Nicht die reine Kunstförderung steht im Mittelpunkt der Arbeit des Goethe-Instituts Taschkent, sondern die Verbindung von Kultur und Entwicklung. Im Gespräch mit der DAZ berichtet der Leiter des Goethe-Instituts Taschkent, Johannes Dahl, über die Schwerpunkte der Arbeit des Goethe-Instituts, über deutsche Spuren in Usbekistan, die Kooperation mit dem einzigen Orchester für zeitgenössische Musik in Zentralasien und die Tradition der deutschen Sprache.

/Foto: Olaf Möller.’Die Verbindung von Kultur und Entwicklung steht im Mittelpunkt der Arbeit des Goethe-Instituts Taschkent.’/

Dr. Johannes Dahl

Herr Dahl, während des Jahres „Deutschland in Kasachstan 2010“ nutzten viele Menschen die Möglichkeit, mehr über Deutschland zu erfahren. Gab es etwas Ähnliches in Usbekistan?

Ja, wir haben als Goethe-Institut zusammen mit der Deutschen Botschaft und anderen Mittlerorganisationen die Deutschlandwochen in Usbekistan organisiert. Zu den Veranstaltungen, die auf den kulturellen Austausch zwischen Deutschland und Usbekistan abzielten, zählten zum Beispiel eine Tanztheateraufführung, eine Videokunstausstellung und eine Jazztournee. Die Veranstaltungsreihe war insgesamt sehr erfolgreich und wurde in den Medien entsprechend wahrgenommen. Wenn dieser Artikel erscheint, wird es die 122. Veröffentlichung über die Deutschlandwochen in Usbekistan sein.

Inwieweit ist die deutsche Minderheit in Projekte des Goethe-Instituts Taschkent miteinbezogen?

In Usbekistan leben rund 20.000 Russlanddeutsche, die schwerpunktmäßig von der Deutschen Botschaft betreut werden. Es gibt ein Projekt, in dem Schüler sich auf Spurensuche begeben und zusammentragen, welche deutsche Spuren in der Region noch zu finden sind. Die Schüler haben auch die Spuren von berühmten Russlanddeutschen zurückverfolgt.

Wie populär ist insgesamt die deutsche Sprache in Usbekistan?

An den Schulen spielt Deutsch eine wichtige Rolle. Nach offiziellen Zahlen des Bildungsministeriums steht die Zahl der Deutschlerner in Usbekistan an fünfter oder sechster Stelle. Am Goethe-Institut spüren wir das Interesse, Deutsch zu lernen. Unsere Sprachabteilung wächst, und die Zahl der Einschreibungen für Deutschkurse hat sich in den letzten drei Jahren verdoppelt.

Mit welchem Ziel lernen Usbeken Deutsch, und was verbinden sie mit Deutschland?

Sie lernen Deutsch, um in Deutschland zu studieren und eventuell auch zu arbeiten. Kenntnisse der deutschen Sprache verbessern auch ihre Chancen, in deutsch-usbekischen Unternehmen zu arbeiten. Deutschland verbinden Usbeken natürlich auch mit den Klischees, die ja deswegen nicht falsch sein müssen, dass die Menschen tüchtig sind und alles gut funktioniert.

Was schätzen Sie persönlich an der deutschen Sprache und Kultur?

Viele haben Angst, dass die deutsche Sprache von Anglizismen erdrückt wird. Davon bin ich nicht überzeugt. Lehnwörter aus anderen Sprachen können den Wortschatz einer Sprache reicher und differenzierter machen, und das ist in der Vergangenheit mit der deutschen Sprache schon öfter geschehen. In den Bereichen Naturwissenschaft und Technik ist Englisch nun einmal die dominierende Sprache. Man muss natürlich aufpassen, dass nicht plötzlich alles cool und trendy ist. Unabhängig hiervon hat sich die deutsche Sprache in ihrem Wortschatz zu einer reichen und diffenzierten Sprache entwickelt, die auch sehr schöne Aspekte hat. Dass man allerdings nur in (Alt-)Griechisch oder Deutsch wahrhaft philosophieren könnte, wie Martin Heidegger meinte, halte ich für falsch.

Auf welche Kooperation sind Sie besonders stolz?

In Usbekistan arbeiten wir eng mit dem einzigen Orchester für zeitgenössische Musik in Zentralasien,Omnibus, zusammen. Junge usbekische Komponisten und Studenten tauschen sich in einem Laboratorium mit Experten aus Europa und den USA aus. Zeitgenössische Musik liebt nicht jeder: Wenn das Orchester im Goethe-Institut probt, halten sich manche Leute machmal die Ohren zu. Wenn zu Konzerten von Omnibus etwa 120 Zuhörer kommen, ist das schon ein Erfolg. In Deutschland würden auch nicht viel mehr Menschen zu einer solchen Musik kommen.

Mit welchen Projekten möchten Sie den Kulturaustausch zwischen Deutschland und Usbekistan weiter fördern?

Wir planen eine Sommerakademie für Übersetzer, und zwar für Übersetzungen aus der deutschen Sprache direkt ins Usbekische. Wir möchten hierfür in erster Linie Sachautoren ansprechen, wie zum Beispiel aus den Gebieten Architektur und Gesellschaftswissenschaften. Immer weniger junge Menschen sprechen Russisch in Usbekistan, ihnen bleibt somit der Zugang zur russischen Fachliteratur versperrt.

Insgesamt konzentrieren sich unsere Projekte auf den Bereich Kultur und Entwicklung. Ob die Vernetzung junger Umweltaktivisten, die Weiterbildung von Kuratoren, wie sie Ausstellungen interaktiver gestalten können oder Verlegerfortbildungen – nicht nur die reine Kunstförderung steht im Mittelpunkt der Arbeit des Instituts, sondern auch der pädagogische Ansatz, durch Kulturveranstaltungen die Entwicklung Usbekistans weiter zu fördern.

Interview: Christine Karmann

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Dr. Johannes Dahl stammt aus Hannover und studierte Germanistik, Politikwissenschaften und Philosophie in Tübingen. Nach Abschluss seines Studiums arbeitete er an der Universität in Tübingen, anschließend als Lektor an der Universität Novi Sad im damaligen Jugoslawien. Er promovierte an der Universität Mannheim in Linguistik. 1981 begann seine Laufbahn beim Goethe-Institut. Nach verschiedenen Stationen in Goethe-Instituten weltweit, unter anderem in Atlanta (Leiter der Sprachabteilung), Thessaloniki (Institutsleiter), Deutschland (Strategie und Controlling) und fünf Jahren in Moskau leitet er nun das Goethe-Institut Taschkent.

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