment die Preise für viele Dinge an. In der Eurozone hat die Inflation in den letzten Monaten nachhaltig die 2,5 Prozentmarke überschritten und scheint sich 3 Prozent nähern zu wollen. In den USA ist diese Marke schon erreicht. Auch in China, dem bereits in wenigen Jahren größten Exportland der Welt, ist das Inflationsgespenst aktuell mit etwa 6 Prozent auferstanden. Zu den Ursachen zählen neben dem Ansteigen der Preise für die meisten Energieträger und die wichtigsten Rohstoffe der massenhafte Ankauf von Devisen (gegen nationales Geld) durch manche Nationalbanken mit dem Ziel des Anhäufens von Devisenreserven und des künstlichen Stützens der Wechselkurse, aber auch die lockere Geldpolitik wichtiger Nationalbanken dieser Welt.

Die jüngsten Finanzmarkturbulenzen, ausgelöst vom US-Markt für zweitklassige Hypothekendarlehen, wurden von allen Notenbanken ähnlich, wenn auch nicht gleich beantwortet. In den USA wurden die Zinsen bereits zweimal gesenkt, und die Europäische Zentralbank (der Emittent und Besitzer des Euro) hat die geplanten Zinserhöhungen zumindest zeitweise ausgesetzt. Damit ist das Geld in den USA wieder billiger und in der Eurozone nicht teurer geworden. Geldpolitisch hätte aber genau das erfolgen müssen, eben wegen der gestiegenen Inflation. Denn sind die Kreditzinsen hoch, Geld also teuer, wird die Kredit- und damit Geldnachfrage langsamer steigen oder gar sinken und somit der Preisauftrieb gedämpft oder gar umgekehrt. Zusätzlich zu den zinspolitischen Maßnahmen haben die großen Notenbanken sehr große Geldmengen in die Geldmärkte gepumpt, um eine Liquiditätskrise im Bankensektor zu verhindern, mit anderen Worten, deren Zahlungsfähigkeit als Ganzes aufrechtzuerhalten.

Der Geldmarkt ist der für die Öffentlichkeit am wenigsten durchschaubare Finanzmarkt, weil sich an ihm nur die Notenbanken und die Geschäftsbanken beteiligen. Über den Geldmarkt führen Nationalbanken (das ist nur ein anderes Wort für Noten- oder Zentralbanken) den Geschäftsbanken die für ihre Geschäfte notwendige Liquidität zu. Diese muss in einer bestimmten Proportion zur Warenmenge stehen, denn unser Papiergeld ist ja durch Waren gedeckt, also nur dann etwas wert, wenn man für das Geld auch etwas kaufen kann. Zuviel Geld im Umlauf – in Relation zur Warenmenge – lässt die Gefahr der Inflation entstehen, zuwenig Geld im Umlauf – die Deflationsgefahr.

Bedenklich an der doch drastischen Ausweitung der Geldmenge im Verlauf dieses Jahres durch eigentlich alle wichtigen Notenbanken ist für mich vor allem, dass der Staat nun Risiken und konkrete Belastungen übernimmt, die durch privatwirtschaftliche Fehlentscheidungen entstanden sind. Die alten Diskussionen um die Privatisierung von Gewinnen und die Vergesellschaftung von Risiken und Verlusten werden so leicht neue Nahrung erhalten. Aus geldpolitischer Sicht, also aus Sicht des notwendigen langfristigen Gleichgewichtes zwischen umlaufender Geldmenge und der dazugehörigen Warenmenge, ist das im Moment aus Sicht der Warenmenge völlig falsche Anwachsen der Geldmenge zu kritisieren. Dieses zusätzliche Geld wird es den Nationalbanken wahrscheinlich unmöglich machen, die aktuelle Inflationsgefahr zu verringern oder gar ganz auszuschalten. Hohe Inflation aber ist Gift für das allgemeine Wirtschaftswachstum, weil sie die Kaufkraft der Verbraucher verringert. Die Verbraucher aber mit ihrer Nachfrage sind der entscheidende Faktor für das Entstehen und Sichern von Arbeitsplätzen und damit letztlich auch mitverantwortlich für soziale und politische Stabilität.

Zum Bewältigen der aktuellen Finanzkrise und dem Verringern der Möglichkeit ihrer Entstehung in der Zukunft werden die Nationalbanken nicht umhin kommen, ihre administrative Kontrolltätigkeit des Bankensektors neu zu strukturieren, zu internationalisieren und auch umfassend zu nutzen. Allein durch geldpolitische Reaktionen nach Ausbrechen solcher Krisen wird an der Erscheinung herumgedoktert, nicht aber an den Ursachen.

Bodo Lochmann

16/11/07

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