Das Forschungs-, Ausstellungs-, Film- und Buchprojekt „Spurensuche“ beschäftigt sich mit dem Aufenthalt zehntausender österreichischer Kriegsgefangener in Zentralasien in den Jahren 1914-1921. Projektleiter und Osteuropa-Historiker Dr. Peter Felch bittet um Mithilfe bei der Projektdurchführung.

2014 jährt sich der Beginn des Ersten Weltkriegs zum hundertsten Mal. Dieses Gedenkjahr ist ein wichtiger Anlass, um an das Schicksal, die Erfahrungen und Arbeitstätigkeit, in vielen Fällen auch an Leiden und Tod von österreichischen, aber auch deutschen Kriegsgefangenen in den heute unabhängigen Staaten Kasachstan, Kirgisistan, Usbekistan,Tadschikistan und Turkmenistan zu erinnern.

Das Thema der Kriegsgefangenschaft in Russland, wo während des Ersten Weltkriegs über zwei Millionen Soldaten und Offiziere der österreichisch-ungarischen Armee interniert waren, war damals und noch in der Zwischenkriegszeit in den Medien, der Öffentlichkeit und natürlich unter den Familienangehörigen allgegenwärtig.

Wohl wegen der Überlagerung durch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs und der Gleichsetzung von „Kriegsgefangenschaft“ und „Sibirien“ ist heute niemandem, mit Ausnahme weniger Historikerr und Orientalisten, bekannt, dass über 200.000 Österreicher, Ungarn und etliche tausend Deutsche in etwa 40 Lagern in Turkestan und am Altai gefangen gehalten wurden. Auch bei den zahlreichen bereits angelaufenen und geplanten Veranstaltungen zum Ersten Weltkrieg ist Kriegsgefangenschaft höchstens ein Randthema und kommt Turkestan überhaupt nicht vor.

Zehntausende der Gefangenen fanden durch Epidemien, Hunger und kriegerische Ereignisse den Tod und sind in Turkestan begraben. Viele versuchten zu fliehen und kamen dabei um, Zehntausende aber verbrachten bis zu sechs Jahre in der für sie in jeder Beziehung unbekannten und exotischen Weltregion.

Als Zwangsarbeiter bauten sie Straßen, Brücken, Kanäle, Kirchen und andere möglicherweise noch heute bestehende Gebäude oder arbeiteten in der Landwirtschaft, auf den Höfen russischer und deutscher Siedler. Die wichtigsten Lager der Region befanden sich an den Bahnlinien von Orenburg nach Taschkent und von Taschkent nach Krasnowodsk am Kaspischen Meer, im Fergana-Tal, im Norden des heutigen Kasachstan und im Altai.

Nach den Revolutionen des Jahres 1917 waren die Kriegsgefangenen zwar nominell frei und gleichberechtigt. Jedoch blieben sie über Jahre des Bürgerkriegs und englischer Intervention von der Aussenwelt abgeschlossen und konnten trotz des Friedensschlusses von Brest-Litowsk erst 1920/21 zu ihren Familien zurückkehren. Deshalb waren sie gezwungen, ihr Überleben in allen möglichen Berufen und mit den unterschiedlichsten Beschäftigungen zu sichern. Sie waren Handwerker, Ingenieure, Musiker, Lehrer, Ärzte und Wissenschaftler und gründeten Produktionsbetriebe. Sie spielten eine wichtige Rolle im Kultur- und Wirtschaftsleben, aber auch in der Kommunistischen Partei der Ausländer und der Roten Armee, weshalb man sie nur ungern in ihre Heimat entlassen wollte.

Dabei waren sie Beobachter, aber auch Opfer und Akteure historischer Ereignisse der Jahre 1916 bis 1920, die für die Zukunft Zentralasiens entscheidend waren. Etliche der Heimkehrer berichteten darüber in Tagebüchern, Memoiren und Artikeln, trafen sich in lokalen Sektionen der Vereinigung ehemaliger österreichischer Kriegsgefangener, hielten Vorträge und feierten „turkestanische Feste“. Trotz aller Entbehrungen bewahrten die Heimgekehrten positive Erinnerungen an die Natur, Kultur und Menschen Turkestans und gaben diese an ihre Kinder und Enkel weiter.

Eine unbekannte Zahl kehrte nicht in ihre Heimat zurück und gründete Familien und Existenzen auf dem Gebiet des im Entstehen begriffenen sowjetischen Turkestans. Ihr Schicksal ist noch weniger bekannt als das ihrer umgekommenen oder heimgekehrten Leidensgenossen.

