Im Moment werden mehr oder weniger hastig die Prognosen für die Entwicklung der Weltwirtschaft im nächsten Jahr umgearbeitet. Quer über alle makroökonomischen Kennziffern gibt es dabei nur eine Richtung der Korrektur: nach unten.

Das heißt nichts anderes, als dass die Finanzkrise nun ebenfalls dabei ist, auch auf die Realwirtschaft – damit ist die Produktion von Waren und Dienstleistungen gemeint – überzugreifen. Deutschland befindet sich schon offiziell in einer Phase der Rezession. Davon spricht man, wenn das Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwei Quartale hintereinander schrumpft. Der Rückgang der Produktion betrug dort zwar nur 0,2 Prozent pro Quartal, bei dem hohen BIP Deutschlands sind das aber schon sehr beträchtliche Summen.

Der Internationale Währungsfonds, der ständig die Entwicklung der Weltwirtschaft beobachtet und regelmäßig seine Analysen und Prognosen zu deren Entwicklung erarbeitet, hat nun Zahlen für 2009 veröffentlicht, die nicht allzu gut aussehen. Danach wird die Weltwirtschaft im nächsten Jahr zwar noch um 2,2 Prozent wachsen, das sind aber 0,75 Prozent weniger als noch vor einem Monat prognostiziert. In den vergangenen Jahren betrug das weltweite Produktionswachstum etwa 5 Prozent. Nun ist Wachstum natürlich nicht alles, aber nach wie vor eben doch eine zentrale Voraussetzung für die Lösung einer ganzen Reihe von Problemen dieser Welt, wie zum Beispiel Sicherung von Beschäftigung und Versorgung der jährlich um etwa 1,5 Prozent wachsenden Weltbevölkerung.

Die klassischen westlichen Industriestaaten werden der Prognose gemäß reihenweise das deutsche Schicksal teilen müssen und in eine Rezessionsphase übergehen. Für die USA wird ein Rückgang des BIP um 0,7 Prozent, für die 15 Länder der Eurozone um 0,5 Prozent, darunter für Deutschland um 0,8 Prozent vorhergesagt. Deutliches, wenn auch gegenüber den vorherigen Prognosen verringertes Wachstum wird es mit 5,1 Prozent in den meisten Schwellenländern geben, darunter den GUS-Staaten. China bleibt weltweite Wachstumslokomotive, auch wenn das Wachstum auf 8,5 Prozent zurückgeht. Die einzige sich reduzierende Kennziffer, über die man sich wirklich freuen kann, ist die Inflation, die in den westlichen Industriestaaten auf 1,4 Prozent geschätzt wird.

Schwankungen der Produktionsmenge und die Veränderungen der BIP-Wachstumsraten sind eine normale Erscheinung marktwirtschaftlicher Tätigkeit. Insofern ist die gegenwärtige und künftige Rezession nichts wirklich Besonderes. Gleichwohl sind allzu starke Schwankungen des Produktionswachstums, vor allem aber ein sehr schneller Rückgang der Produktion – sogenannte „harte Landungen“ – wirtschaftlich und politisch eher unerwünscht. Eine Frage, die in diesem Zusammenhang im Moment wieder intensiv diskutiert wird, ist die, ob der Staat mit speziellen Konjunkturprogrammen das Wachstum unterstützen soll oder ob der Markt die Dinge selbstständig und effizienter regelt als Staatsangestellte. Die Antworten darauf fallen seit jeher sehr unterschiedlich aus, und auch in dieser Krise wird es unter den Wirtschaftsweisen keine einheitliche Meinung geben können. Zwar hat in den letzten Monaten der Staat hinsichtlich der Finanz- und Bankenkrise in vielen Ländern seine Handlungsfähigkeit schnell und durchaus eindrucksvoll unter Beweis gestellt, doch ob das so ohne weiteres auf die Realwirtschaft zu übertragen ist, bezweifle ich. Zumindest hat die Praxis der Einmischung des Staates in diese Prozesse in der Vergangenheit nur relativ selten die erwünschten Ergebnisse gebracht. Man weiß ganz einfach nicht, in welchem Stadium der Entwicklung des Konjunkturzyklus man sich im Moment gerade befindet. Außerdem vergeht nicht wenig Zeit, bis zum Beispiel Steuersenkungen, Senkung der Kreditzinsen oder Investitionszuschüsse ihre Wirkung entfalten. Außerdem ist beispielsweise bei Steuersenkungen durchaus nicht gesichert, dass die Haushalte das nun höhere Nettoeinkommen wirklich für den Kauf von Waren ausgeben und so die Produktion wieder beleben oder es infolge der unsicheren Zeiten doch lieber vorziehen, dieses Geld zu sparen. Zudem ist auch auf den Vorteil der Bereinigung des Marktes in Rezessionszeiten hinzuweisen: Übertreibungen der jüngeren Vergangenheit verschwinden – so haben in Almaty in diesem Jahr etwa zwei Drittel der Vermittlungsbüros für Immobilien geschlossen – und es entstehen, zumindest bis zur nächsten Übertreibung, gesündere Marktstrukturen.

Bleibt noch, auf die drastische Korrektur der Preise für Öl hinzuweisen. Nach dem Rekordhoch von 147 Dollar je Barrel im Juni dieses Jahres, ist der Preis jetzt auf etwa 60 Dollar abgestürzt. Noch vor drei, vier Jahren schien ein solcher – damals sehr hoher – Preis eine Art Katastrophe zu sein. Heute wird er eher als zu niedrig bewertet. Der IWF hat seine Prognose dieses Preises für 2009 schon von ursprünglich 100 Dollar auf 68 Dollar reduziert. Kasachstanische Finanzplanungen basieren auf 60 Dollar pro Barrel. Bleibt der Preis auf dem jetzigen (relativ) niedrigem Niveau, wird das vor allem für die vom Ölexport abhängigen Staaten Probleme bringen, während dadurch den importierenden Staaten ein wenig geholfen werden dürfte, wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Jedes Ding hat also zwei Seiten, sogar Krisen.

Bodo Lochmann

28/11/08

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