Der Almatyer russlanddeutsche Unternehmer Juri Wegelin ging 1990 nach Deutschland. Seit 1998 ist er Chef der Wein- und Gemüsebaufirma Gold Product in Almaty. Im Interview mit der DAZ spricht Wegelin über die Weinbauernte 2009, seine Erfahrungen in Deutschland, die Pläne mit seinem Unternehmen und die Bedeutung der deutschen Herkunft für seine Arbeit.

/Foto: Cornelia Riedel. ‚Der russlanddeutsche Unternehmer Juri Wegelin zeigt Wein seiner Firma Gold Product.’/

Herr Wegelin, wie lief die Weinernte 2009 für Sie und Ihre Mitarbeiter von Gold Product? Sind Sie zufrieden?

Wir haben in diesem Jahr den höchsten Ertrag an Wein in unserer Geschichte erzielt, durchschnittlich acht bis zehn Tonnen pro Hektar, beim Saperawi, einer aus Georgien stammenden roten Rebsorte, sind es sogar 18 Tonnen pro Hektar. Auch die Apfelernte war in diesem Jahr sehr erfolgreich.

Der Weinanbau ist in den Ländern der GUS ja eine Domäne Georgiens. Wie ist für Sie der Wettbewerb?

In Kasachstan sind wir mit 35 Prozent Marktanteil der größte Weinhersteller. Unsere Weine können Sie im ganzen Land kaufen. Wir haben 2000 Hektar Anbaufläche und sind so auch flächenmäßig der größte Weinproduzent hierzulande.

Kasachstan litt und leidet besonders unter der Krise. Wie verkauft sich ein Genussmittel wie Wein unter diesen Bedingungen?

Wir können uns nicht beklagen, trotz Krise verkaufen wir von Wein und Gemüsekonserven die gleiche Menge wie vor der Krise. Nur beim Saft haben wir 30 Prozent Umsatzeinbußen hinnehmen müssen. Doch auf diese Entwicklung reagierten wir kurzfristig und haben ein preisgünstigeres Saftsortiment, Dobrynja, auf den Markt gebracht. Das ist seit einigen Wochen kasachstanweit erhältlich.

Wo hapert es aus Ihrer Sicht noch bei der Weinproduktion, welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen Sie für Ihre Mitarbeiter und Ihre Firma?

Wir, meine Mitarbeiter und ich, wissen, dass uns noch die entsprechenden Fachkenntnisse, unter anderem beim Anbau und der Abfüllung, fehlen, deshalb holen wir uns immer wieder Rat bei Experten aus Europa. Erst vor kurzem war Wolfram Schuster, ein Weinexperte aus Deutschland, auf den Weinfeldern und in unserer Firma, um mit den Mitarbeitern Verbesserungen zu besprechen, die Modernisierung des Betriebes voranzutreiben und eine Prioritätenliste für Investitionen zu erstellen. Unsere Fachkräfte hier sind noch nicht auf westlichem Niveau, da gibt es noch viel zu lernen!

Herr Wegelin, Sie waren in die Schlagzeilen geraten, als Sie als deutscher Staatsbürger wegen angeblichen Subventionsbetrugs und Steuerhinterziehung unter Hausarrest und 2006 in Kasachstan vor Gericht gestellt wurden.

Inzwischen ist bewiesen, dass ich einhundertprozentig unschuldig bin, das hat das Gericht bestätigt. Einigen Mitarbeitern der Finanzpolizei wurde wegen meines Falles gekündigt. Die Korruption ist immer noch groß in Kasachstan, das weiß jeder. Eine Firma in Kasachstan zu leiten, das bedeutet, immer eine große Verantwortung zu tragen. Die Gesetze sind undurchsichtig, und ich bin selbst verantwortlich, wenn meine Buchhalterin einen Fehler gemacht hat, egal, ob es mutwillig war oder nicht.

Unter anderem beschuldigte man Sie damals der Nichterfüllung eines staatlichen Subventionsvertrages. Wie schätzen Sie das Investitionsklima in Kasachstan heute ein?

Ich bin sehr zufrieden mit der Unterstützung von staatlicher Seite, wir erhalten seit zwei Jahren für unsere Neuanpflanzungen 50 Prozent Subventionen, ohne staatliche Hilfe hätten wir das nie geschafft. Hier in Kasachstan sind die Steuersätze niedriger als in Deutschland, und der Wettbewerb ist noch nicht so stark wie in Westeuropa.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Wir hoffen auf die Vergrößerung unseres Absatzmarktes für Wein durch die Zollunion mit Weißrussland und Russland ab Januar 2010. Durch unsere Neuanpflanzungen, Modernisierungen und die damit verbundene größere Ernte können wir nun mehr produzieren und unseren Wein auch in den Nachbarländern anbieten. Außerdem soll unsere Abfüllanlage erneuert werden, und wir wollen eine pneumatische Presse in Betrieb nehmen sowie neue Kühlsysteme anschaffen und einen Weinkeller bauen. Die Gurkenproduktion soll von 1,5 Millionen Gläser auf 7 Millionen Gläser im kommenden Jahr steigen.

Sie sind russlanddeutscher Herkunft, wanderten 1990 von Kasachstan nach Deutschland aus und haben nach der Ausbildung in Deutschland und mehreren Jahren als Unternehmer vor elf Jahren den Wein- und Gemüsehersteller Gold Product in Almaty gegründet. Welche Erfahrungen aus Deutschland helfen Ihnen heute bei Ihrem Business in Kasachstan?

Als ich 1990 aus Kasachstan weggegangen bin, kannte ich noch keinen Computer, in Deutschland habe ich dann eine moderne kaufmännische Ausbildung mit Schwerpunkt Osteuropahandel genossen. Meine erste eigene Firma gründete ich 1993 in Deutschland, einen Import und Export für Lebensmittel. Die Jahre in Deutschland, auch die Unterstützung durch den deutschen Staat, haben mir sehr geholfen, genügend Erfahrungen zu sammeln, um hier in Kasachstan als Unternehmer erfolgreich zu sein. Sowohl damals in Deutschland als auch jetzt hier in Kasachstan hilft es mir sehr, dass ich sowohl die deutsche als auch die russische und kasachische Mentalität und das Geschäftsgebaren kenne und verstehe. Mit Gold Product habe ich ganz klein angefangen, als ich 1999 eine kleine Gemüsekonservenfabrik in Turgen kaufte.

Welche Rolle spielt es für Sie als Geschäftsmann, hier in Kasachstan als Deutschstämmiger zu arbeiten?

Meine Vorfahren sind um 1816 aus Bayern gen Osten gezogen, ich bin als Deutscher in Kasachstan aufgewachsen und selbstbewusst, was meine deutsche Herkunft anbelangt. Ich weiß, was ich tue und was ich erreicht habe, und wenn es um Deutschland und die Deutschen geht, bin ich bereit zu helfen, denn es sind meine Leute. Hier habe ich eine große Firma, bin verantwortlich für meine Mitarbeiter und setze mich für sie ein. In Deutschland wohnen drei meiner Kinder, dort fühle ich mich wohl, in Kasachstan ist die Arbeit, da ist es stressiger. Und als Rentner könnte ich mir gut vorstellen, einmal in Deutschland zu leben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Cornelia Riedel.

13/11/09

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