Das Projekt „Spurensuche“ setzt sich nun zum Ziel, dieses bisher unbeachtete Kapitel österreichisch-zentralasiatischer Kontakte wissenschaftlich und publizistisch aufzuarbeiten. In anschaulicher Weise soll dieses in Film, Fotografie und als Buchpublikationen dokumentiert und einer breiten Öffentlichkeit sowohl in Österreich als auch in den zentralasiatischen Staaten in Ausstellungen, kulturellen und wissenschaftlichen Begleitveranstaltungen, als Internet-Datenbank und über die Massenmedien präsentiert werden.

Damit wird nicht nur das gegenseitige Wissen und Verständnis der Menschen Mitteleuropas und Zentralasiens verbreitert, sondern auch das Bewusstsein für historische Kontakte und Gemeinsamkeiten vertieft. Gleichzeitig soll die Erinnerung an den Überlebenskampf, die Entbehrungen und Erlebnisse der Kriegsgefangenen für die Nachwelt erhalten und vor dem endgültigen Vergessen gerettet werden.

Dazu suchen wir in Kooperation mit Wissenschaftlern in Österreich, Deutschland, Ungarn und den Ländern Zentralasiens nach den Spuren, die diese Kriegsgefangenen an den Orten ihrer Gefangenschaft und ihrer Arbeitstätigkeit hinterlassen haben, sowohl in materieller Form als auch im Gedächtnis ihrer Nachkommen und in der Bevölkerung Turkestans. Es ist dies wohl die letzte Gelegenheit, diese Spuren aufzustöbern und für zukünftige Generationen zu bewahren.

Träger des Projekts ist die in Wien ansässige Netzwerk-Plattform „VENI – Vienna Eurasia Network Initiative“, die es sich zum Ziel gesetzt hat, in Österreich Informationen über Zentralasien und den Südkaukasus zu verbreiten und Initiatven und Projekte in und mit dieser Region zu fördern. Das Projekt-Team arbeitet dabei mit Partnern wie Museen, Universitäten und den Akademien der Wissenschafen in Österreich und der Region Zentralasien und Kasachstan zusammen. Initiatoren und Projektleiter ist der Osteuropa-Historiker Dr.Peter Felch, der in Kirgisistan und Kasachstan tätig war, bereits umfangreiche Recherchearbeiten durchgeführt und eine erste Recherchereise nach Usbekistan absolviert hat. Erste Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm sind in Vorbereitung.

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Wir suchen Unterstützung:

– Hinweise jeder Art auf Spuren von oder Informationen über Kriegsgefangene des Ersten Weltkriegs in Zentralasien,

– Nachkommen oder Familienangehörige ehemaliger Kriegsgefangener, in deren Familien Erinnerungen und Erinnerungsstücke an Ihre Vorfahren vorhanden sind und die sich gegebenenfalls für ein Interview zur Verfügung stellen würden

– Menschen der älteren Generation in den Orten der ehemaligen Gefangenenlager, die Erinnerungen an Erzählungen über die Anwesenheit von Kriegsgefangenen haben und helfen können, die Standorte der Lager und Friedhöfe zu ermitteln,

– Wissenschaftler, Journalisten oder Heimatkundler in den Ländern Zentralasiens, die sich mit dieser Thematik oder der historischen Periode befasst haben oder daran interessiert sind, am Projekt mitzuarbeiten (z.B. durch Recherche in lokalen Archiven oder schriftliche Beiträge),

– Literatur, Originaldokumente (Tagebücher, Korrespondenz etc.), Bildmaterial, Erinnerungsstücke oder andere mit den Kriegsgefangenen in Beziehung stehende Objekte und Archive, Museen und private Sammler, die im Besitz solcher Materialien sind,

– Museen und andere Kulturinstitutionen, die an der Publikation, an Ausstellungen mit lokalem Schwerpunkt oder einer Präsentation des Dokumentarfilms interessiert sind,

– Partner, Sponsoren und Unterstützer für Recherche, Film, Buch und Ausstellungen, denen VENI im Rahmen des Projektes ein breites Angebot an Werbe- und Präsentationsmöglichkeiten bietet.

Informationen erbeten an: Peter Felch felch@pochta.ru oder p.felch@veni-eurasia.net

Von Dr. Peter Felch

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